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ferner bei anderen nordamericanischen Stämmen die Mädchen vom 12. bis 14. Jahre heiraten, halten es im Süden die Patagonier anders und warten bis zum 16. Jahre. Louis Mayer und Krieger belehren uns dann, dass bei uns nach einem enormen beweiskräftigen Material der Eintritt der Reife ebenso häufig im 14. als im 15. Jahre und halb so häufig im 13. stattfindet, während die Fälle von da an abwärts und vom 15. aufwärts seltener sind. Bei der Schätzung des Alters muss demnach unter Berücksichtigung aller bei der Entwicklung in Betracht kommenden Organe ungemein vorsichtig zu Werke gegangen werden, namentlich wenn man, was auch Vorkommen kann, der Möglichkeit einer absichtlichen Täuschung ausgesetzt ist. In dieser Lage aber waren wir damals, als das Gerücht von einer im Innern Africas lebenden Zwergrace, der Babongo, von welcher einzelne Individuen als Sclaven auch an die Westküste kämen, von Europa zu uns herüber hallte und an Ort und Stelle natürlich ein noch grösseres Interesse als jenseit des Oceans weckte, wenn das überhaupt möglich war. Es dauerte denn auch nicht lange, so wurden mir Individuen als zu jenem seltsamen Stamme gehörig vorgeführt, die sich bereits 15 bis 20 Jahre im Dienste der betreffenden Häuser befinden sollten, ohne je an Körperhöhe oder Umfang zugenommen zu haben. Betrachtete man sie aber genauer, so bewies Alles an ihnen den kindlichen Habitus, und zwar in solchem Grade, dass man die Mühe der Zahnuntersuchung ersparen konnte. Dergleichen Scherze lernt man erst nach längerem Aufenthalte an der Küste verstehen und würdigen; sie entspringen der unendlichen Langeweile, mit welcher die Händler im Allgemeinen geplagt sind, und einem eigenen Vergnügen derselben, den Scharfsinn der sogenannten Gelehrten zu prüfen. Die versuchte Mystification wird beim Missglücken ebenso harmlos eingestanden, als man sich im Falle des Gelingens mit Gesinnungsgenossen darüber amüsiren würde. Es ist nach solchen und ähnlichen Erfahrungen, wie alle Reisenden sie machen, und dem fast kindlichen Muthwillen der Eingeborenen gegenüber, dem neugierigen weissen Frager die unglaublichsten Dinge für Wahrheit zu geben, höchst nothwendig, alle, selbst die scheinbar einfachsten Angaben mit Zweifeln aüfzunehmen und erst nach mehrfachem Forschen an verschie- denen Quellen als richtig- zu notiren. Was die Babongo endlich betrifft, so bin ich nach Prüfung aller späteren Angaben und aller mir nach und nach vorgestellten, dem Stamme wirklich ungehörigen, theils verkümmerten, theils durchaus muskulögen Neger zu der Ueberzeugung gekommen, dass es sich in keiner Weise um eine zwergartige Race handelt, sondern um ein nö- madisirendes Jägervolk von etwas dürftigerem Körperbau als ihn die Küste aufweist, den sogenannte Buschneger aber ebenfalls zeigen. Der Bewohner des meerangrenzenden Gebiets ist vielleicht wegen der günstigeren Nahrungsbedingungen übermittelgross (165— 170 Cm.), da die Durchschnittshöhe bei Männern zwischen 165 und 168 Cm., bei Weibern zwischen 150 und 160 Cm. liegt. Topinard (Revue d’anthro- Hatschi, ca. i 4 Jahre alt. Knabe aus dem Volke. pologie 1872) zählt die Guineaneger mit 172 Cm. sogar zu den grossen Figuren (170 Cm. und darüber); doch glaube ich nicht, dass spätere Revisionen meine Durchschnittsmasse ändern werden, wenn ich auch zugebe, vereinzelt ebenfalls Gestalten von 174 und 176 Cm. gemessen zu haben, die dann meist den edlen Geschlechtern angehörten. Es kommt eben darauf an, ein möglichst mannigfaltiges Material gemessen und mit den alltäglichen Erscheinungen verglichen zu haben,


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