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222 Unsere dreifache Aufgabe in Africa. worden, abgerichtete Elephanten aus Indien als Lastthiere nach West- africa einzuführen. Dieser Vorschlag', gegen dessen Anwendung sicli höchstens der Einwand erheben liesse, dass die darin angezogenen Erfahrungen der englischen Expedition nach Abessinien 1867/68 zu günstig interpretirt wurden, verdient die ernstlichste Erwägung. Eine Discussion an dieser Stelle unterbleibt nur deshalb, weil gerade jetzt Gordon Pascha Versuche mit Elephanten im Sudan und dem District der grossen Seen anstellt, und die dort zu machenden Erfahrungen von viel einschneidenderer Bedeutung für Westafrica sind, als die Abessinischen. Ein günstiges Resultat ist äusserst wahrscheinlich. So lange die Brauchbarkeit der Elephanten nicht erwiesen ist, und diese bewunderungswürdigen Thiere nicht zur Stelle sind, bleiben wir auf menschliche Hülfe angewiesen. Dass die an der Loangoküste angetroffenen Stämme vorläufig untauglich zum Trägerdienst.sind, wurde bewiesen. Das Gleiche gilt fast mit Sicherheit für die ganze west- africanische Küste, insofern, als die Träger, welche dieselbe liefern könnte, durch Verpflanzung unbrauchbar werden. Man muss also weiter ausgreifende Importversuche machen, um zum Ziele zu gelangen, und in das Land der schwarzen Helden Stanleys gehn, an die Ostküste Africas, wo die grossartigen Verkehrsverhältnisse die in einzelnen Individuen schlummernden Keime zu gigantischer Leistungsfähigkeit und beispiellosem Muth entwickelt haben. Gelingt es aber nicht, routinirte ostafricanische Träger nach Westafrica überzuführen, so kann man andere Importversuche machen, zunächst mit Chinesen, die bisher wunderbarer Weise nicht als africanisches Cult urelement in Betracht gezogen worden sind; man könnte ferner, wenn diese Versuche missglücken sollten, eine etwas von der Küste entfernt gelegene Station einrichten und sie zu einer Pflanzschule für Träger machen, indem man Hunderte von Negerknaben darin mit Rücksicht auf ihren späteren Zweck abhärtet, einübt und grosszieht. Wem diese Vorschläge phantastisch erscheinen, der darf nicht vergessen, dass sie Kinder der Noth sind, und dass Noth erfinderisch macht; auch dass die Zeit, die ihre Ausführung erheischt, kurz ist im Vergleich zu der jahrelangen Arbeit, die Africa noch von uns fordert. Die Beschränkung, die meiner selbständigen Forschung auferlegt wurde, hat mich nicht blind gemacht gegen die allgemeinen Aufgaben, die in Africa noch zu lösen sind. Sie treten in einer dreifachen Form an uns heran: civilisatorisch, commerciell, rein wissenschaftlich. Unsere Erziehung und die erworbenen Kenntnisse entscheiden im Verein mit unseren persönlichen Neigungen darüber, in welche dieser Aufgaben der Schwerpunct unserer Bemühungen zu verlegen sei. Völlig von einander getrennt lassen sie sich kaum durchführen, aber die eine wird ihre Ziele früher erreichen als die andere. Es will mir scheinen, als ob unsere civilisatorische Mission in Africa die geringsten Aussichten habe, ja ich zweifle an ihrer Berechtigung. Es ist Sache des Glaubens, nicht des Wissens, ob das Glück der Welt in der gleichmässigen Ausbreitung unserer Cultur zu suchen sei, ob es in der Bestimmung der Völker liege, trotz ihrer verschiedenen Beanlagung und ihrer Ungleichwerthigkeit dasselbe Ziel zu erreichen. Was wird es nützen, wenn wir unsere errungenen Wahrheiten, unsere g r ö s s e r e n Bedürfnisse, unsere verfeinerten Lebensgenüsse mit dem schwarzen Continent theilen? Sie werden nicht wirken wie der befruchtende Regen, sondern zu Wildbächen anschwellen und statt des Segens Zerstörung verbreiten. Wie viel erfreulicher und greifbarer tritt uns die commercielle und wissenschaftliche Aufgabe entgegen! Hier ist die Berechtigung keinem Zweifel unterworfen. Dem Handel fällt es zu, die Schätze Africas zu heben; seinen bahnbrechenden Spuren folgt die Wissenschaft, und so allein ist sie im Stande, ihren Endzielen zuzustreben. Die wissenschaftliche Forschung in Africa sollte stets die dankbare Schuldnerin des Handels sein dürfen; auch ist sie es oft gewesen. Doch darf um dieser grossen Hülfe wegen nicht vergessen werden, was wir der Thätigkeit edler und aufopfernder Missionare verdanken. Wo aber weder das Eine noch das Andere Statt hat, wo der wissenschaftliche Reisende gezwungen ist, Pionierreisender zu werden, geht seine beste Kraft in dem Kampfe um die Erhaltung verloren. So liegt der Fall leider in dem äquatorialen Gürtel Westafricas, der noch der Nubier und Araber harrt, um es dem Osten gleich zu thun. Daher werden wir uns noch lange Zeit gedulden müssen, bis der Bau unserer geographischen Erkenntniss Africas vollendet ist. Stanleys Zug, welcher seinem Vollbringer die Unsterblichkeit sichert, der Geographie die unschätzbarsten Resultate geliefert hat, der mitlebenden Menschheit das erhebende Beispiel antiker Grösse giebt,. weiht eine neue Epoche in der Entdeckungsgeschichte Africas ein. Für alle Bestrebungen der nächsten Zeit werden Stanleys Spuren den anziehenden, richtungsbestimmenden Magneten bilden müssen, und freudig begrüssen wir die Initiative, die ein hochsinniger, weitblickender Fürst, der König der Belgier vor Kurzem genommen hat, um die Völker abendländischer Cultur zum thätigen Antheil an diesem Werke miteinander zu verbinden. Die Gründung der „Africanischen


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