Page 231

27f 32-1

herrschenden Infectionskrankheiten als Masern, Scharlach, Diphtheritis, Pocken wurden nur die letzteren unter der Negerbevölkerung gefunden. Ebenso sind Entzündungen der Brustorgane in verschwindend kleiner Zahl zu constatiren und heilen bei vollkräftigen jungen Individuen leicht, während sie bei heruntergekommenen alten Küstenleuten auch in anfänglich leichten Fällen wegen des oft plötzlich eintretenden Kräfteverfalls sehr gefährlich werden können. Wir sehen also, dass wir bezüglich einer ganzen Reihe von Krankheiten, die uns in der Heimat bedrohen, ohne dass wir uns der vorhandenen Gefahr bewusst werden, in jenen Gegenden besser bestellt sind, und kommen nun zu denen, die wir als ihnen eigentümliche dort wiederum mehr zu fürchten haben. Sie zerfallen in drei grosse Gruppen: erstens die sogenannten africanischen Fieber, zweitens Hautkrankheiten, drittens Affectionen der Unterleibsorgane. Was die ersteren betrifft, so sind sie mit unseren Wechsel- oder kalten Fiebern identisch und entspringen aus denselben Ursachen, deren Entstehung wir mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vermuthen, deren Natur wir aber trotz aller Bemühungen leider noch nicht kennen. Sumpfige Gegenden sind die Geburtsorte des specifischen Giftes, das wahrscheinlich je nach der Menge der Aufnahme in den Körper verschiedene Reaetionen desselben bedingt, vielleicht aber auch in mehrfacher Form sich erzeugt und dadurch die besonderen Krankheitsformen hervorruft. Die meisten Stimmen haben sich von jeher für die Annahme eines organischen vegetabilischen Miasmas ausgesprochen, wenn es auch bisher nicht gelungen ist, dasselbe mikroskopisch* aufzufinden. Da die Fieber verschiedener Gegenden und selbst die Fieber derselben Gegend zu verschiedenen Zeiten oft sehr bedeutende Abweichungen im Gesammtcharakter der Erkrankung und in den einzelnen Symptomen zeigen, so könnte dies für die Annahme einer mehrfachen Form dieser kleinsten vegetabilischen Wesen sprechen. Die Häufigkeit des Vorkommens der Fieber variirt einmal nach der Jahreszeit und dann natürlich nach der Gegend. Während die Erkrankungen in der trockenen Zeit seltener und gutartig auftreten, werden sie in der Regenzeit häufiger und nehmen in besonders nassen Jahren einen um so bösartigeren Charakter an, je mehr die Durchfeuchtung des Bodens zunimmt. Entfernter von Flussmündungen oder brakigen Lagunen (der Aufenthalt an letzteren muss stets als der gefährlichere gelten) nimmt auch die Fiebergefahr ab, um im Gebirge und dem Hochplateau des Inneren wahrscheinlich ganz aufzuhören. Da nun das Gebirge an der Loango-Küste sehr nah an das Meer heranreicht und zwar um so mehr, je weiter man sich der Nordgrenze nähert, so würde man nur einen schmalen Strich zu überwinden haben, um auf recht gesundes Terrain zu gelangen. Die Auswahl des Platzes, den man sich zum Standquartier wählt, ist natürlich von grösster Wichtigkeit, da sich einmal durch die von Malariaherden kommenden Winde die Fieberursachen weit über den ursprünglichen Ort ihrer Entstehung verbreiten und die Winde wieder namentlich von der See her zum Zweck der Desinficirung möglichst freien Zutritt zu den Wohnräumen haben müssen. Je geschützter ein Haus an einem windstillen, zugleich sumpfigen Orte gelegen ist, um so mehr werden seine Insassen von Fiebern heimgesucht werden. Was die individuellen Bedingungen betrifft, welche die Entstehung der Anfalle begünstigen, so lässt sich darüber etwa Folgendes mit ziemlicher Sicherheit angeben. Absolut frei davon bleibt Niemand. Wir sehen Neger sogut wie alte Ansiedler und frische Ankömmlinge von der Krankheit befallen werden, und wenn irgend etwas so spricht dies für die vegetabilische Form des Giftes. An gasige oder anorganische Schädlichkeiten vermag sich der Körper, wenn ihm dieselben in minimalen Dosen dauernd zugeführt werden, zu gewöhnen, an jene jedoch nicht, und um so weniger, wenn sie sich in ihm neu ,erzeugen und vermehren. Hieraus erhellt, dass auch das Kindesalter nicht von den Anfällen verschont werden kann, und dass, wenn die kräftigeren Jahre des Mannes und Jünglings scheinbar mehr zu leiden haben als vorgerückteres Lebensalter, dies nur dadurch zu erklären ist, dass jene sich den Schädlichkeiten eben öfter und reichlicher aussetzen. Abgesehen davon ist unzweifelhaft das kräftige Alter und die kräftige Constitution vor der gegentheiligen in Bezug auf die Ueberwindung der eingeführten Schädlichkeit im Vortheil, ja wir können sagen, dass eine schwächliche Constitution überhaupt zur leichteren Erkrankung disponirt ist. Diese Disposition wird natürlich durch jede bleibende oder vorübergehende Herabsetzung der Körperkraft vermehrt. Hunger und Durst, Schlaflosigkeit, Strapazen, namentlich Ermattung durch profuse Schweisse sind ebensosehr als Gelegenheitsursachen der Fieber aufzufassen, als alle Störungen der Hautsecretion und Verdauung, also Verkühlungen, Indigestionen, und zwar um so mehr, je Öfteren Anfallen der Betreffende bereits ausgesetzt gewesen ist. Es ist eine bekannte Thatsache, dass gerade die Malariakrankheit eine constitutioneile Störung hinterlässt, welche durch den geringsten Anstoss zu Rückfällen gesteigert wird. Die Dauer von der Einwirkung der Ursache bis zum ersten fühlbaren Erkranken wird verschieden angegeben und soll bei einigen controlirten Beispielen zwischen 6 und 13 Tagen geschwankt haben. Das mag für das erstmalige Auftreten nach der Landung, wenn der Stoff allmählich in geringer Dosis aufgenommen wird, zutreffen; Herr Lindner erkrankte z. B. am 9., ich selbst am I7* Tage nach unserer Ankunft. Doch ist hierbei gewiss nicht auszuschliessen, dass wir uns beide unmittelbar vor dem Anfalle einer concentrirten Schädlichkeit ausgesetzt hatten, und in späterer Zeit konnten wir oft genug beobachten, wie Ermattung, Schwindel, Kopfschmerz, Uebelkeit, Schauder oder ein ausgebildeter Anfall wenige Stunden nach einer ermüdenden Jagd oder einer Conoefahrt auf der Lagune oder einem anstrengenden Marsche folgten. Die Fieber selbst nun bieten ein ganz ausserordentlich wechselndes Bild. Sie haben entweder einen ausgesprochenen Typus, indem regelmässige fieberfreie Intervallen auf die Anfälle folgen; oder sie verstecken sich hinter irgend einem anderen in regelmässigen Zwischenräumen wiederkehrenden Leiden und verrathen sich manchmal überhaupt nur durch ein unbestimmtes Krankheitsge


27f 32-1
To see the actual publication please follow the link above