wahr ist, dass sie ihren Soldaten einschärften, nicht nach dem Kopfe zu hauen, weil sonst die Säbel zersprängen. Wenn wir nunmehr zu der vergleichenden Betrachtung der übrigen Körper Verhältnisse übergehen, so wenden wir uns vom Skelet zum lebenden Menschen und haben zunächst unser Augenmerk darauf zu richten, in allen Fällen möglichst gleichartiges Material einander gegenüber zu stellen, da wir nur so auf Resultate hoffen können, nicht aber, wenn wir ein normal und schön gebautes Individuum aut der einen Seite und ein missgebildetes, verkümmertes auf der anderen zu Vergleichsobjecten wählen. Vielleicht erscheint es Vielen überflüssig, dass darauf noch erst hingewiesen wird, denn dass dieser Grundsatz leitend sei, versteht sich fast von selbst; er muss aber doch nicht bei Allen, welche ihr Urtheil über die Neger abzugeben sich seit Jahrhunderten berufen fühlten, leitend gewesen sein, da sonst unmöglich die oft wunderbaren Vorstellungen und unglaublichen Vorurtheile in dieser Hinsicht sich hätten einwurzeln können. Es ist gewiss nicht tief genug zu beklagen, dass viele Unberufene nach kurzem Aufenthalt in irgend einer unbekannten Gegend so schnell mit ihren Urtheilen fertig sind und sie stets mit um so grösserer Sicherheit veröffentlichen, je weniger sie eigentlich von der Sache verstehen; die Anschauung allein, die subjectiven Eindrücke reichen nicht einmal beim Fachmanne aus, sie ändern sich, je nachdem die Erinnerung an europäische Form noch frisch oder mehr in den Hintergrund getreten ist, sind aber ganz unberechenbar, wenn Reisende ohne anatomische Grundlage, vielleicht ohne Kenntniss heimischen Wuchses überhaupt, ausgenommen etwa des eigenen, sich weitläufig über typische Verschiedenheiten aus- lassen. Man sollte nie vergessen, dass in solchen Puncten nur die exacte Messung zu' Resultaten führen kann, die selbst dann noch mit der nöthigen Reserve gegeben und angefasst werden müssen. Jeder Reisende sollte stets eingedenk sein, wie sehr von seiner Willkür, seinem Tact und Vermögen zum Theil die Vorstellungen der Heimat beeinflusst werden können, und sollte das in ihn gesetzte Vertrauen durch möglichste Objectivität und Vorsicht zu rechtfertigen suchen. Handelt es sich um die Photographie, so lügt diese allerdings an und für sich nicht, sie giebt genau und schonungslos wieder, was sie sieht, obgleich ihr Sehen immerhin ein einseitiges und auf einen Punct concentrirtes ist. Aber gerade deshalb ist es eine nicht ganz leichte Aufgabe, das zu fixirende Material zweckentsprechend zu sichten und neben den alten, verkommenen Individuen, die sich immer mühelos auftreiben lassen, der Heimat auch die elastische, frische Jugend vorzuführen, die mit einer allen Völkern bekannten Scheu ihre an- muthigen Formen zu verbergen sucht. Will man dann später vergleichen, so hat man vor allen Dingen möglichst genau die verschiedenen Altersstufen gleichmässig einander gegenüber zu stellen. Dabei stösst man auf grosse Schwierigkeiten; denn oft und so auch damals in Loango kann man vom Individuum selbst über sein Alter keinen Aufschluss erhalten und wird gezwungen, sich mit einer Schätzung desselben zu begnügen, wobei recht erhebliche Irrthümer unterlaufen können und, wie mich meine Beobachtungen gelehrt haben, bereits untergelaufen sind. So hören und lesen wir z. B. von Jugend auf, dass die bei Mädchen in heissen Gegenden eintretende frühe Reife sie schon mit 12 Jahren heiratsfähig mache, und dass auch Knaben dort viel eher mannbar würden als im Norden. In dieser Auffassung aufgewachsen, gewöhnen wir uns daran, reifende Jungfrauen und entwickelte Jünglinge für überhaupt nicht älter zu halten, auch wenn die ganzen Proportionen der Körper auf vorgerücktere Jahre hinweisen; wir sagen uns dann zu unserer Beruhigung, ohne an dem alten Glaubenssatze zu rütteln, wir sind eben in den Tropen! Beweist denn aber die in jenen Gegenden herrschende Sitte, die geheimnissvolle Wandlung des Mädchens zur Jungfrau durch öffentliche Feierlichkeiten zur allgemeinen Kenntniss zu bringen, dass sie überhaupt früher statt hat, als bei uns, nur weil sie hier ein wol- bewahrtes Geheimniss bleibt? Ist es ferner gerechtfertigt, anzunehmen, dass sie, wenn sie bei einigen Individuen in erwiesen jungen Jahren erfolgt, bei allen Uebrigen zu derselben Zeit erfolgen müsse? Ich fürchte, dass unsere vorgefasste Meinung uns da häufig einen argen Streich spielt, und meine, dass wir die Entwicklungsvorgänge in den verschiedenen Zonen nicht bis zur Unwahrscheinlichkeit, ja selbst bis zum Widernatürlichen willkürlich verschieben dürfen. Wir finden eben überall Schwankungen, überall aber werden wir ein Mittel constatiren können, das nahezu bei allen Völkern gleich ist. Diese Annahme beweisen uns einerseits verschiedene dem Hergebrachten widersprechende Beobachtungen, für die man, weil sie zum alten Glaubensartikel nicht passten, zu den wunderbarsten Erklärungen griff, andererseits neuere Resultate der mit so ausdauernder Energie arbeitenden Statistik. So erzählt uns Peschel in seiner Völkerkunde, dass, wie es namentlich bei den Eskimos beobachtet sei, auch Polarvölker frühzeitig das Vermögen der Geschlechtserneuerung erwerben, und Erman, dass auf der aleutischen Insel Atcha der Knabe, sobald er die Baidare lenken, das Mädchen, sobald es fertig nähen kann, beide gewöhnlich mit dem 10. Lebensjahre zur Ehe schreiten. Während
27f 32-1
To see the actual publication please follow the link above