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durch rhythmisch geschwungene Holzklappern und angeschlagene Metallglocken, und bald sah ich einen grossen Trupp Eingeborener aus dem Walde auf das freie Terrain der Factorei defiliren. Sie schienen sich um einen Gegenstand zu gruppiren, der von einigen ihrer Leute fortgetragen wurde. Ein Theil der Neger war phantastisch mit Federn geschmückt, ihr Körper mit weissen Streifen bemalt, über der linken Schulter hiengen mit Lappen verzierte kleine Gegenstände herunter. Andere schwangen Feuersteingewehre oder grosse Messer, noch andre hatten leere Glasflaschen in der Hand, alle aber trugen zu dem dumpfen Lärm bei, mit dem der Zug sich der Factorei näherte. Noch ehe die sonderbare Procession zum Stillstand gekommen war, liess sich bemerken, dass eine Hängematte den eigentlichen Mittelpunct derselben bildete. Ein regungslos ausgestreckter, menschlicher Körper schien darin zu liegen, und mein erster Gedanke war, dass es sich um eine Leichenfeier oder um einen Racheact für den Tod eines Erschlagenen handele. Mein Erstaunen war gross, als der Zug vor dem Hause anhielt, die Menge sich theilte, zwei grosse Fetisch-Holzpuppen aus der Tipoja gehoben und mit andächtiger Sorgfalt auf die Erde gesetzt wurden. Sie waren ungleich hoch, beide etwa wie missgestaltete Zwerge anzusehen, roth und schwarz bemalt, mit mandelförmigen Augen, kurzen Beinen. Sie sahen ganz abscheulich aus, und hätten in einer nach ästhetischen Rücksichten hergestellten Anordnung noch hinter dem Nussknacker unserer Weihnachtsmärkte rangirt. Brust und Leib zeigten sich mit eisernen Nägeln völlig gespickt, das Haupt umwogte eine Federkrone. An dem kleineren Fetisch war vorn ein Spiegel befestigt, darunter hieng eine Art schottischer Tasche, dem Fellschurz der nationalen Tracht Vornehmer entsprechend; die Hand des erhobenen rechten Arms hielt ein Messer. Glimmende Holzscheite wurden herbeigebracht und zu Füssen des grösseren Fetisches niedergelegt, während der Lärmnach- liess und eine verhältnissmässige Stille eintrat. Mittlerweile hatten sich die zahlreichen Crumanos und der Ling- ster der Factorei um meinen Gastfreund geschart, der der Sache mit der Miene eines gelangweilten Theaterbesuchers zuschaute. Er überreichte dem Lingster vor versammeltem Volk vier eiserne Nägel, mit denen dieser vor das Feuer trat und eine Rede in der Sprache der Bafiote — so nennen sich die Bewohner der Loangoküste — halb zu den Fetischen, halb zu den gegenüberstehenden Schwarzen hielt. Letztere hörten mit ungetheilter Aufmerksamkeit zu und unterbrachen zuweilen den Lingster, indem sie in seine Rede einfielen; zu wiederholten Malen wurden den Fetischen die vier Nägel vor die mandelförmigen Spiegelaugen gehalten, und ihnen dann besonders eindringlich zu Herzen geredet. Ich konnte nicht umhin, bei dem Sprechen sowol die Volubilität der Zunge wie den Fluss der Rede zu bewundern, mit dem Inhalt musste sich meine Phantasie abzufinden versuchen, so gut es gehen wollte. Immerhin war klar, dass es sich um eine Mittheilung an die Fetische handelte, damit sie wüssten, was nun mit ihnen vorgenommen werden solle. Der Lingster nämlich legte die Nägel auf das Feuer, hielt zwei davon für seinen Herren zurück und schlug von den beiden ändern je einen in jeden der Fetische. Dieser Moment gab das Zeichen für den Ausbruch eines wilden Tumultes. Alles wandte sich gegen die Fetische, sprach und schrie auf sie los, drohte mit wüthenden Gesticulationen, und ich glaubte, ihre letzte Stunde sei gekommen. Doch nein! Sorgfältig wurden sie wieder eingepackt, sobald der Sturm sich gelegt hatte; die leeren Flaschen, die sich in den Händen der Ankommenden befanden, wurden mit Rum gefüllt, eine reichliche Spende von Zeug hinzugefügt, und sammt Fetischen und Hängematte verschwand der sonderbare Zug unter dem Klappern seiner Tschingongo im Walde. Was konnte der Sinn dieser Scene sein, in welcher sich offenbar eine religiöse Ceremonie in theils grotesker, theils leidenschaftlicher Form abspielte? Meine portugiesische Sprachkenntniss reichte für das Verständniss der von meinem Gastfreund gegebenen Erklärung nicht völlig aus. Was ich vorläufig fassen konnte, war, dass Eingeborene des Flussgebiets sich ein Vergehn gegen den Agenten von Tschim- fime hatten zu Schulden kommen lassen (sie hatten ein ihm gehöriges, mit Producten beladenes Canoe weggefangen), und dass nun die herbeigerufenen Fetische durch das Einschlagen der Nägel die Verpflichtung zum Auffinden der Uebelthäter übernehmen sollten. Die Leute, welche die Fetische gebracht hatten, waren Bewohner des Dorfes, in dem dieselben bewahrt wurden; sie erschienen unter Führung der Fetischdoetoren, und diese nahmen die Zahlung für die niemals umsonst geleisteten Dienste in Empfang. Das laute Einsprechen auf die Fetische geschah zu dem Zweck, diesen ihre Pflicht klar zu machen, und das Zurückbehalten der beiden Nägel sollte bekunden, dass dem Weissen ein bindendes Pfand verbliebe. Diese Erklärung trifft' den Sinn der Sache jedenfalls, aber ich behaupte nicht, dass sie absolut richtig sei. Man sieht, je länger man im Lande verweilt, ein, wie schwer es ist, die wahre Meinung der Fetisch-Ceremonien zu ergründen. Der Detailforschung, aus der sich das allgemeine Princip allein sicher abstrahiren lässt, setzen sich dadurch Schwierigkeiten entgegen, dass die Eingeborenen der In


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