ist beim Neger unzweifelhaft der Fall, wie wir uns bei den im Profil aufgenommenen Typen überzeugen konnten, und zwar namentlich wiederum beim Weibe; auch dies lässt sich leicht durch die Sitte erklären, alle Lasten auf dem Kopfe zu tragen, da die frühe Belastung der elastischen Wirbelsäule, noch bevor eine hinreichende Widerstandsfähigkeit des verbindenden Bandapparates erreicht ist, die normalen Biegungen zu stärkeren Krümmungen veranlassen muss, und zwar bei dem an und für sich zarter gebauten Weibe, das dazu auch noch frühzeitiger Arbeit leistet, mehr als beim Manne. Bei der Ansicht der Profiltypen fällt weiterhin noch die wenig clas- sische Rundung des Theiles auf, den wir an der Aphrodite Kalli- pygos bewundern; das Eckige und eigenthümlich Prominirende, das Fehlen gefälliger Uebergänge beim ausgebildeten Negerkörper überhaupt ist auch hier häufig sichtbar, indem jener sich gegen die Oberextremität in einem fast ausgeprägten Winkel ansetzt. Doch ist auch hier zu betonen, dass namentlich vom weiblichen Geschlechte nur Sclavinnen, also die am wenigsten günstig entwickelten Individuen, zum Vergleiche herangezogen werden können, nicht aber freie oder gar vornehme Negerinnen. Im Ganzen entspricht die Fruchtbarkeit nicht der Ausbildung der Regenerationsorgane, die ich als Raceneigenthümlichkeit hinstellen möchte. Der mosaische Ritus'wird, indem er sich wol aus den gleichen Zweckmässigkeitsgründen entwickelte, auch dort, aber zu einer ändern Zeit geübt. Die Ceremonie führt die Betreffenden, meist wie bei uns die Einsegnung, in die Gesellschaft der Erwachsenen ein. Beim weiblichen Geschlechte existiren ähnliche Ceremo- nieen nicht. Der Busen des Weibes, wegen dessen Form, wo auch immer von Negern gesprochen werden mag, stets gestritten wird, kann in nicht seltenen Fällen wirklich schön genannt werden, ohne dass er dann immer zugleich auch edel in unserm Sinne wäre; meist verräth die Brust schon bei der eben erwachsenen Jungfrau die Neigung zum Sinken, und bei der älteren Frau würde auch der wärmste Vertheidiger der Race nur selten etwas zu loben finden und würde zugeben müssen, dass bei den Negerinnen alle Reize überraschend schnell schwinden. Der Grund des baldigen Sinkens liegt wol hauptsächlich in der wenig breiten Basis, mit welcher die Drüse aufsitzt; da sie, was ihr an Fläche fehlt, durch Höhe auszugleichen sucht, so ist es natürlich, dass sie in der Lactationsperiode leicht dem Gesetz der Schwere folgt. Ob die feste Schnur, welche oft unter der Achselhöhle um den Brustkorb getragen wird, hierbei mit in Betracht kommt, weil ein Theil der zuführenden Gefässe abgeschnitten und so die Ernährung beeinträchtigt wird, will ich nicht unbedingt bestreiten, halte es aber nicht für wahrscheinlich, da die Hauptarterien den anatomischen Verhältnissen entsprechend dadurch gar nicht berührt werden. Den Grund für das Umlegen jener Schnur zu finden, ist schwer, und eben deshalb herrschen darüber die allerverschiedensten Meinungen: Während die Einen meinen, dass dadurch die Brüste absichtlich heruntergebunden werden sollen, weil die hängende Form als ein Ehrenzeichen der Gattin und Mutter gelte, behaupten Andere und zwar, wie ich glaube, ebenso geistreich als durch Wahrscheinlichkeitsgründe überredend, dass man gerade umgekehrt durch dieselbe die nachgebende elastische Faser halten, dass man nicht herunterbinden, sondern hochziehen wolle und so gewissermassen die primitivste Form des Corsets anwende*). Gegen erstere Ansicht spricht, dass die Neger die Schönheit einer jugendlichen Büste wol zu würdigen verstehen und bei ihren allerdings wenig vollendeten Kunstgebilden stets nur solche zur Darstellung wählen; gegen die andere aber ihr natürlicher Verstand, den wir so oft anzuerkennen Gelegenheit hatten. Dieser würde eitele Frauen doch bald erkennen lassen, dass sie ihren Zweck ungleich leichter und sicherer erreichen, wenn sie ein Band unter den Brüsten als Stütze herumführten , so dass sie auf ihm ruhen, und es dann am Nacken zusammenknüpften; diese Idee wäre einfacher und viel natürlicher. Wenn daher die Anlegung der Schnur nicht blos aus der Gewohnheit, das Gewand über dem Busen durch Einschnüren und Unterstecken zu befestigen, hergeleitet werden kann, so wäre noch denkbar, dass sie geheimnissvolleren, in das Gebiet des Fetischismus gehörigen Zwecken ihren Ursprung verdankt. Die eingeborenen Aerzte pflegen bei den verschiedenartigsten Krankheiten einzelne Glieder wie Zehen, Oberarm, Wade, fest zu umschnüren. Ich bin mehrfach in die Lage gekommen, derartige Fesseln bei unseren Leuten lösen zu müssen, weil die darunter liegenden Theile durch Stauung des Blutes so angeschwollen waren, dass die heftigsten Schmerzen entstanden; deshalb wäre es bei der allgemein verbreiteten Unsitte und dem Glauben an ihren Heilwerth wol möglich, dass bei den nur Frauen eigenen Leiden die Umschnürung des Brustkorbes Platz gegriffen und Anklang gefunden hätte, bis sie fast zu einer Mode wurde wie bei uns die Zahnhalsbänder oder rothen Schnürchen bei Kindern. Aus welchem Grunde nun aber auch immer die Brust zum Sinken *) Pechuël-Loesche, Indiscrètes ans Loango. Zeitschrift für Ethnologie. I. 1878.
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