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gewesen, weil es namentlich dem Weissen daran gelegen sein muss, in den Augen seiner Leute für einen tüchtigen Schützen zu gelten, und weil wir vorläufig nicht ausfinden konnten, worauf die Misserfolge zurückzuführen seien. Als wir später einen Baumriesen massen, der bei seinem Sturze den ganzen Wald unter sich niedergeschmettert hatte, so dass er in seiner ganzen Grösse inmitten der entstandenen Lichtung ruhte, war das Räthsel allerdings gelöst. Die Höhe des noch stehenden Stumpfes betrug 6 m., die Stammlänge bis zu den ersten Aesten 42 m., die Höhe des Wipfels, soweit sie noch sicher messbar war, 20 m. Der Umfang des Stumpfes mit den von ihm ausgehenden Flügeln oder Wurzelwänden 2 m.- über der Erde betrug 18 m., und 10 m. über der Erde 5,30 m. Die äussersten Blätter des Baumes entfalteten sich also in einer Höhe von 68 m., die für Schrotschüsse natürlich unerreichbar bleiben musste. Es war nunmehr klar, dass wir, dauernd in dem Gebiete eines so üppigen grossartigen Wuchses uns bewegend, allmählich den Massstab für die Entfernungen überhaupt verloren hatten und unsere Ansprüche an das Erreichbare mindern, daneben aber die jedesmalige Ladung verstärken mussten. An jenem Morgen war uns diese Einsicht zwar noch nicht in ganzem Umfange gekommen, doch hatten wir trotzdem verabredet, dem Thiere so nahe kommen zu wollen, als es nur gieng. Die Spannung nahm ab, als wir nach fast halbstündigem Rudern noch keine Spur von dem verheissenen Wilde sahen. Wir glaubten schon, der Fischer habe sich in sträflichem Uebermuthe an uns vergangen, und sahen unwillig das Canoe träge vorwärts leitend zu ihm hinüber; doch er feuerte unablässig an und versicherte bei jeder die Aussicht verdeckenden Insel, dahinter müsse es sich unzweifelhaft befinden. Endlich sahen wir alle auf einmal in der Ferne einen grauröthlich schimmernden, etwas über der Wasserfläche erhabenen, sich bewegenden Körper; ein Ruck, ein gedämpfter Ausruf der Befriedigung, wie nur Wilde ihn ausstossen können, dann allseitiges Verständigen mit glänzenden sprechenden Augen, und fort gieng es mit erneuten Anstrengungen dem Ziele zu. Schnell kamen wie näher und erstaunten nicht wenig, bald einen zweiten und dritten Kopf neben dem ersteh und dann noch mehrere auftauchen zu sehen, bis wir uns schliesslich einer Familie von neun Stück gegenüber befanden, die sich erwartungsvoll in gerader Linie aneinander reihten und mit fragenden verwunderten Augen der ungekannten Gefahr entgegensahen. Der Anblick war auch für uns ein ebenso unerwarteter als unerwünschter. In dem Augenblick waren uns alle von Negern und Weissen colpor- tirten Unglücksfälle, in denen Canoes von Flusspferden angegriffen und umgeworfen sein sollten, gegenwärtig. Ein solches Schicksal mag in tieferem Flussbette zu ertragen sein, wenn sich das wüthende Thier sonst eben nicht weiter um die Schwimmer bekümmert; in unserem schlammigen sumpfigen Bassin wäre es mehr als bedenklich gewesen, da man nicht hoffen konnte, festen Boden zu erreichen. Es waren uns die Fälle, in denen wir die Neger hatten herausspringen lassen, um auf scheinbar gutem Grunde die erlegten Wasservögel aufzusammeln, noch frisch im Gedächtniss: Bis fast an die Hüften waren sie im Schlamme versunken, und mit Mühe nur war es gelungen, sie wieder durch Ruder und Stricke herauszuholen. Es war also nur natürlich, dass wir uns einen Moment fragend ansahen, ungewiss ob wir die Jagd wagen sollten, aber auch nur einen Moment, dann ruderten wir auf ca. 20 Schritt heran, und ich gab auf das stärkste Stück der Herde Feuer. Gleichzeitig mit dem Knall hörte man das Einschlagen der Kugel und das laute Freudengeschrei der Neger, dann folgte bei dem plötzlichen Untertauchen der erschreckten Thiere lautlose Stille. Wenige Ruderschläge führten uns an die Stelle vor uns, und mit gespannter Erwartung durchspähten wir die Wasserfläche. Nicht lange dauerte es, so tauchte bald hier bald dort schnaubend einKopf auf, um sofort bei unserem Anblick zu verschwinden. Wir kamen noch dreimal zum Schuss. Das eine verwundete Thier raste im wahren Sinne des Wortes im Wasser umher, indem es in grossen Bogen fast mit dem ganzen unförmlichen Leibe über der Oberfläche erschien und wieder niedertauchte. Ein anderes suchte unter dem Wasser sein Heil in der Flucht, versah aber die Richtung und steuerte, wie wir an den aufsteigenden Blasen und der Trübung erkennen konnten, gerade auf uns zu. Einen Augenblick noch kam uns der Gedanke, dass doch vielleicht ein Angriff geplant sei, und als die Blasen unter und jenseits des Canoes sich zeigten,* suchten wir, den Finger am gespannten Hahn, mit den Augen das Wasser zu durchdringen, um vielleicht der drohenden Gefahr noch zu begegnen. Aber weiter und weiter verfolgten wir die Spur des schlammaufwühlenden Flüchtlings und sahen erst in weiter Ferne den Kopf zum Vorschein kommen. Von Gefahr war keine Rede mehr, panischer Schrecken hatte die Kolosse ergriffen, die planlos hier und dorthin zu entrinnen suchten. Ein Weilchen folgten wir noch, dann aber wurden die auftauchenden Köpfe seltener, bis endlich weit und breit ausser uns nichts Lebendiges sich zeigte. Die Jagdlust war abgekühlt. Ungeheure Fleischmassen waren vor uns gewesen und kein Atom davon war uns, wie es schien, zugefallen. Natürlich war die Verstimmung eine ernste, denn die vergebliche Arbeit hatte uns und die Leute hungrig


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