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Zum ersten Male fuhren wir dann in einem der aus riesigen Affenbrotbäumen oder öfter noch aus Stämmen des seltsam gestalteten Bomb'ax gehauenen Canoes über den Fluss Tschiloango und hielten nach 1 ‘/2 ständigem Marsche vor der Station Tschintschotscho, deren Leitung zu übernehmen ich herausgesandt worden war. Da der Führer der Expedition sich auf einer Recognoscirungs- reise befand und, wie mir ein zurückgelassener Brief meldete, so bald nicht erwartet werden konnte, suchte ich mich zunächst mit allem Vorhandenen vertraut zu machen und das Begonnene nach bestem Ermessen fortzuführen. Das bereits fertige, aus Papyrusschäften gebaute, niedrige Wohnhaus, die enge Küche, aus welcher der Rauch sich durch die Fiederblätter des Palmdaches einen Ausweg suchte, boten zwar Raum und einen gewissen Comfort, viel mehr als ich vermuthet hatte, aber die mitgebrachte Ausrüstung war beträchtlich, und es zeigte sich bald, dass zu einer zweckmässigen Unterbringung mehr Platz erforderlich sei; ausserdem war darauf Bedacht zu nehmen, dass noch weitere Reisende herausgesandt werden würden, und dass die Pulvervorräthe in einem kleinen, festen Schuppen abseits von den übrigen Räumen aufbewahrt werden müssten: so traf es sich glücklich, dass bereits schwarze Zimmerleute, wie sie an der Küste, wenn auch in geringer Zahl und gegen hohen Lohn, von Kabinda her verschrieben werden können, beschäftigt waren, für den Wäscher eine verschliessbare, gegen Diebstahl sichere Hütte aufzustellen; so konnten sie gleich für die weiteren Bauten benutzt werden. Selbstverständlich schien es dabei, dass zur Ausführung aller Pläne nur wenige Wochen erforderlich sein würden, es waren ja nur einige passende Stamme aus dem Walde zu holen, nothdürftig zu behauen, einzugraben und durch Querbalken zu verbinden; Dach und Wände konnten in der Zwischenzeit durch andere Neger hergerichtet werden. — Wenn mir damals Jemand gesagt hätte, dass beinahe ein Jahr vergehen würde, ehe wir die Räume beziehen könnten, so würde ich ihm ungläubig lachend den Rücken gewendet haben. Damals giengen wir noch in froher Hoffnung frisch an die Arbeit, aber Monate lang blieben die Plätze bestimmt und vermessen, und immer noch warteten wir vergebens auf die Fertigstellung des Waschraumes. Was half alles Schelten und Zureden, was alle Aufsicht und Ueberwachung? Die Hölzer waren eisenhart und spröde, die Instrumente ungeeignet und in ungeübter Hand, viele Stunden des Tages machte strömender Regen unbenutzbar, und immer hatte der Neger unendlich viel Zeit. Er arbeitete mit unsagbarer Langsamkeit und unbeschreiblicher Schlaffheit. Hatte man beim Messen, Hobeln, Glätten ein Weilchen zugesehen, so musste man sich abwenden, wenn man die Geduld nicht gänzlich verlieren wollte. Einer machte es wie der Andere; Jeder schwatzte, rauchte, lachte so behaglich, als ob gar keine Arbeit in der Welt wäre, und weder zu Mittag noch Abends war ein nennenswerther Fortschritt zu bemerken. Ebenso schlenderten die Leute beim Wasserholen von der entfernten Quelle, beim Brennholzsuchen im Walde; Alles wurde mit einer gleichmässig verzweifelten Langsamkeit ausgeführt, wobei das Allerschlimmste war, dass Jeder das Seinige in ausgiebigster Weise auszuführen überzeugt schien. Es war unter solchen Umständen mehr als natürlich, dass wir, an anderes Arbeiten gewöhnt, und das grosse zu erreichende Ziel vor Augen, unablässig drängten und antrieben, unaufhörlich beaufsichtigten und vielfach schalten, aber der Erfolg war nicht der erwünschte; die Leute änderten in ihrer Art nicht nur Nichts, sondern fanden die deutsche Arbeitslust bald unbequem, Hessen diese mitsammt dem rückständigen Lohn im Stich und amüsirten sich nach ihrer Weise ruhig im Dorfe. Andere kamen und giengen oder wurden fortgejagt, aber- vorwärts kamen wir nicht. Schliesslich griffen wir denn, um ein Beispiel zu geben, selbst zu und versäumten keine Gelegenheit zu zeigen, was wir unter Thätigkeit verständen; aber nicht lange: bald ergriff uns das Fieber, das von unendlichem Wehegefühl und Unbehagen begleitet, von grösser Hinfälligkeit und Schwäche gefolgt war. Und so blieb es. Jede Anstrengung hatte unausbleiblich Frostschauer, Hitze und Kopfschmerz im Gefolge, so dass eine aschgraue Farbe und tiefliegende Augen uns bald warnend zu der Ueberlegung führten, ob die vielgeschmähte Langsamkeit des Negers nicht berechtigt, ob Arbeit in gemässigter Zone und Arbeit in den Tropen nicht etwas Grundverschiedenes sei, ob nicht bei stetigem, ruhigem Schaffen mehr als bei kurzem, plötzlichem Ueberstürzen gewonnen werde, das doch immer ein längeres Brachliegen bedingte? So machten w’ir es denn bald den Negern nach und gesundeten; diese aber kamen zurück und arbeiteten wie früher, und Alle giengen wir zufrieden und stetig vorwärts. Hatten sie vielleicht vorher gewusst, dass ihre Sonne stärker sei als der eisernste Wille des Weissen, dass sie entweder triumphiren oder sein Grab graben würden? Da wir somit wol oder übel dem Neger seine Art zu belassen uns gezwungen sahen, erschien eine weitere dauernde Aufsicht überflüssig, und wir wendeten uns nunmehr in froher Erwartung und


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