aber ein treues Bild des Verkehrs an der Loangoküste erhielt ich nicht; denn die Weissen sind in zu starkem Uebergewicht, die Schwarzen in zu directer Abhängigkeit von ihnen, der europäische Einfluss zu überwiegend, mit einem Worte der nivellirende Einfluss, durch welchen alle Seeplätze der Welt eine gewisse Aehnlichkeit mit einander erhalten, hat sich auch hier bis zur Verwischung der wahren Verhältnisse geltend gemacht. Die Portugiesen, welche das eigentliche Element des Handels bilden, deren Sprache die herrschende ist, deren Zahl die der gesammten übrigen Europäer vielleicht um das Sechsfache übertrifft, treten in Banana ganz zurück; gerade sie hatten aber für mich besonderes Interesse. Zur Zeit des Sclaven- und in den Anfängen des legitimen Handels waren die Portugiesen die herrschende Nationalität an der Küste; sie sind es nicht mehr. Ein gegen ihre mercantile Unabhängigkeit gerichteter Process ist mit Erfolg gegen sie eingeleitet worden, wenn auch der neue Zustand von fraglicher Dauer ist. Die kleinen portugiesischen Händler, die früher selbständig an allen Puncten der Küste Handel trieben, wurden das Opfer ungünstiger Conjuncturen. Ein grösser Theil von ihnen war verschuldet, sie sahen sich zum Verkauf ihres Besitzthums an grössere Häuser, namentlich an die „Afrikaansche Handels-Vereeniging“ genöthigt und traten nun als Agenten in die Dienste des neuen Gläubigers. Sie tragen ihr jetziges Loos nur mit scheinbarer Gleichgültigkeit; sie wissen, dass sie von den Holländern für falsch und unzuverlässig, für eine Art niederer Kaste gehalten werden und geben diesen alle erlittene Zurücksetzung und Verachtung mit lebhaft empfundenem Hass zurück. Es steht ausser Frage, dass sich die Portugiesen ihrer ganzen Anlage nach den Verhältnissen des äquatorialen Westafrica am natürlichsten anzupassen verstehen. Ihrem südeuropäischen Ursprünge verdanken sie in erster Linie die grössere Acclimatisationsfähigkeit; auch sie sind begreiflicherweise von Fiebern und anderen Krankheiten heimgesucht, aber die Erfahrung beweist, dass sie zehn und zwanzig Jahre an der Küste leben können, ohne ihre Arbeitsfähigkeit und Lebenslust einzu- büssen. Angeborene Mässigkeit und eine zweckmässige, nach heimatlichen Traditionen geführte Küche unterstützen sie dabei. Einen nicht minder schätzenswerthen Vortheil besitzen die Portugiesen in der Leichtigkeit des Verkehrs mit den Eingeborenen. Selber sehr aufgelegt zum Schwatzen, ermüdet ihre Geduld nicht so leicht bei den oft stundenlangen Conversationen und Unterhandlungen, ohne welche die Neger kein Geschäft abschliessen. Der ganzen Denkweise der Eingeborenen stehen sie durchaus nicht so fremd gegenüber, wie der Nordeuropäer und sie treffen dadurch bei vorkommenden Conipli- cationen häufig das Richtige, ohne viel zu überlegen. Der Gedanken-, austausch zwischen den Loangonegern und den Portugiesen wird durch sprachliche Missverständnisse kaum je getrübt; denn beide sprechen das Negerportugiesisch und tragen die Schuld an der Verstümmelung der gepriesenen „Lingua portuguez“ zu gleichen Theilen. Zu all diesen natürlichen Dispositionen gesellt sich nun der langjährige Aufenthalt, durch welchen nicht allein das Verständniss für die Natur des Negers im Allgemeinen geschärft, sondern auch eine intime Kenntniss der Gesetze und Sitten der fremden Bevölkerung erlangt wird. Man begreift, dass solche Leute in einem Lande, über welches eine Litteratur nicht existirt, für den Reisenden von grösser Bedeutung werden können, zumal wenn letzterer die erhaltenen Angaben mit der nöthigen Kritik benutzt und den nicht ausbleibenden Widersprüchen auf den Grund geht. Von Mitgliedern anderer Nationalitäten hat der Forscher nur ausnahmsweise andere Belehrung zu erwarten als solche, die er sich in kurzer Zeit durch eigne Erfahrung verschaffen kann. Land und Leute sind ihnen gleichgültig; sie wollen Geld verdienen, um später in der Heimat leben zu können, ein Zweck, der, nebenbei gesagt, unerwartet selten erreicht wird. Es musste mir also vor Allem darauf ankommen, Banana zu verlassen und an passenderer Stelle einen Hebel für meine Arbeit anzusetzen. In Banana befand ich mich am südlichen Endpuncte der uns gegebenen Operationsbasis. In dem dehnbaren Begriff der Loangoküste war nur das Eine fest, dass sie bis an das rechte Congoufer reichte, über ihre nördliche Grenze aber herrschte Unklarheit. Denn im Norden, d. h. in dem Gebiet des dritten Grades südlicher Breite gab es keinen Fluss, der in so eminentem Sinne eine geographische Grenze herstellte wie der Unterlauf des Congo. Hier ist also eine gewisse Willkür freigegeben, und es lassen sich eben sowol Gründe- dafür beibringen, dass die Loangoküste mit dem vierten, als dafür, dass sie erst mit dem dritten Grade südlicher Breite abschneidet. Bis zur letztem Grenze habe ich meine Reisen ausgedehnt, .bis dahin rechne ich auch die Loangoküste, weil es mir nicht angebracht erscheint, den geographischen Begriff eines -wenig bekannten Landes durch zu subtile Unterscheidungen mehr einzuschränken als irgend nöthig ist. Am dreissigsten Juli brach ich von Banana auf, in der Absicht das Küstenland kennen zu lernen. Mein nächstes Ziel war Kabinda. Noch vor meiner Abreise erhielt ich directe Nachrichten von Dr. Bastian, der eine glückliche Fahrt gehabt und die Küste bereits vor
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