formation sehr abgeneigt sind und entweder Schweigen beobachten oder absichtlich falsche Angaben machen. Die Ansicht, welche ich mir während meines Verweilens in Westafrica über die religiösen Empfindungen und Bedürfnisse der dortigen Neger gebildet habe, lässt sich kurz so aussprechen: Man glaubt an ein höchstes Wesen, Nsambi genannt, aber eben weil es ein höchstes Wesen ist, bedarf der Mensch einer Vermittelung, und gerade diese macht den Kern des Fetischglaubens aus. Man legte gewissen Dingen, materiellen Gebilden natürlichen oder künstlichen Ursprungs, Kräfte bei, die den Menschen gegen die Anfeindungen seiner Mitmenschen wie der Natur schützen sollten, und nannte sie Fetische (simkissi). „Des kranken Weltplans schlau erdachte Retter“! darf man sie mit dem Wort des Dichters bezeichnen, denn das Bewusstsein der eignen Ohnmacht und deren Ausbeutung durch betrogene Betrüger hat sie erzeugt. Es ist keine heitere, von Poesie umwobene Religion, mit der wir es hier zu thun haben; im Gegentheil sie ist düster und abstossend, weil sie nur dazu dient, das Böse abzuhalten, nicht aber lehrt, Gutes zu thun. Tschimfime liegt etwa drei Stunden oberhalb der Mündung des Tschiloango. Ebbe und Flut machen sich daselbst so stark geltend, dass der lebhafte Canoeverkehr sich ganz darnach richtet. Auch ich setzte meine Reise zu Canoe fort, indem ich flussabwärts fuhr und vorläufig den Reizen der schönen Landschaft Lebewol sagte. Denn das Zusammentreffen mit dem in Landana meiner harrenden Dr. Bastian war für den Augenblick wichtiger als alles Andere. Mein Gastfreund stellte mir nicht nur sein bestes Canoe und zwölf ausgesuchte Leute zur Verfügung, sondern begleitete mich selbst. In unaufhörlichen Krümmungen windet sich der bräunliche, schmale Wasserstreifen des Tschiloango durch die mit Schlingpflanzen verwobene Galleriewaldung. In rascher Fahrt theilt unser Fahrzeug die Woge und trägt den Wechselgesang der Ruderer durch die stille Flur. Zwei Steuerleute sitzen neben einander auf dem Hintertheil des zwanzig Fuss langen Canoes und unterstützen sich gegenseitig, wo eine scharfe Curve oder die Ungunst des Fahrwassers eine schnelle Richtungsänderung verlangt. Die zehn Ruderer haben paarweise auf fünf Bänken Platz genommen und, erzogen in der Furcht des Herrn, verrichten sie in gleichförmigem Tact ihre Arbeit, ohne nachzulassen. Zuweilen werden sie durch Worte angefeuert, die sich hier nicht wol wiedergeben lassen, den Verhältnissen indessen angepasst sind; auch wird die Nilpferdpeitsche erhoben, zum Zeichen, dass sie existirt und als Damoklesschwert über dem Lässigen schwebt. Die Bewegung des Canoes ist ruckförmig und ohne seitliche Schwankungen, durchaus vergleichbar der Bewegung des Kamels. Hier wie dort bedarf es einer kleinen Uebung zur Erlernung deutlichen Schreibens und sicherer Compassablesung während-der Fahrt. Wir passiren die am linken Ufer gelegene Factorei Insono, deren später noch Erwähnung geschehen wird, und allmählich ändert sich das Aussehn der Ufer. Das heitere Grün des üppig wuchernden Waldes verschwindet, die Oelpalmen, die Bombaxbäume, die Phönixpalmen treten zurück, die blühenden Sträucher hören auf, die Lianen finden keine Stütze mehr, und die ernste Region der Mangroven, das Zeichen der Meeresnähe beginnt; ernst ist sie durch ihre Einförmigkeit und durch die vernichtende Herrschaft, welche sie jeder ändern Vegetation gegenüber ausübt. Das dunkle Laubdach der Mangroven beschattet ganze Länderstriche, wo es nur immer dem Meerwasser gestattet ist, sich mit dem süssen Wasser der Flüsse zu mischen. Kein andres Beispiel so ausgedehnten Baumschlags bieten die Tropen, denn alle übrigen Wälder sind durch gemischte Bestände charakterisirt. Das Rauschen des Meeres kündet das baldige Ende unserer Fahrt an. Die flachen Ufer werden lichter, denn die Continuität der Rhizo- phoren erleidet durch Palmengebüsche und sumpfige Grasflächen Unterbrechungen. Das Wasser des Flusses ergiesst sich mit der Geschwindigkeit eines Bergstromes in das Meer, nicht weil sein Bett stark fällt, sondern weil die Ebbe gerade heftig ausläuft. Der Tag neigt sich, und bei der letzten Windung sieht man den röthlichen Sonnenball hinter der weissschäumenden Barre verschwinden, einen Augenblick getragen von dem verschmelzenden Laubdach der beiden Uferwälder. Wir legen an, wo der Meeresstrand vom Tschiloango durchbrochen wird. Hier erhebt sich rechts die stattliche Factorei des sehr geachteten Liverpool-Hauses Hatton & Cookson; links aber ragt einsam ein vereinzeltes, prachtvolles Exemplar der Mangrove aus dem Sande auf. Dieses, auffallende Auftreten deutet darauf hin, dass die Strandverhältnisse Aenderungen erlitten haben, und dass Stellen, die jetzt trocken sind, einst der Feuchtigkeit zugänglich waren; eine Annahme, welche volle Berechtigung hat und sich aus gewissen, heftigen Dünungserscheinungen des Meeres erklären lässt. Nördlich und südlich von der Tschilo'ango-Mündung fällt der Blick auf Hügelbildungen, mit denen die breite Thalmulde des Flusses ab- schliesst. Die im Süden gelegenen haben - die Form eines felsigen Vorgebirges, das in steilem Absturz in’s Meer fällt. Nur zur Zeit des Niedrigwassers werden die Trümmerblöcke am Fuss ffeigelegt, und alsdann ist es möglich, über sie hinwegzuklettern und den ebenen
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