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Kraft und sahen Nichts als den weissen Schaum des Wassers und das rothe Licht des Leuchtfeuers an der nahe gelegenen Küste. Dieses Leuchtfeuer ist eines Felsenriffes wegen eingerichtet, welches „Carpenter’s rock“ heisst, und das wir glücklich umschifft zu haben wähnten. Plötzlich hörten wir ein mehrmals wiederholtes, schrilles Pfeifen, hastige Commandorufe, die Schraube schien heftiger zu arbeiten, das Schiff stärker erschüttert zu werden. Wenige Secunden später erfolgte ein Stoss, gleich darauf ein zweiter, und dann hörte jede Vorwärtsbewegung auf. Statt dessen wurde die „Nigretia“ mit lautem Krachen hin und her geworfen, machte Schwankungen, die mit einem Schlage auf hörten, so fremdartige, beängstigende Bewegungen, dass der erste erlittene Stoss im Vergleich damit sanft erschien. Wie ein Ungeheuer, das von einer gigantischen Lanze durchbohrt, auf dem Erdboden festgenagelt, vergeblich zu entrinnen sucht und sich in krampfhaften Zuckungen erschöpft, so blieb auch unser armes Schiff an derselben Stelle, und alle Anstrengungen der Schraube, es wieder flott zu machen, zeigten nur unsere völlige Ohnmacht in dieser furchtbaren Katastrophe. Das Wasser drang mit Macht in den Maschinenraum, und allein der Umsicht des schottischen Oberingenieurs war es zu danken, dass der Kessel nicht explodirte. Der Schiffbruch war vollendet. Ein furchtbares Durcheinander begann. Die Scharen von Negern, die wir an Bord hatten, fingen laut an zu schreien, zu weinen, zwecklos hin und her zu laufen. Die Dunkelheit der Nacht erschwerte die Aufrechterhaltung der Disciplin unter den Matrosen, die in erster Linie um ihre eignen Habseligkeiten und den kleinen Waarenvorrath besorgt waren, mit dem sie alle längs der Küste Handel trieben. Nur die acht Liverpool-Passagiere bewahrten eine würdige Haltung. Ein Jeder hatte die ganze Grösse des Unglücks erkannt, aber zu stolz, um zu klagen, sahen Alle schweigend dem Ausgange entgegen. Wir waren in völliger Ungewissheit über das, was uns nun bevorstand. Niemand konnte sogleich beurtheilen, ob das Schiff, das gerade in der Mitte des Kiels getroffen war, noch in derselben Nacht oder erst nach Monaten auseinanderbrechen würde; und Aller Blicke lenkten sich mit der ganzen Sehnsucht des Selbsterhaltungstriebes auf die Boote. Wie gewöhnlich aber dauerte es lange, bis diese klar gemacht waren. In der allgemeinen Aufregung, die dem ersten Stösse folgte, hatte ich mich in meine auf Deck gelegene Cabine begeben, die lose umherliegenden Gegenstände in Koffer verschlossen und ein Wenig Gold zu mir gesteckt; — so viel, dass ich im Fall des Schwimmens nicht genirt, aber im Fall der Rettung gegen die erste Noth gedeckt war. Dann trat ich wieder in’s Freie und starrte auf das angsterfüllte, zwecklose Hin- und Herwogen der todeserschröckenen Menschen. Einen Augenblick sprach ich auch den Capitain. Wir waren in den vierzehn Tagen der gemeinsamen Seefahrt gute Freunde geworden; nun wollte er mir, wie um sich zu rechtfertigen, den ganzen Hergang erzählen, aber die Worte zerstoben vor dem Angstgeschrei der Menschen, dem Branden der See, dem Zischen der aufsteigenden Raketen und dem Donner der Nothschüsse, welche vergeblich um Hülfe flehten. Kein Zeichen kam, dass von Freetown her Rettung nahe, das Schiff sank tiefer und tiefer, wie das Wasser im Raume stieg; und wenn die See anfing höher zu gehen, so konnte ein einziger Wogenschwall das Wrack mitten auseinander brechen und uns mit einem Schlage den Untergang bereiten. Die farbigen Weiber und Kinder an Bord wurden in das erste Rettungsboot hinabgelassen, in ein zweites wurden die Postsendungen geworfen und in ein drittes Fahrzeug versuchten wir europäischen Passagiere zu gelangen. Die Schiffstreppe war so voll von Menschen, dass ich fürchtete,- sie würde brechen. Ich liess mich direct m’s Boot hinunter. Als es voll war, stiess man es mit jener Grausamkeit gegen die Zurückbleibenden ab, die in extremen Lagen die Unbeugsamkeit eines Naturgesetzes annimmt. • _ ■ Das Boot hielt sich anfänglich in der Nähe des schiffbrüchigen Dampfers, weil Niemand recht anzugeben wusste, welchen Curs es nehmen sollte. Denn unsere ganze seekundige Bemannung waren einige Kruneger, denen drei Ruder zu Gebote standen; im Uebrigen war das Boot mit Passagieren überfüllt. Das Natürlichste hätte geschienen, direct auf den Leuchtthurm loszusteuern; allein nach dieser Richtung lagen noch Felsriffe, und bei der herrschenden Dunkelheit drohte die Gefahr, dass unser Fahrzeug an diesen zerschelle. Zum Glück war das Meer nicht besonders unruhig. Nach langem Hin- und Herschaukeln steuerten wir denn zur Küste hin und erreichten dieselbe in einem weiten Bogen nach anderthalbstündiger Fahrt in der Nähe des Leuchtthurmes. So war das nackte Leben freilich gerettet, und wir hatten allen Grund uns der glücklichen Umstände zu freuen, die unser Unglück begleiteten. Denn wir waren nahe der Küste gestrandet, kein Tornado hatte uns weiter in die See hinausgetrieben,' keine Klippe unser Boot zertrümmert, und die Gefahr, den Haifischen zum Opfer zu fallen, war nicht einmal an uns herangetreten. Am Strande empfingen uns Neger in hellen Haufen. Zu unserer Ueberraschung fanden wir ausser dem Leuchtthurm noch ein


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