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58 Ankauf von Grund und Boden. dition. Der Tod ereilte den trefflichen Mann nach Jahresfrist, als er, vom Klima entkräftet, der Heimat zustrebte: daher ziemt es unserer Dankbarkeit, seinen Namen in Ehren hier zu nennen. Dr. Bastian und ich beriethen unverzüglich, wie die erlittenen Vèrluste am schnellsten auszugleichen seien. Vor Allem kam es darauf an, die Zwischenzeit auszunutzen und einen geeigneten Punct für die Anlage der beabsichtigten Station zu finden. Diese hatte nach den in Berlin festgesetzten Instructionen einen doppelten Zweck zu erfüllen. Sie sollte in erster Linie ein Stütz- punct für alle von der Loangoküste aus unternommenen Reisen in’s Innere sein; ein Dépôt sowol wie eine Vermittlungsstelle für die Beziehungen zwischen Europa und der im Innern befindlichen Expedition. In zweiter Linie hatte sie den Zweck, einer systematischen Erforschung des Küstengebietes in naturhistorischer Beziehung zu dienen. Es sollten Sammlungen daselbst angelegt und den heimatlichen Museen zugesandt werden. Dies erschien um so dankbarer, als das Land in jeder Beziehung unerforscht war. Bei der Auswahl des Ortes waren hygienische Rücksichten mit bestimmend. Wir entschieden uns, nach Abwägung der Vortheile, welche die in Aussicht genommenen Localitäten boten, für den Ankauf einer aufgegebenen, beinahe verfallenen Factorei zu Tschintschotscho. Die einzige noch in Betrieb befindliche Factorei weit und breit lag nur wenige hundert Schritt von dem Orte unserer Wahl entfernt, gehörte dem holländischen Hause und wurde von Shr. Moreira, einem Portugiesen verwaltet; zwischen diesem Manne und der Expedition entwickelten sich nach und nach Beziehungen der loyalsten Art, bis auch ihn das Klima dahinraffte. . Tschintschotscho gehört zur Landschaft Tschiloango, wie das von den Flüssen Luëmme im Norden, Tschiloango im Süden eingefasste Küstengebiet genannt wird. Von der Mündung des letztgenannten Flusses nur drei Seemeilen entfernt, erhebt sich die Station in 5° 14" südlicher Breite und 120 3' 45" östlicher Länge von Greenwich auf einem sandigen Plateau, das fast senkrecht zehn Meter tief gegen den hundert Schritt breiten sandigen Strand abstürzt. Man hat von dieser Höhe aus einen freien, ungehemmten Blick über das Meer, während sich auf der Landseite sanfte Hügel erheben, die letzten Ausläufer des welligen Terrains, das bis zur ersten grossen Waldbarriere reicht. Eine Lagune füllt die nächst gelegene, südöstliche Thalsenkung aus und dehnt sich mit theilweise dichten Mangrovebeständen bis zum Tschiloango; die schädlichen Wirkungen der Ausdünstungen sind wenig zu fürchten, weil den Tag über, von zehn Uhr Die Häuptlinge um Tschintschotscho. 59 Morgens an, eine frische, oft unerwünscht heftige Seebrise weht und weil der nächtliche Landwind selten aus der Richtung der Lagune kommt. Gutes Trinkwasser quillt, zwanzig Minuten entfernt, aus dem Grunde eines Thälchens hervor, das hinter der nächsten Hügelreihe eingesenkt ist. Die Grasbestände bedecken die Gegend weithin, sind aber vielfach durch kleine Gruppen von Gebüsch und Bäumen wie durch einige grössere Buschwälder unterbrochen. Zahlreiche Culturen, namentlich von Maniok, deuten auf viele Dörfer, die alle unter einander durch ein Netz schmaler. Pfade verbunden sind. Politisch hängt die Landschaft von etwa fünf Häuptlingen ab, die unter sich in einer nach Rangstufen gegliederten Gemeinschaft stehen; sie fehlen nie, wenn es gilt von den Fremden ihre Abgaben zu erheben, und mit ihnen hatte ich mich nun in erster Linie zu verständigen. Dr. Bastian war gezwungen, sogleich nach der Auswahl des Platzes für die Station weiter zu reisen, da seine Rückkehr nach Europa nahe bevorstand. Die Abmachungen mit den eingeborenen Machthabern liefen wie immer auf eine Zahlung von Zeug und Rum hinaus. Die Unterhandlung, das sogenannte „Palaver“, bot keine besonderen Schwierigkeiten, und liess nicht ahnen, zu einer wie zeitraubenden Gedulds- und Verstandesprobe ähnliche Zusammenkünfte sich gestalten können. Palaver (Fiote: mkanu, Portugiesisch: fundamento) finden nicht nur zwischen Eingeborenen und Weissen, sondern auch zwischen Eingeborenen allein statt und sind der hervorragendste Zug ihres öffentlichen Lebens. Die Bafiote, d. h. die Bewohner der Loangoküste, ersetzen durch das Wort, was bei wilderen Stämmen das Schwert entscheidet, und suchen sich ein bestrittenes Recht vor den versammelten Grossen der Landschaft in tagelangen Redeschlachten zu erkämpfen. Die Häuptlinge um Tschintschotscho führen zum Theil sehr vornehme Titel, wie Samano, Mambuku, Muboma, die sie hoch in der socialen Rangordnung der Bafiote stellen. Ausser ihnen giebt es noch eine Anzahl kleinerer Herren, die sich am liebsten als feudale Grafen und Marquis betrachtet sehen würden. Alle sind einig in dem Streben, dem Weissen auf gütliche Weise oder durch Quälerei und Unverschämtheit das erreichbar grösste Quantum an Zeug und Rum zu entlocken. Man darf sie darum nicht schelten, denn sie handeln im guten Glauben, und vor solchem war ja selbst das Ketzerverbrennen gerechtfertigt. Die Thätigkeit, die mir zunächst bevorstand, war keine benei- denswerthe: ich hatte aus der elenden Hütte von Papyrusschäften, die sich auf dem schlecht eingezäunten Hofe erhob, eine bewohnbare Stätte nicht nur für mich, sondern für alle noch zu erwartenden Ge


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