Hilft dem Betreifenden aber Alles Nichts und sieht er schliesslich die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen ein, so zieht er drohend und laut scheltend von dannen, kommt jedoch schon am nächsten Tage mit einem Geschenk für den Hausherrn zurück, für das er selbstverständlich ein G egengeschenk von mindestens doppeltem Werthe erwartet; denn für Geschenke in unserm Sinne hat ein Neger kein Verständniss. Erst wenn er auch damit abgewiesen wird, nimmt er es beruhigt wieder mit und weiss nun, wie er sich diesem Weissen gegenüber zu verhalten hat; dann erst wird er umgänglich, nutzbar und bescheiden. So vermochten auch wir uns mit der Zeit Ruhe zu schaffen und die Besuchsunsitte zu beschränken; ganz auf heben aber konnten wir sie schon deshalb nicht, weil ein gewisser Verkehr zur Kenntniss des Landes und der Bewohner unumgänglich nöthig ist, und weil wir selbst auf Excursionen in die Dörfer leicht in die Lage kamen, die Gastfreundschaft der Inhaber in Anspruch zu nehmen. Wenn so einerseits durch die Bewirthung der Negerhäuptlinge immer noch viel Zeit verloren gieng, so geschah dies in anderer Weise nicht minder durch die Besuche der Weissen, d. h. nicht der Gesunden, die uns persönlich sehr angenehm waren und dies an der Art des Empfanges wol merken mussten, sondern der vielen kranken, welche mich zu con- sultiren kamen. Es ist nicht ganz leicht, in Anbetracht der Wahrscheinlichkeit, dass diese Stelle auch an der Küste, wo wir thatig gewesen sind, gelesen und kritisirt werden wird, diesen Punct zu berühren; ich hoffe aber, dass meine.ärztliche Thätigkeit dort bei Allen die Ueberzeugung zurückgelassen hat, dass es nur geschieht und nothwendig geschehen muss, um die Stationsthätigkeit in ihrem ganzen Umfange objectiv darzustellen und zu zeigen, wie nicht jede Stunde des Tages allein für Expeditionszwecke ausgenutzt werden konnte. Bis zu unserer Ankunft war an der ganzen Strecke vom Banya bis zum Congo Jeder sein eigner Arzt gewesen und hatte, sich nach überlieferter Schablone durch Brech- und Abführmittel, Chinin, Opium und Höllenstein behandelt. In dem Bewusstsein, dass keine andere Hülfe existire, war man in ruhiger Ergebung auf dem Krankenlager geblieben und hatte sich weder gewundert, wenn es besser, noch wenn es bergab gieng; das war nun bei dem Erscheinen eines deutschen Arztes an der Küste mit einem Schlage anders. Jeder fühlte plötzlich die hülflose Lage, in der er sich befand, und da man in der Einsamkeit doppelt um sein Leben besorgt ist, suchte man nun auch bei kleinen Uebeln mündlich und schriftlich von weit und breit Rath. Auch alte, fast vergessene Leiden fingen wieder an, unbequem zu werden, man musste doch wenigstens den Versuch machen, zu gesunden, um so mehr als die Consultation, wie bekannt, kein Geldopfer erheischte, also nur eine als angenehme Abwechselung erscheinende Reise zu unternehmen war. Wenn man bedenkt, dass es einen ganz Gesunden an der Küste kaum giebt, so kann man die Zahl der von Nord und Süd sowie von den in das Innere vorgeschobenen Stationen in Tschintschotscho eintreffenden in Folge des Klimas oder ihrer Lebensweise acut und chronisch Erkrankten ermessen. Jeder wollte untersucht und berathen sein, war entweder mit einmal verabreichter Medicin, die natürlich erst zu bereiten war, zufrieden oder schrieb noch wochenlang nachher um Erneuerung, gieng entweder nach mehrstündiger Rast wieder heimwärts oder hatte, wie das umfangreiche Gepäck bekundete, die feste Absicht, die Heilung an Ort und Stelle? abzuwarten. Da war es denn nicht hoch genug anzuschlagen, dass wir in unserem einzigen Nachbar einen liebenswürdigen, aufopfernden Freund und Berather hatten, welcher bei derartigen verschleppten, oft recht schweren Fällen, wo wir selbst die Kranken nicht aufnehmen konnten und doch nicht so grausam sein durften, sie abzuweisen, ein gastliches Unterkommen in seinem Hause gewährte; er richtete einen geräumigen Schuppen mit acht Betten zum Lazareth her, das fast ein Jahr lang bestand und sich erst , bei meiner durch längere Reise nach Loanda bedingten Abwesenheit von selbst auf- löste. Es war zumeist der nie ermüdenden Sorgfalt des Shr. Moreira zu danken, dass wir in der ganzen Zeit keinen Todesfall zu beklagen hatten, und wir freuten uns oft im traulichen Gespräche der glücklichen Erfolge. Um so tiefer bedauerte ich es, ihn selbst, als er später vom perniciösen Fieber ergriffen wurde, nicht retten zu können. Wol selten ist Jemand unter so ernster Trauer zu Grabe geleitet worden als Jener von sämmtlichen Mitgliedern der Expedition; aber nicht die Flagge allein, die an dem Tage halbmast unsern Verlust der Umgegend meldete, nicht der ihm von uns errichtete Grabstein, der dort noch späteren Generationen von ihm erzählen wird, auch diese Worte hier mögen es Allen verkünden, dass wir sein Andenken als das eines edeln Menschen, eines treuen Freundes und Förderers der Expedition so ehren, dass, wo immer von dieser gesprochen werden mag, wir auch seinen Namen nicht vergessen. Damals dachten wir weder an diesen noch an andere Verluste und erfüllten getreulich die Pflichten, welche das neue Lazareth uns avtferlegte; allerdings waren diese namentlich für mich drückend; da
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