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irdenem Geschirr und sonstigem Geräthe im Hause des Verstorbenen ausgestellt werden; ist die vorgeschriebene Zeit der Trauer abgelaufen, so gehen alle diese Schätze dadurch in den Besitz des Todten über, dass man sie zerschlägt oder zerreisst und auf einen Haufen wirft. Bei Sonnenschein und theilweise bedecktem Himmel setzte der „Benin“ am Vormittag des achtzehnten Juli die Reise nach Fernando Po fort. Um zwei Uhr schlugen wir bei ziemlich bewegter See zweimal auf felsigen Boden auf und befanden uns in äusserst misslicher Lage. Das Schiff konnte jeden Augenblick ein Leck erhalten, wenn der "Wogenschwall heftiger wurde; dagegen nützte dann all das Son- diren nicht mehr, das nun plötzlich mit Hast und Aengstlichkeit betrieben wurde. Erst um drei Uhr hatten wir tieferes Wasser. Im Osten erschien die Spitze des massigen hohen Camerun-Vulcanes und am Abend ankerten wir in dem stillen, von Felswänden umschlossenen Hafen von Fernando Po. .Von der Schönheit dieser Insel lässt sich kaum eine übertriebene Schilderung machen, so sehr sind alle Reize der Tropen über sie ausgegossen; der über dreitausend Meter hohe Clarence Pic, die an ihm aufsteigenden Urwälder, die blaue See, lachende Gärten, ein murmelnder Bach, graciöse Palmen, bunt gefiederte Vögel — Nichts fehlt. Eine Corvette mit spanischer Flagge und ein Stationsschiff deuten an, dass die Insel spanisch ist; sonst würde man es kaum merken. Denn Weisse wie Schwarze sprechen weit häufiger englisch als spanisch. Der geringe Handel, der überhaupt vorhanden ist, befindet sich ganz in englischen Händen. Welche Reichthümer könnten von hier ausgeführt werden, wenn es Arbeitskräfte gäbe, sie zu heben! So aber liegen Kaffee- und Cacao-Plan- tagen halb verfallen oder unvollendet da. Das wenige Palmöl, das die Eingeborenen, die Bubis, gewinnen, ist kaum der Rede werth. Ihr Handel ist eben so unbedeutend wie ihr Ackerbau. Sie leben als wahre Wilde im Innern der Insel; denn die in S. Isabella wohnenden Schwarzen sind sämmtlich von der gegenüberliegenden afri- canischen Küste oder von Sierra Leone eingewandert. Man nennt die letzteren, zum Unterschied von den Bubis, Fernandianos. Es ist nicht schwer, Bubis zu Gesicht zu bekommen, da der Einkauf namentlich von Pulver und Salz sie zuweilen in die Hafenstadt treibt. Sie sind der wahre Typus des in den "Wäldern verwahrlosten Buschmenschen. Ein winziger Schurz verhüllt die Blössen nur auf das Allernothdürf- tigste. Sie tragen ein am linken Oberarm befestigtes Messer, diejenigen , welche* ich sah, waren ausserdem noch mit einem Basthute geschmückt und zeigten im Gesicht die eingeschnittenen Streifen der „Scratched-faces.“ Den Werthbetrag- für das zur Stadt gebrachte Palmöl lassen sich die Bubis zum Th eil in Tabak, Rum und Zeug, zum ändern Theil in barem Gelde zahlen und kaufen damit selbst ein. Sie sollen weder Ziegen noch Schafe haben und enorme Preise dafür bezahlen, weil sie sich der Felle dieser Thiere bei gewissen Festen als Schmuck bedienen. Auf einem Spaziergange sah ich einen Albinoknaben, der doppelt abstossend erschien, weil er völlig unbekleidet war und unter ganz hübschen s.chwarzen Wäscherinnen, die anmuthig am Bache beschäftigt waren, umherspielte. Der gelblich-weisse schmutzige Teint, das fast ebenso erscheinende Wollhaar, die gekniffenen, krankhaften Augen Hessen dieses von schwarzen Eltern abstammende Wesen wie einen Aussätzigen erscheinen. Den Clarence Pic sieht man selten unverschleiert, doch gelang es mir von der See aus, die Pyramide der Spitze zu erkennen. Mit dem Verlassen Fernando Pos traten wir, obwol der Aequator noch nicht überschritten war, in ein anderes Wetterregime ein; die Luft wurde kühler und frischer, und man athmete wieder frei. Die französische Colonie Gabun wurde am zwanzigsten Juli erreicht, und wir genossen daselbst die Gastfreundschaft des deutschen Hauses Wörmann. Nachts zeigte das Meer nicht selten starke Phos- phorescenz; doch habe ich diese Erscheinung in den dortigen Gewässern nie so glänzend wahrgenommen wie im Mittelmeer. Nach gutem, alten Brauch feierte man an Bord das Passiren der Linie, wenige Stunden nachdem der „Benin“ Gabun verlassen hatte. Die groteske Komik, die dabei zum Vorschein kam, hatte nichts Geschmackloses, sondern etwas sehr Amüsantes. Uns wurde nach Beendigung des Umzugs, den die vermummten Deckofficiere und weissen Matrosen anstellten, das „Secret of the Line,“ j§| Geheimniss der Linie — gegen einige Flaschen Whiskey (Branntwein) erlassen, aber die armen Crooboys lernten dieses Geheimniss in ganz anderer Form kennen. Sie wurden vor den auf seinem Rollwagen thronenden Neptun geführt, mussten irgend ein Gemisch von Rum und Seewasser trinken und dann zum „Barber“, dem Barbier des Neptun, hinaufsteigen, der sie mit einer schwarzen Schmiere einrieb, mit einem Monstre-Rasirmesser bearbeitete und dann rücklings von der höchsten Treppenstufe in ein mit Wasser gefülltes, zur Badewanne umgestaltetes Segel warf. Mit jeder folgenden Execution schien der Jubel zu wachsen und war am lebhaftesten bei den Crooboys selbst, die das „Secret of the Line“ bereits auf früheren Fahrten kennen gelernt hatten.


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