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constatirte Thatsache, an der Loangoküste aber hat er jedenfalls bis jetzt nöch keinen Boden gefunden*: Dagegen sind heftige Katarrhe der zweiten Wege ziemlich häufig und• dürfen niemals leicht aufgefasst werden, da sie chronisch geworden schwer zu beseitigen siiid und ebenfalls das Leben zu vernichten vermögen. Die Organe, die neben dem Verdauungstractus vielfach erkranken, sind die Leber und Milz. Letztere namentlich erreicht in Folge häufiger Fieber- anfälle, während welcher sie regelmässig beträchtlich anschwillt, eine’ ganz enorme Grösse. Ich habe sie in einzelnen Fällen bei alten Ansiedlern, die sich .seit 25 und 30 Jahren in Flussniederungen aufhielten, um das vier- und fünffache ihres natürlichen Volumens vergrössert gefunden, ohne dass die Betreffenden über besonders auffällige Symptome zu klagen gehabt hätten. Die Leber ist wol in Folge der Arbeitsmehrleistung häufigeren Blutüberfüllungen ausgesetzt, die dann leicht zu wirklichen Entzündungen führen können. Wir sehen, das Krankheitsbild für die Aequatorialzone lässt sich in wenigen und einfachen Zügen zeichnen. Auf der einen Seite fehlen ihr viele Krankheiten oder treten ungefährlich auf, welche in unsern Breiten eine grosse Zahl von Opfern alljährlich fordern, so namentlich die Lungenaffectionen. Tuberculose ist so gut wie unbekannt, Husten überhaupt ein kaum gehörtes Symptom. Dagegen sind Unterleibsleiden wieder häufiger und hartnäckiger. Die bei uns in jüngeren Jahren gefürchteten epidemischen Kinderkrankheiten, später die typhösen Formen werden dort ersetzt durch die Sumpffieber, und die bei uns meist geringfügigen Hautaffectionen treten dort bei Weitem in den Vordergrund. Wägen wir alle Verhältnisse mit einander ab, so werden sich beide Thelle ziemlich das Gleichgewicht halten, wenigstens wird sicher die Lebensgefahr in den Tropen für kräftige Menschen nicht in der Weise zunehmen, als bisher gewöhnlich gefürchtet wird. Natürlich aber kann hierbei nur von gesunden und kräftigen Constitutionen die Rede sein. Bereits kranke iind überhaupt schwächliche Menschen können den Anforderungen, welche die Acclimatisationsvorgänge dem Körper stellen, nicht mehr entsprechen. Ebensowenig kann das zartere Alter vor der eintretenden Reife, bevor die bei jeder Entwickelung stattfindenden Revolutionen überstanden sind und noch weniger das vorgerückte Alter mit seinen fertigen nicht mehr umwandlungsfähigen Organen für die Uebersiedlung in ein neues Medium passend erachtet werden. Die natürlichen und günstigsten Grenzen für den unschädlichen Tausch der Lebensverhältnisse liegen wol zwischen dem zwanzigsten und vierzigsten Jahre; je weiter in der Reihe auf und abwärts, um so mehr nehmen die damit verbundenen Gefahren ziemlich gleichmässig zu. Eine sehr wichtige und oft gestellte Frage ist die, ob es nach mehrjährigem Aufenthalte im heissen Klima gerathen sei, sich auf einige Zeit in gemässigtere Breiten zurückzubegeben, um neue Kräfte zu sammeln, und wann sich bei eingetretener Krankheit die Nothwendigkeit herausstelle, für immer in die Heimat zurückzukehren, Die Frage ist schwer zu beantworten. An der Küste selbst ist der Glaube verbreitet, dass die zeitweilige. Rückkehr gefährlich sei, man meint die Erfahrung gemacht zu haben, dass alle, die, welche nacji einer zweimaligen Heimreise die Küste von Neuem betreten,, gewöhnlich schnell zu Grunde gehen. Diese: auf einer leicht “aufzustellenden Statistik basirende Beobachtung- ist, zweifellos richtig, würde jedoch kaum ein richtiges Urtheil für die Beantwortung dey Frage finden lassen. Das heisse Klima verbunden mit der durch .dasselbe bis zu einem gewissen Grade gebotenen körperlichen und geistigen Arbeitslosigkeit und seinen Genüssen wirkt unbedingt erschlaffend auf den Organismus, sodass ein Wiedererwecken seiner Energie durch eine in - gewissen Pausen erfolgende Rückkehr in'kältere Gegenden theoretisch nur heilsam genannt-werden könnte, gerade so wie wir von dem angreifenden Leben in den Städten in die erfrischende Luft der Wälder, eilend sehr bald einen wolthätigen Einfluss davon* erkennen. Leider wird aber in beiden Fällen der Erfolg oft durch die mit der beabsichtigten Cur verbundene Lebensweise vollständig aufgehoben. Der Europäer, welcher sich während seines Aufenthaltes im fernen Lande-meist mühelos eine vorher nicht gekannte Geldsumme erworben hat, will nun in der Heimat als gemachter Mann auftreten. und sein Leben geniessen. Anstatt zu arbeiten und Kräfte zu sammeln, vergeudet er sie, iqdem er von Zerstreuung zu Zerstreuung eilt und seine Tage in Nichtsthun hinbringt, bis das Geld* verthan- ist und Langeweile ihn ebensosehr wie Mangel treibt, den für ihn goldenen Boden von Neuem •aufzusuchen. Hat er dann zweimal denselben Cyklus durchlaufen-und in zwei Erdtheilen unter verschiedener Sonne seine Constitution untergraben, so ist es allerdings nicht wunderbar,- wenn der Organismus schliesslich den Dienst versagt. Würde aber statt dessen die Heimat für mindestens ein halbes Jahr, denn von geringerer Zeit kann kein Einfluss erwartet werden, wirklich zur Erholung und Kräftigung aufgesucht, so kann dies gewiss nicht nachtheilig, sondern nur .vortheilhaft wirken. Auch bei Krankheiten, namentlich bei häufigen Fieberanfällen würde ein klimatischer Wechsel gerathen sein. Hier genügt es häufig, von einem ankommenden Dampfer sich mit nach dem Süden nehmen zu lassen, um in Mossamedes, dem Eldorado Africas, das für ausserordentlich gesund gilt, die nächste Post abzuwarten, oder aber mit derselben schon wieder .zurückzukommen. Dabei vergehen immer mindestens vierzehn Tage und eine zwei- wÖchentliche Seereise bewirkt in solchen Fällen Wunder; Ist aber einmal der Zustand allgemeiner; tiefgreifender Ernährungsstörung eingetreteny den wir mit dem Namen Kachexie bezeichnet haben, so ist die Rückkehr nach Europa, so schnell es durchzuführen ist, anzutreten und -jeder Gedanke daran, die Küste wieder aufzusuchen, von der Hand zu weisen. Ist in diesen Fällen Eile geboten und für die zukünftige Gesundheit erspriesslich, so ist dagegen, wenn der Organismus durch dysenterische Erscheinungen geschwächt ist, Eile gefährlich. Ich habe zwei Patienten, welche durch chronische Katarrhe der zweiten Wege sehr heruntergekommen waren und inständig baten, die Rückreise antreten zu dürfen, in Hinsicht auf das plötzlich ungemein heftig auftretende Heimweh an Bord zu gehen gestattet. Beide haben Europa nicht erreicht, ebensowenig ein dritter von der Goldküste bei unserer Rückkehr an


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