48 Zwei Kabinda-Häuptlinge. der politischen Anarchie, trotz der auf kleine Dorfterritorien beschränkten Macht det feudalen Herrscher hat sich das Land seine völlige Unabhängigkeit von Europa erhalten und erscheint nach aussen hin insofern als ein geschlossenes Ganze, als eine grosse Anzahl durch Ueberlieferung geweihter Gesetze und ein gemeinsamer Glaube für alle Bewohner gilt und ihre winzigen Gebiete miteinander verkittet. Relativ durfte die Macht der beiden Herrscher von Kabinda gross genannt werden sowol die des liberalen und wolwollenden Emanuel Puna wie die des durch Uebermuth und Bösartigkeit verrufenen Chiko Franque (f 1875), aber der Besitz ihrer Territorien hätte der Colonialgewalt Portugals wenig genutzt. Die Kabindabevölkerung hat durch ihre Wanderlust auch viel dazu beigetragen, dass die politische Bedeutung des Landes überschätzt wurde. Kabindas, wie sie südlich des Congo kurzweg genannt werden, sind längs der ganzen Küste bis nach Benguella und Mossamedes zu finden und vermiethen sich als Matrosen, Schiffer, Zimmerleute, Köche und Schneider. Ohne Frage sind sie intelligent, auch fleissig, wenn es nicht an der nöthigen Aufsicht mangelt; von ihrer Geschicklichkeit erhielt ich sogleich dadurch einen Beweis, dass mir einer der Eingeborenen in wenigen Tagen einen kleinen Reisetisch zurechtzimmerte, und ein anderer ein Beinkleid nach gegebenem Modell Zuschnitt und nähte. Von Kabinda habe ich leider nur allgemeine Eindrücke mit fortnehmen können. Die Folgen eines ärgerlichen Zufalls hinderten mich am Gehen, und als ich hergestellt war, langte ein Brief Dr. Bastians aus dem nördlich gelegenen Landana an und legte mir ein möglichst baldiges Zusammentreffen nahe. Immerhin darf ich sagen, dass kein anderer Theil der Loangoküste so lieblich und pittoresk ist wie gerade die Bai von Kabinda. Die Küste baut sich, das Meer halbkreisförmig umgebend, amphitheatralisch zu grün bewachsenen Hängen auf. Der Pflanzenwuchs ist hier reicher und erscheint trotz der kalten Jahreszeit üppig. Zahlreiche Culturen und Ansiedlungen der Eingeborenen, mehrere helleuchtende Factoreien sind eingestreut, in Hunderten von prachtvollen Exemplaren ragen die blätterlosen, riesigen Adansonien auf und geben mehr als irgend ein anderes Moment der Landschaft den Stempel des Fremdartigen. Nur wenn die Sonne unverhüllt scheint, der Himmel blau, die See ruhig ist, und das Auge mit einem Blick das weite Meer und die bergige Küste umfasst, können sich Vergleiche mit Küstenbildern des Mittelmeeres aufdrängen. Der Weg von Kabinda nach Futila, den ich nun einschlug, umkreist die ganze Bucht, die bei guter See stets sehr belebt erscheint. Der Strand ist breit, so fest und eben, dass er zu Wettfahrten beDie Bai von Kabinda. 49 nutzt werden könnte; an ihn legen sich wie ein Kranz die reichmo- dellirten Steilabfälle der Hügel und Plateaus. Auf diesem flachen Vorland zwischen Berg und Meer herrscht reger Verkehr und thä- tiges Leben; einmal dient der Strand an sich als allgemeine Heerstrasse, und man begegnet hier häufiger als irgendwo anders im Lande kleinen Karawanen von Eingeborenen, die meist in munterem Schritt ihrem Bestimmungsort zusteuern; dann aber treibt auch der Fischfang die Bevölkerung ganzer Dörfer an das Meer. Man sieht sie schon aus der Ferne in dichten Knäueln wie Ameisen hin und her eilen und kann in der Nähe den Eifer beobachten, mit welchem Jung Fischfang mit primitivem Blätternetz am Flussufer. und Alt an der Arbeit Theil nimmt: hier werden die auf dem Sande liegenden Canoe’s in die Brandung geschoben, ohne Rücksicht auf die über den Köpfen zusammenschlagenden Wogen; dort sind andre Ca- noes mit reichem Fang von ihrer Fahrt zurückgekehrt, und während die rudernden Männer noch den günstigsten Moment für die Landung erspähen, stürzt sich ihnen die jubelnde, schreiende Menge von der ändern Seite entgegen, um das enorme, aus Pflanzenbast gearbeitete Netz aus dem Meere auf’s Trockene zu ziehn. Nicht nur die Knaben, sondern auch die Männer sind oft völlig nackt, was in jedem ändern Falle als die gröbste Indecenz betrachtet werden würde und nur den Fischern bei der Ausübung ihres Berufs gestattet ist. Die Gelegenheit, so viele Menschen der verschiedensten Altersstufen unverhüllt beisammen zu sehn, bot das beste Mittel, etwaige Vorurtheile über den affenartigen Loango. I. 4
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