einziger junger Neger, der Portugiesisch sprach, aber keine Autorität besass. Diese Flucht schlug den Schlussstein aus dem bereits stark mitgenommenen Gewölbe, und es brach zusammen, alle Hoffnungen unter seinen Trümmern begrabend. Was nützte es mir, dass nach kurzer Zeit die Flüchtlinge gefesselt von ihren Gastfreunden wieder eingebracht wurden, dass sie nur verrathene Verräther waren, dass sie in tiefster Reue vor mir standen? Für ihre Bestimmung waren sie verloren; mein Spiel war verspielt, mein Witz erschöpft. Es war die Frucht mehrjähriger Arbeit, bewiesen zu haben, dass wir Nichts vermöchten; das einzige Tröstliche in dieser traurigen Wahrheit lag darin, dass sie um ein Geringeres nicht zu erlangen war; aber die Lage der Expedition war von diesem Augenblicke an eine unmögliche, ihren Auftraggebern gegenüber unhaltbare, und dies fühlten meine sämmtlichen Gefährten mit mir. In einer Berathung wurde beschlossen, dass ich mich persönlich nach Europa begeben sollte, um die Entwickelung der Dinge zu schildern, die gänzlicheHoffnungslosigkeit des Unternehmens darzulegen und über seine veränderte Fortführung zu berathen. Am siebenten Juli 1875 schiffte ich mich auf der „Ethiopia“ ein und am zweiten Oc- tober erstattete ich der in Berlin zusammengetretenen Delegirten- versammlung einen officiellen Bericht. Man beschloss die Aufhebung der Station Tschintschotscho und die Beschränkung der centralafri- canischen Unternehmungen auf die Basis des Ogowe im Norden und der Cassandschistrasse im Süden von Loango. In dem Vorträge, den ich am neunten October desselben Jahres in der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin hielt, fasste ich am Schlüsse meine Ansichten so zusammen: „Wir dürfen uns nicht verhehlen, dass wir mit unseren Aussichten, von der Loangoküste aus in das Innere vorzudringen, noch vor demselben Räthsel stehen wie vor drei Jahren — nur ärmer an Hoffnungen. Die Trägerfrage ist ungelöst und die Haltung der Eingeborenen hat bewiesen, dass erst, wenn diese Frage ganz in’s Reine gebracht ist, neue Hoffnung für eine Expedition geschöpft werden kann. Der Complex ganz kleiner, von einander unabhängiger Territorien, aus denen das äquatoriale Westafrica besteht, bedingt es, dass der Reisende täglich eine neue Grenze zu überschreiten hat, dass er täglich seine Expedition compromittirt sehen kann, wenn er seiner Leute nicht sicher ist, um, wenn es sein muss, sich mit Gewalt Bahn zu brechen. Das Misstrauen der Eingeborenen zu überwinden, ist unmöglich; da sie die eigentlichen Zwecke des Reisenden nicht zu fassen vermögen, so legen sie ihm Eroberungsgelüste bei und mit fanatischer Treue dem Fetischdienst ergeben, erblicken sie in dem nahenden Weissen den Träger unheilbringender Gewalten. Je grösser die Machtentfaltung ist, desto grösser sind auch das Misstrauen und die heimlich in den Weg gelegten, dem directen Angriff sich entziehenden Hindernisse. So lange der Handel nicht die Wege gebahnt hat, ist viel mehr Aussicht vorhanden, dass das westliche Aequato- rialafrica vom Osten her erforscht wird als von der atlantischen Küste aus; einen nach der Küste ziehenden Reisenden würden dieselben Neger durchlassen, die dem von Webten kommenden Eindringlinge den Weg verlegen.“ Die jüngste Geschichte der africanischen Entdeckungen hat diese Behauptungen zum Theil. bestätigt und keiner »derselben widersprochen. Stanley hat von Osten her die äquatoriale Zone durchmessen und hat, wenn auch unter blutigen Kämpfen, die Loangoküste an ihrer südlichen Grenze erreicht. Seinem Heroismus stellt sich der Erfolg ebenbürtig an die Seite;1 denn man darf fragen: Wer hat eine grössere That auf africanischem Boden gethan? Man darf aber auch fragen, ob selbst der Heroismus eines Stanley genügt hätte, dieselbe Reise in der entgegengesetzten Richtung auszuführen; ob nicht dieselbe Macht, die seine Träger an ihn fesselte, sie ihm abspänstig gemacht hätte auf dem Wege von West nach Ost? Wir müssen den Ausspruch Stanleys erwarten, um die Antwort aus dem Munde dieses einzig competenten Richters zu vernehmen. Die menschliche Natur sträubt sich dagegen, Pläne, auf die Mühe und Arbeit verwendet worden sind, mit Einem Schlage aufzugeben. Wir haben alle Etwas von der Motte, die das brennende Licht umkreist; oder sind die folgenden Ideen etwas Anderes als ein Mottenflug? Ich glaube noch heute daran, dass das Kuiluthal ein Thor zum Herzen Africas vom äquatorialen Westen her ist. Vielleicht würde ein Reisender, der sich entschlösse, ganz allein, ohne Träger, ohne Diener, ohne Waffen, ohne Tauschartikel vorzugehen, erreichen, was bisher allen sorgsamen Ausrüstungen und officiellen Berathungen zum Trotz nicht hat erreicht werden können. Es ist bei der Natur der Neger nicht undenkbar, dass sie dem harmlosen Weissen, der weder ihre Furcht noch ihre Habgier erweckt, gastfreundlich begegnen. Ob die Wissenschaft bei solchem Vorgehen viel gewinnen würde, ist eine andere Frage, und eben deshalb drängt sich die Nothwendigkeit auf, nach neuen Combinationen zur Beschaffung von Transportmitteln zu suchen. Von Dr. A. Petermann ist im Jahre 1874 der Vorschlag gemacht
27f 32-1
To see the actual publication please follow the link above