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Ich durfte mich später in den Dörfern frei und unbehelligt bewegen, indem ich höchstens die Bereitwilligkeit ihrer kleinen Beherrscher mit massigen Quantitäten Rum lohnte. Damit braucht man sich indessen bei derartigen und zu anderen Zwecken veranstalteten Ausflügen nicht selbst zu belasten, sondern hat nur einen Bleistift und Zettel bei sich zu führen, auf welche man die als Geschenke oder zum Ankauf von Nahrungsmitteln festgesetzten Mengen von Rum oder Tauschartikeln überhaupt notirt, und dann den mit Datum und Namensunterschrift versehenen Zettel dem Betreffenden einzuhändig'en; diese Anweisungen sind die schon in Abtheilung I erwähnten Mukanden (Wechsel), welche je nach Belieben und Bedürfniss im Hause des Weissen präsentirt und eingelöst werden, welche gestatten, tage-, ja wochenlang ohne grösseres Gepäck in der Umgegend herum zu reisen und alles zum Lebensunterhalt Nöthige auf Credit zu erhalten. Selbstverständlich vermag keiner der Empfänger die Schrift auf dem Papiere zu entziffern; doch haben sie in diesem Puncte ein unbedingtes Vertrauen zum Weissen, obgleich er sonst beim Handel, wie sie wissen, in der Wahrung seines Vortheil's nicht gerade engherzig ist. Eine Mukanda wird für alles Denkbare ausgestellt: sei es, dass man einen Neger auf längere Zeit in Dienst nimmt oder'einen Boten nach einer fernliegenden Factorei braucht; sei es, dass man eine Frau zur Besorgung der Hausgeschäfte, einen Wäscher oder Koch engagirt oder dass man einem Mächtigen einen monatlichen Tribut bewilligt oder Landesproducte und Curiositäten erwirbt, überall werden Mukanden verlangt. Das Anrecht auf den notirten Werth erlischt nie, wird aber meist monatlich geltend gemacht, wobei sich der Erheber in der Regel um keinen Tag verrechnet, sondern nach seinem Kerbholze genau zum abgelaufenen Termine emsteilt; dabei sind die Mukanden gewöhnlich nicht in den Händen derer, auf deren Namen sie lauten, sondern werden von den nach ihren Gesetzen dazu Berechtigten, dem Vater, Onkel oder Dorfherrscher, aufbewahrt. ' Nicht ganz leicht ist es, sich' mit den jedesmal zu notirenden Preisen, welche durch langjährigen Usus geregelt und zum Theil für unsere Begriffe hoch, zum Theil ungemein niedrig sind, bekannt» zu machen: So bezieht ein zum persönlichen Dienst angenommener Negerknabe, der Mulek, je nach seinem Alter, nach Brauchbarkeit und Dienstzeit einen monatlichen Lohn von ein bis zwei Stücken Zeug zu je sechs Yards Länge und einer halben bis ganzen Flasche Rum zu dreiviertel Liter Inhalt; daneben wöchentlich als Kostgeld, obgleich er sich an den bei Tisch für ihn abfallenden Resten meist genügen lasst, ein bis zwei Tücher von je ein viertel Stück Länge und ein Glas oder eine halbe Flasche Rum. Ein Wasserholer erhält monatlich zwei Stücken Zeug und eine Flasche und ausserdem wöchentlich noch zwei Tücher und eine Flasche; ein Wäscher monatlich vier bis sechs, selbst acht Stücke und zwei Flaschen und wöchentlich noch ein Stück und eine Flasche. Ein Dolmetscher, der die Unterhandlungen vermittelt und auch dann, wenn man selbst der Umgangssprache, des Portugiesischen, ganz mächtig ist, von grösser Wichtigkeit bleibt und nie fehlen darf, weil er zugleich auch das Hauswesen beaufsichtigt, empfängt monatlich sechs bis zwölfStücke und fünf Flaschen und ausserdem wöchentlich ein Stück und ein bis zwei. Flaschen Rum. Es kostet ein Ei in der trockenen Zeit ein ganzes, in der Regenzeit jedoch nur ein halbes Glas Rum; ein Huhn eine.halbe bis eine ganze Flasche oder entsprechend viel Zeug; eine Ziege vier bis sechs Stücke- Zeug und zwei bis drei Flaschen; ein Hammel sechs bis zwölf Stücke und fünf Flaschen; eine Traube Bananen mit 50 — 100 Früchten eine halbe bis ein und eine halbe Flasche Rum. Der Preis für Sammelobjecte musste erst bestimmt werden; es wurde bezahlt: für einen Schädel ohne Unterkiefer zwei, mit letzterem drei Flaschen; für eine Flasche mit Insecten eine halbe bis eine Flasche; für eine kleine Schlange eine halbe bis eine ganze, für grössere jedoch zwei bis drei Flaschen; für eine Eidechse, Ratte oder Maus je nur ein Glas; für eine Meerkatze ein bis zwei Stücke Zeug und ein bis zwei Flaschen; für einen kleinen Chimpansen vier bis sechs Stücke Zeug und fünf Flaschen, für grössere sechs bis zwölf Stücke und zehn bis fünfzehn Flaschen Rum. Beim Handel gelten bestimmte Mittelsätze, welche durch den in Europa für die Producte gezahlten Marktpreis wesentlich beeinflusst werden, so dass dabei in Hinsicht auf die grosse Concurrenz ein stets ausgedehntes Feilschen die Regel ist. Der Händler ist daran gewöhnt und hat meist ebensowenig zu versäumen als der Neger, er kennt die Sitten des Landes genau und hat sich ihnen angepasst, er wartet es ruhig bis zum anderen, ja dritten Tage ab, um günstige Geschäfte abzuschliessen. Seine Haupttugend ist nach vieljährigem Aufenthalte die Geduld geworden, sie hilft ihm überall vorwärts und durch alle schwierigen Lagen hindurch, sie ist das Ziel, was zu erreichen Jeder, der in Africa leben will, gleichfalls ringen muss. Für den Reisenden ist diese Geduld allerdings noch schwerer zu erwerben als für jeden Anderen, denn sie kostet Zeit, und die hat er gerade am allerwenigsten. Der Tag ist nicht lang, um sechs Uhr geht die Sonne auf, um sechs Uhr geht sie unter; und wenn man sich die mannigfache Art der Beschäftigung mit all den damit verbundenen


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