Vista. Einrichtung der Factoreien. angekündigt, und noch ehe ich die Tipoja verlassen konnte, trat mir der Agent, ein Portugiese entgegen, und hiess den unbekannten Gast freundlich willkommen. Die Gastfreundschaft wird an der ganzen Küste unbefangen ausgeübt und angenommen und sie ist der wob thuendste Zug in den gegenseitigen Beziehungen der dort angesessenen Weissen; aber die Art, wie die Portugiesen ihre Gäste aufnehmen, hat durch die natürliche Zuvorkommenheit, die den Südromanen eigen ist, etwas besonders Angenehmes. Meine Leute wurden hier sämmtlich entlassen; denn es ist im Allgemeinen nicht Sitte und jederzeit schwer zu erreichen, dass man Hängemattenträger für mehr als eine Tagestour miethet. Der Eingeborene, der zwölf Stunden von seiner Heimat entfernt ist, fühlt sich daselbst schon fast wie in einem fremden Land. Bei der Auszahlung konnte ich zuerst die Wahrnehmung machen, wie theuer diese Art des Reisens ist. Ein jeder der sechs Tipojaträger erhielt zwölf englische Yards Zeug (fast zwölf Meter) im Werthe von sechs Mark; die Gepäckträger erhielten etwas weniger, so dass der Gesammt- betrag für den sechsstündigen Marsch etwa sechzig Mark erreichte, wozu dann noch mehrere Flaschen Rum und Lebensmittel kamen. Vista war die erste Handelsfactorei, die ich sah, denn in Banana wird nicht eingekauft. Diese Handelsplätze sind alle in ähnlicher Weise eingerichtet, nur mehr oder minder comfortabel. Ursprünglich waren die Wohnstätten sämmtlich nach Art der Negerhütten, jedoch in grösseren Verhältnissen aufgeführt: Dach aus Palmenfiedern, Wände aus den Schäften des Papyrus, Holzthüren und ebenso construirte Fensteröffnungen. Der Boden war ungedielt und bestand aus festgeschlagenem, lehmigen Thon. Der Papyrus wurde dann durch Bretter verdrängt, die zum Theil in Africa selbst, hauptsächlich in Kabinda hergestellt werden konnten, zum Theil aus Europa kamen. Später ersetzte man auch das Dach durch Bretter, die mit Filz bedeckt wurden. Das waren grosse Verbesserungen, weil die neuen Constructionen sich viel wirksamer gegen das Ungeziefer der Spinnen,. Wespen, Mosquitos und Schwaben schützen Hessen als die alten. Der wichtigste Schritt aber war, dass man die Häuser auf Pfeiler stellte und dadurch trockne und gesundere Räume erhielt; man konnte nun auch den Ratten beikommen, gegen die man bis dahin völlig wehrlos war, denn das naheliegende Mittel, die gefrässigen und widerwärtigen Thiere durch Gift zu tödten, verbot sich von selbst, weil die Ratten alsdann in den unter dem Hause gegrabenen Schlupfwinkeln verwesten, dasselbe verpesteten und mit verderblichen Miasmen erfüllten. Getrennt vom Wohnhaus befinden sich sowol die Küche wie die Der „Fetisch“ . Der „Lingster“ . 45 Magazine für die eingehandelten Producte und für die europäischen Tauschartikel. Der für letztere bestimmte Raum wird allgemein der .Fetisch“ genannt. Um die naive Komik dieses Namens zu begreifen, muss man längere Zeit unter den Loangonegern gelebt haben. Derselbe ist offenbar in der lobenswerthen Absicht erfunden worden, etwaige Diebesgelüste, die den Eingeborenen zum Einbruch in den Waarenraum treiben könnten, in religiösen Schauder zu verwandeln. Nun unterliegt es keinem Zweifel, dass die Bewohner der Loango- küste dem Fetischglauben in der crassesten Weise ergeben sind, und in knechtischer Furcht vor der Macht der Fetische des eignen Landes leben; sie werden aber einem Weissen nie und nimmer glauben, dass die Ansammlung so wünschenswerther Dinge, wie europäische Tauschartikel es für sie sind, jemals einen mit feindseligen Kräften ausgestatteten Fetisch constituiren könnten. Es war mir nicht möglich, bereits in Vista alle die mannigfachen Functionen kennen zu lernen, die dem Lingster obliegen. Bei Ankunft einer Karawane mit Handelsproducten tritt er als Dolmetscher, und Vermittler auf; ebenso bei allen Verhandlungen streitiger Natur, die zwischen dem Agenten der Factorei und der umwohnenden schwarzen Bevölkerung nöthig werden; er hat Zutritt zu dem „Fetisch“ und ist bei den Auszahlungen der Tauschartikel zugegen; er beschafft Leute, wenn solche für den Dienst der Factorei gebraucht werden. Auf diesen Mann kommt viel an, und es ist im Hinblick auf die systematisch betriebenen Belästigungen der Eingeborenen von grossem Werthe, wenn derselbe in der Landschaft eine besonders angesehene Stellung einnimmt. Eine längere Beobachtung lehrt nämlich, dass, wenn auch der Neger dem weissen Mann lieber gehorcht als dem Stammesgenossen, sein WiUe, seine Furcht und Hoffnung nur von dem letzteren beeinflusst wird, dass der Neger nur durch den Neger überzeugt oder umgestimmt werden kann. Mein Gastfreund in Vista sorgte in bester Weise für mich und gab, was Küche und Vorräthe liefern konnten. Da die Schwarzen meist geborene Köche sind, so ist man, falls keine Hungersnoth herrscht, in der Regel nicht übel verpflegt. Auch ist man häufig in der Lage das Mal durch ein Glas rothen, portugiesischen Land wein (der in grossen Quantitäten der Küste zugeführt wird) zu würzen. Als Lager erhielt ich, wie auch später in den meisten der kleineren Factoreien, eine Bettstelle mit einer Matratze von Maisstroh; Kopfkissen und Decken führt man schon der Hängematte wegen mit sich. Wir giengen durch alle Räume, und der portugiesische Agent, dessen Einsamkeit sonst nur von einem weissen Gehülfen getheilt wird, kargte
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