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Bau der Loangoneger umzustossen und mir den Eindruck zu hinterlassen, dass ich es mit einer wolgeformten Race zu thun hatte. Bei Futila verliess ich das Meer und stieg zu dem Plateau auf, welches sich zwischen die Küste und den Unterlauf des Tschiloango- flusses schiebt. Nach Ueberwindung des steilen Abfalls, von dessen Rand ein letzter Ueberblick über die Kabindabai gestattet war, betraten wir die ausgedehnte, mit geknickten Gräsern bestandene Hochfläche; freudlos und schwermüthig, mit einem Anflug nordischer Melancholie breitete sie sich vor mir aus. Ein Witterungsumschlag hatte die ungewöhnlich lange Reihe heiterer Tage unterbrochen, und nun lagerte ein bleierner, niedriger Himmel über der abgestorbenen Savane. Diese Erscheinung ist während der Monate Juni, Juli und August nur leider zu häufig, und mit Recht nennt man den bezeichneten Jahresabschnitt die Nebel- oder kalte Zeit. Während derselben regnet es nie, und alle Feuchtigkeit ballt sich zu Nebeln zusammen, die die Sonne oft Tage lang verdecken und dem dürstenden Boden Nichts gönnen als den in kalter Nacht fallenden Thau. Die, Savane, über die mein Weg führte, trug alle Zeichen der mehrmonatlichen Trockenheit: Die Gräser standen zum Theil noch mit geknickten Halmen da, zum grösseren Theil waren sie von den Eingeborenen niedergebrannt, nur hier und da ragten noch einzelne verkohlte Büschel aus dem mit Asche bedeckten Boden auf; auch die vereinzelt auftretenden Anonaceensträucher waren von der Flamme der grossartigen Feuersbrunst beleckt worden und sahen mit ihren angesengten Zweigen und geschwärzten Blättern traurig genug aus. Allerorten erheben sich aus dem lehmigen Boden die pilzförmigen Termitenbauten; zu hunderttausenden sind sie vorhanden, und wenn man denkt, welche Arbeit durch sie repräsen- tirt wird, so kann man sich eine Vorstellung von der Energie ihrer fleissigen und gefrässigen Erbauer machen. Grau in Grau, wie das Landschaftsbild sich hier mit seinem Himmel, seinem Boden und seiner Vegetation darstellte, machten mir die roth und violett schillernden, auffallend grossen Heuschrecken besondern Eindruck; sie flatterten > in grösser Anzahl umher, und anfänglich hielt ich sie für kleine kolibriartige Vögel. Im Uebrigen liess sich nichts Lebendiges erschauen, nicht einmal Menschen, obgleich das ganze Plateau von schmalen, tennenhart getretenen Pfaden durchzogen wird. Der Charakter des Landes änderte sich mit einem Schlage, sobald wir den Rand der zum Tschiloangoflusse abfallenden, faltenreichen Thalwand erreicht hatten. Von einem Standpuncte aus, der etwa einhundert und zwanzig Meter über dem Spiegel des Flusses lag, übersah ich ein bergiges Terrain, das sich vielfach von scharf eingeschnittenen Schluchten durchsetzt zeigte, während das eigentliche Tschiloangothal als breite, in nordöstlicher Richtung sich verlierende Mulde erschien. Die dunkelgrünen Massen, welche den an einzelnen Stellen sichtbaren Wasserlauf einfassten, deuteten an, dass sich längs seiner Ufer üppige Galleriewaldungen hinzogen, eine Ver- muthung, die sich später in reichstem Masse bestätigte. In nächster Nähe überblickte ich zum ersten Male einen grösseren zusammenhängenden Wald, einen Urwald im vollen Sinne des Wortes, .wie er den feuchten Thalschluchten des Küstengebietes eigenthümlich ist, und wie das Land vor mir ihn in hundertfacher Wiederholung zeigte. Durch einen dieser Wälder führte der Abstieg von dem kahlen Plateau in das reichgesegnete Tschiloangothal. Eine künstliche Rodung unterbrach das Dickicht da, wo sich die Schlucht gegen die Thalsohle öffnete; ein kleines Negerdorf war hier erbaut, und wenige hundert Schritte weiter, zwischen Dorf und Uferrand sah ich das Wohnhaus der zum Besitz des holländischen Hauses gehörigen Handelsfactorei Tschimfime. Ringsherum ist der Boden gesäubert, so dass eine ungehinderte Verbindung mit dem Flusse stattfindet; auf dem gegenüberliegenden rechten Ufer tritt der ursprüngliche Wald bis hart an das Wasser, das ich zu meinem Erstaunen nur vierzig Schritt breit fand. Die Windungen des Thals gestatteten weder stromauf noch stromab einen weiten Ausblick, und diese Abgeschlossenheit legte sich wie ein Rahmen um das bewunderte Bild der africanischen Flusslandschaft. Mein Gastfreund war Portugiese, durch mehr denn dreiundzwan- zigjährigen Aufenthalt mit der Küste verwachsen, der, wenn er seine Memoiren schriebe, ganz andre Dinge enthüllen könnte, als die Sensationsromane vor Ausbruch des Secessionskrieges schilderten. Man sah es an der Zucht, die unter seinen Leuten herrschte, und an der Schnelligkeit, mit der er Befehle und Antworten ertheilte, dass er, um mit Lessing zu reden, den „Rummel“ kannte. Während des Abends, den ich mit ihm verbrachte, kamen wir in das lebhafteste Gespräch; denn zum ersten Mal versuchte ich eine portugiesische Unterhaltung zu führen, und wenn dies auch nur unter Heranziehung meiner gesammten italienischen Sprachkenntniss geschehen konnte, so hatte ich doch zuweilen die Freude, verstanden zu werden und zu verstehn. Es fielen also die ersten Fesseln der Unselbständigkeit, indem ich nunmehr ohne Zwischenpersonen mit Portugiesen wie mit portugiesisch redenden Eingeborenen zu verkehren im Stande war. Der folgende Morgen brachte ein eigenartiges Schauspiel. Aus dem Dickicht ertönte das Gemurmel von Menschen, unterbrochen


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