küste aus. Man durfte nicht erwarten, dass ein einziger Mann oder eine einzige Expedition das Problem zum Abschluss bringen würde, und deshalb erschien es nothwendig dafür Sorge zu tragen, dass einer auf lange Jahre berechneten, systematischen Forschung auch die Mittel zur Verfügung ständen. Es war Dr. Bastian, damals Vorsitzender der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, welcher diese Idee zuerst aussprach und sofort Schritte zu ihrer Verwirklichung that. Seinem genialen Blick, der erkannt hatte, wo die brennende Frage der Geographie lag, gesellte sich der moralische Muth bei, der dazu gehört, mit einem kühnen, sogenannter praktischer Ziele völlig baren Plane vor die Oeffentlich- keit zu treten und ihre Unterstützung zu fordern. Aber er hatte seine ¿eit gut gewählt, wenn er das Project zu einem nationalen stempelte und darauf hin wies, dass ein grosses Land auch grosse Pflichten habe und sich seiner culturhistorischen Aufgabe' bewusst bleiben müsse. Denn das Deutsche Reich war so eben neu begründet, alle seine Angehörigen standen unter dem Zauber der aus siegreichen Schlachten hervorgegangenen Herrlichkeit; Handel und Wandel schienen mächtig aufzublühen, der Strom des Reichthums, der sich über das Land ergoss, nimmer versiechen zu wollen. Als daher Bastian im Jahre 1872 zum ersten Male seinen Heroldruf in der November Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin ertönen liess, fand er um so willigeres Gehör, als er sogleich mit einem ganz bestimmten Programm hervortrat. Die Bewegung verbreitete sich rasch nach aussen hin und wurde überall sympathisch, stellenweis sogar enthusiastisch aufgenommen. In erster Linie wandte S. M. der Kaiser und König* dem Unternehmen Seine Gnade zu, die dasselbe nie verliess und sich immer von Neuem durch Gewährung* der namhaftesten Summen kund gab. Die Prinzen des Hohenzollernschen Hauses folgten dem Beispiele des Königs, viele Deutsche Fürsten dem Beispiele des Kaisers; sämmtliche geographische Vereine Deutschlands erklärten sich für die Sache, eine wahrhaft imponirende Anzahl Privater aus der Gelehrten-, der militärischen, der Beamten- und kaufmännischen Welt that dasselbe, und in kürzester Frist war so viel Geld beisammen, dass eine erste Expedition völlig gesichert schien. Gerade zu dieser Zeit war ich in Berlin damit beschäftigt, die durch die Kriegszeit unterbrochenen Vorbereitungen für eine grössere Reise zu vollenden. Dr. Bastian, der meine Explorationsideen kannte und mit Wärme unterstützte, hatte jederzeit auf West- africa als den fruchtbarsten * Roden für geographische Thätigkeit hingewiesen, und ich war entschlossen, eine Reise dorthin zu unternehmen, das Gebiet zwischen dem Aequator und der Congo-Mündung ist speciell die Loangoküste — zu exploriren und die Möglichkeit eines weiteren Vordringens zu prüfen, eventuell zu benutzen. Da trat Bastian mit seinem grossen Plan der systematischen Erforschung Aequatorial-Africas hervor, und seine zündende Beredtsamkeit wusste es mir als das höhere Ziel hinzustellen, eine unbeachtete, aber unabhängige Stellung aufzugeben und in den Dienst der grösseren, von Kaiser und Reich gestützten Sache zu treten. So übernahm ich die Führung der ersten auszusendenden Expedition. Als meine Auftraggeber hatte ich die „Deutsche Gesellschaft zur Erforschung Aequatorial-Africas“ anzusehen. Diese Gesellschaft wurde durch Bastian unter Mitwirkung der sämmtlichen geographischen Vereine Deutschlands im April 1873 in’s Leben gerufen und war fortan das berufene Organ für die deutschen Forschungsbestrebungen auf africanischem Boden. Ihrer Verwaltung wurden alle gezeichneten Summen übergeben, von ihrem Ermessen hieng die Auswahl der Reisenden in Europa, die Bestimmung der für dieselben gültigen Di- rectiven in Africa ab. Ihre Macht war ein zweischneidiges Schwert: auf der einen Seite die bedeutenden Geldmittel, durch die sie ihren Sendlingen ein thatkräftiges Handeln ermöglichte, auf der anderen die discretionäre Gewalt diesen gegenüber. Die Reisenden — in dem Bewusstsein, dass das Band, an dem sie flatterten, zwar lang sei, aber jederzeit straff angezogen werden könne — mussten nothwendiger Weise jene Unbefangenheit einbüssen, deren man bedarf, um jeden sich darbietenden Vortheil frisch wahrzunehmen; denn der schlimmste Feind aller Unternehmungslust ist das Gefühl der Verantwortlichkeit. Dasselbe wirkt doppelt bedrückend, wenn man bedenkt, dass eine Verständigung. mit der fern vom Forschungsgebiet existirenden Oberleitung den Zeitaufwand vieler Monate erfordert, dass in diesem langen Intervall die Thatsachen, die der Verständigung zu Grunde lagen, längst hinfällig geworden, dass die aus der Heimat eintreffenden Instructionen durch die rollende Zeit längst überholt sind, und dass dem Reisenden nur die Wahl bleibt, ob er von seiner Sachkenntniss oder von seinem Pflichtgefühl die bessere Ueberzeugung opfern will. An diesem Uebel kranken alle aus öffentlichen Mitteln zusammengebrachten Expeditionen in ferne Länder; es ist in der Natur der Sache begründet und darf daher constatirt werden, ohne dass damit der geringste Tadel ausgesprochen wird. Im Gegentheil ist es durch das ver
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