von Tschintschotscho aus direct östlich nach Ikamba führen wollte. Auch unser eigner Küstenstrich hatte viel unter Krankheiten zu leiden, namentlich in der Zeit der grossen Regen, im Februar, März und April. Der Tod des Lingsters der Station, des angesehenen Mu- boma von Yenga war ein sehr harter Schlag für uns; ein würdigerer, ehrenwertherer Neger hatte nie in unserm Dienste gestanden, und seinem ruhigen Auftreten und grossen Ansehen war es zu danken, dass verschiedene Verwickelungen mit den Eingeborenen ohne Blut- vergiessen beigelegt wurden. Ich werde die Scene nie vergessen, die sich in Yenga vor der Hütte und am Sterbelager des seiner Krankheit erlegenen Muboma abspielte. Yenga liegt nur eine gute Viertelstunde von der Station, und wir eilten auf die Nachricht des eingetretenen Todes dorthin. Das ganze Dorf war in Aufruhr; der Todte lag ausgestreckt auf einem erhöhten Lager, sein Haupt wurde gerade von zwei Frauen rasirt, eine dritte, auf deren Zügen, man darf wol sagen, ein würdiger Schmerz lag, hielt den Leichnam in ihrem Schooss; die Luft ertönte von den Klagelauten der Weiber und der Männer, die sich theils um das Lager drängten, theils um die Hütte herumtanzten. Bei Allen war der Oberleib entblösst, Einige krochen auf allen Vieren im Staube umher oder wälzten sich auf der Erde; auch der alte Mambuku von Nsonyo, der höchste Würdenträger der Gegend, war zugegen und tanzte in langsamer Bewegung, mitigbebender Stimme Gesänge recitirend. Trotz alles Schreiens und Heulens, trotz der grotesken Bilder im Einzelnen, hatte das Ganze den Stempel einer tiefen und ernsten Trauer: Freilich musste ein Jeder der Anklage auf Zauberei und Verschulden des Todesfalles gewärtig sein, und die Furcht davor zitterte unheimlich durch die Klagegesänge hindurch. Als- ich am folgenden Tage den Blick von der Station aus zum Strande von Yenga lenkte, verloschen gerade die Flammen des Scheiterhaufens, auf dem die Reste des ersten von der Volks- wuth gerichteten Opfers verkohlten. Die schädlichen Einflüsse des Klimas auf die Gesundheit machten sich während der Monate Februar, März, April bei Schwarzen wie bei Weissen geltend; von letzteren wurden mehrere hingerafft, die bereits acht Jahre und länger an der Küste heimisch waren. Auch die Mitglieder der Expedition litten. Es gab Perioden, die etwas Unheimliches hatten, wo des Tages eine schwüle Hitze bei Landwind und regnerischem Himmel herrschte, des Nachts Gewitter entfesselt wurden, die alle Bande der Natur zu sprengen drohten, wo der Tod unhörbar seine Schwingen entfaltete, wo Niemand wissen konnte, wann sich die Hand des unsichtbar dahinziehenden Würgengels auf ihn legen würde. Wenn das, was ich bis dahin in Africa hatte erleben müssen, mit psychologischer Nothwendigkeit zu pessimistischen Anschauungen trieb, so war die Gegenwart ganz dazu an- gethan, dieselben zu rechtfertigen. Die folgende Auseinandersetzung wird es beweisen. Wie die Dinge lagen, hatte sich Alles auf die Trägerfrage zugespitzt. Die Frage war nicht mehr nach der Tüchtigkeit und Ausdauer des Reisenden, sondern nach der Tüchtigkeit und Ausdauer der Träger; wenn letztere tapfer, treu und stark waren, so konnte auch der mittelmässige Reisende mehr erreichen als der erfahrenste Forscher. Ich sah mich einer Sache gegenüber verantwortlich, deren Fäden nicht in meiner Hand zusammenliefen; zu ändern war daran Nichts mehr, es war eben ein Geschick wie andere Geschicke, die unser Lehen beherrschen. Im Januar 1875 traf die erste, im Februar die zweite Hälfte der Benguellaträger ein, achtzig Männer und zwanzig Weiber. Das Material war kein schlechtes; die Leute sahen zwar zum grösseren Theile elend aus, es schien dies aber nur Folge knapper Nahrung und der Unbilden der Seereise zu sein, und es liess sich erwarten, dass aufmerksame Pflege diese Schäden bald heilen würde. Freilich konnte man nicht wissen, wie viel Zeit dafür erforderlich war, denn nicht nur der körperliche, sondern auch der geistige Zustand der Leute bedurfte der Pflege. Der grösste Theil der Träger kam direct aus den heimatlichen Dörfern und hatte kaum je einen Weissen erblickt; das dumpfe Staunen, mit dem sie das unverständliche Treiben ihrer neuen Herren betrachteten/konnte sich nicht mit einem Schlage in Zutrauen verwandeln, und dadurch wurde ein Aufschub verlangt, der nach anderer Richtung hin äusserst schädlich wirkte. Die plötzliche Verpflanzung aus der Heimat auf fremden Boden raffte zunächst diejenigen fort, deren physische Widerstandskraft der klimatischen Aenderung nicht gewachsen war, oder die nicht genug Elasticität besassen, um sich der veränderten Lebensart anzupassen. Es scheint, als ob viele Neger ein sehr geringes klimatisches Accom- modationsvermögen besitzen und einen,- selbst auf die Tropen ihres Continents beschränkten Ortswechsel schwerer empfinden als der Europäer. Sie sterben entweder nach kurzer Krankheit oder siechen langsam hin. In dem gegebenen Falle Hessen sich diese Einflüsse durch sorgfältige Behandlung abschwächen, und reichliche Kost, mässige Arbeit und Ueberwachung durch den Arzt richteten viel aus. Schwieriger aber war es, die neuen Ankömmlinge von der Berührung mit
27f 32-1
To see the actual publication please follow the link above