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die Richtung nicht verlor. Eine gewisse Scheu hielt mich ab, schon jetzt Signalschüsse zu geben, die gewiss von jeiiem Punct aus gehört worden wären. Ich hoffte noch immer selbständig das Lager zu erreichen. Hätte ich damals schon gewusst, dass es eine Woche später einem unserer besten Jäger, Kunga, ergehen würde wie mir, und dass er trotz seiner und unserer fortgesetzten Bemühungen sich erst nach zwei Tagen wieder zum Lager finden würde, so hätte ich diese Scheu wahrscheinlich überwunden. So kehrte ich denn von Neuem in mein Labyrinth zurück. Indem ich nun diese gewissermassen geebneten Pfade verliess, begann ich nach einiger Zeit Zeichen in die Bäume zu schneiden, um für den Fall, dass es mir nicht gelang zurückzukehren, den Suchenden Fingerzeige zu geben. In gewissen Intervallen notirte ich die Zeit an den von der Rinde entblössten Stellen durch Einkratzen und gab Doppelschüsse ab, die aber unerwidert verhallten. Die Uhr zeigte auf drei, als ich wieder einen Baum traf, auf welchem ich vor zwei Stunden die Zeit vermerkt hatte. Ich hielt es nunmehr für das Gerathenste, meine offenbar vergeblichen Bemühungen aufzugeben und mich darauf vorzubereiten, die Nacht an einem günstigen Platze zuzubringen. Feuerzeug hatte ich glücklicherweise bei mir, eben so einige Patronen. Ich spürte zwar augenblicklich keinen Hunger, obgleich ich am Morgen Nichts genossen und auch an dem vorhergehenden Tage wegen des Fiebers fast ganz gefastet hatte; dafür quälte mich aber ein fürchterlicher Durst. Ich versuchte zum Fluss zurückzukehren, aber ich kam nur immer tiefer in’s Dickicht. In äusserster Ermattung legte ich mich mehrfach nieder, immer aber trieb der Durst mich wieder auf und liess mich nach der Lichtung spähen, die der Wasserlauf durch Unterbrechen des Baumwuchses verursachen musste. Da ich in der durch die bedeutende Hitze vermehrten Aufregung bald hier bald dort durchzukommen suchte, aber mich immer mehr in die ineinander gewirrten Ranken und das dichte Unterholz verwickelte, kam ich mir vor wie ein im Spinngewebe gefangenes Insect, das, je mehr es frei zu kommen sich abmüht, um so sicherer sich jede Möglichkeit dazu benimmt. Die Situation war kritisch genug, denn nur wer den Durst kennt, weiss, dass die scheinbar übertriebensten Schilderungen oft noch hinter der Wirklichkeit Zurückbleiben. Vor längerer Zeit schon hatte ich versucht, aus dem Schlamm einer tief eingedrückten Flusspferdspur wenigstens einige Tropfen auszupressen, um die Lippen anfeuchten zu können; jetzt versuchte ich, mit dem Messer ein Loch in den feuchten Boden zu graben, in das aus den Seiten wänden vielleicht etwas Flüssigkeit sickern würde; er war aber so von kleinsten Wurzeln durchsetzt, dass das Messer nicht durchdringen konnte. Es lag etwas Ueberwältigendes in dieser Verlassenheit mitten in der grossartigsten Natur. Dazu war der Wald stumm und liess nicht einmal die feinen Stimmen seiner Sänger hören, denen ich so oft mit Vergnügen gelauscht hatte. Es war nicht zu erwarten, dass ich, wenn etwa ein stärkerer Fieberanfall Bewusstlosigkeit verursachen sollte, in diesem Pflanzenchaos gefunden werden würde; es kam daher Alles darauf an, mir die Kräfte und die Energie zu erhalten. Wasser musste ich haben, deshalb erhob ich mich von Neuem und setzte alle Kräfte daran, es zu finden. Wer könnte die unaussprechliche Freude schildern, als ich nach einer halben Stunde wirklich an eine kleine, mit grüner Pflanzendecke gänzlich überzogene Lache trat, wer das Behagen, mit dem ich die köstliche Flüssigkeit, nachdem der erste Durst gestillt war, schlürfte? Hier beschloss ich, zu bleiben, da ich es hier zur Noth ein paar Tage aüshalten konnte. Es war nach vier Uhr, als ich in der Ferne einen Schuss hörte, dem gleich darauf drei weitere folgten. Wunderbarerweise schien der erste aus entgegengesetzter Richtung als die ändern zu kommen. Ich folgte natürlich dieser, da mich der dreimal wiederholte Schall nicht täuschen konnte, arbeitete mich ein Stück mit Anstrengung durch und kam dann auf gangbares Terrain. Die Sonne brach auch noch durch das Gewölk, so dass ich, meinen Schatten zur Linken behaltend, in gleicher Richtung fort gehen konnte, ohne fürchten zu müssen, sie wieder zu verlieren. In bestimmten Intervallen tönten die Schüsse, auf die ich eben so antwortete, bis ich, als ich eben die Büchse zum Feuern erhob, die grinsenden Gesichter und leuchtenden Augen einiger vorausgeeilter Leute durch das. Gebüsch blitzen sah. Sie waren dem Schall immer lautlos entgegengelaufen und hatten durch Nichts ihre Nähe verrathen, bis sie plötzlich vor mir standen und mir in wahrhaft kindlicher Freude ihre Hände entgegenstreckten. Nun hatte die Waldruhe ihr Ende erreicht, durchdringende Jubelrufe verkündeten den weiter Entfernten, dass die Aufgabe gelöst sei. Nach zweistündiger Wanderung, wobei wir den letzten Theil des Weges schon im Dunkeln zurücklegten, traf ich um halb sieben Uhr im Lager ein, wo der herzliche Empfang sich in umfassendster Weise wiederholte. Wahrlich, des Tages Beschwerden lohnten sich reichlich, erkannte ich doch in dieser ungeschminkten urwüchsigen Freude, wie gut wir uns alle in einander gefunden hatten.


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