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eine frische Brise machten nun den Weg angenehm, ja die Aussicht gestaltete sich entzückend schön, als ich am Rande des steil zum Nyangathal abfallenden Hanges hinschritt; der Blick schweifte über herrliche, blaue Gebirge, und zu meinen Füssen lag die breite Sohle des Nyangathales mit einigen in Bananengebüsch eingebetteten Dörfern und dem aus unbekannter Ferne herkommenden Strom. Ich stieg in’s Thal hinunter, passirte das grosse Dorf Fuerra und stand nach einer halben Stunde am rechten Nyangaufer, dessen Nähe durch aufgerichtete Kalksteinfelsen angezeigt war. Zwei schmale Bänder üppiger Uferwaldung laufen längs des Wassers hin, während der Rest des Bodens mit Gräsern bestanden ist. Vergeblich ertönten unsere Rufe, um einen Fährmann für das auf der ändern Seite liegende Canoe herbeizulocken, und wir schlugen deshalb ein Bivouac am Ufer auf. Am folgenden Morgen konnte der Uebergang bewerk-. stelligt werden; der Fluss zeigte starke Strömung, Felsen fanden sich nicht; der Grund ist schlammig, das Wasser selbst aber sehr klar. Nach einer Stunde war Kassotsche erreicht, und ich beschloss trotz sehr empfindlicher Mattigkeit den Weg nach Likungu fortzusetzen. Von Neuem traten wir in den grossen Wald ein, erstiegen den Mongo Sahi und erreichten so wiederum das Regengebiet. Der Weg wurde schlüpfrig, von den Bäumen tropfte das Wasser, ein durchsichtiger Nebel erfüllte' den Wald: das Ganze war unendlich melancholisch und ernst. Die zweite Höhe, der bereits genannte Mongo Divumba, wurde gegen Abend erreicht, und nun begann der ungewöhnlich steile Abstieg auf dem glatten, mit Wurzeln und feuchten Blättern übersäten Lehmboden. Meine Crumanos keuchten unter ihrer Last; langsam kam die Nacht herbei, wir passirten mit dem verschwindenden Tageslicht zwei Bäche, dann wurde es so dunkel, dass man den Weg nicht mehr sehen, nur noch fühlen konnte. Hell strahlende Leuchtkäfer flogen hin und her durch den Wald, oder leuchteten am Grunde des Bodens, aber den Pfad konnten sie doch nicht erhellen, und so liess die Dunkelheit den Weg unendlich lang erscheinen. Noch mussten mehrere in den Boden tjef eingeschnittene Bäche passirt werden. Das Herabkriechen auf dem fast senkrecht abfallenden Lehm, das Durchwaten des über dem Schuhzeug zusammenschlagenden Wassers, das mühsame Hinaufklettern auf der ändern Seite bei stockdunkler Nacht, einem knurrenden Magen und erschöpften Körper war eine böse Arbeit. Aber wir erreichten dennoch Likungu, wo ich die belebende "Voltliat eines flackernden Feuers lebhafter empfand als je zuvor. Bald brach der Regen los und währte den ganzen Tag und die ganze Nacht. Am Morgen des dritten October trat eine Pause ein und ich setzte mich nach Mongo Nyanga in Marsch; unterwegs betrachtete ich die Baumfarne noch einmal genau. Nach einer Rast im Dorfe Muyabi hatte neuer Regen eingesetzt; die Wege waren nun so schlüpfrig geworden, dass steile Anstiege nur durch Hinaufziehen an den Baumstämmen mit den Händen bewerkstelligt werden konnten. Dadurch gieng viel Zeit verloren, und wir waren noch mehrere Stunden von Mongo Nyanga entfernt, als die schwarze Nacht uns umhüllte. Ich zog es vor, tastend voranzuschleichen als mit den nassen Kleidern auf nassem Boden die Nacht zu verbringen. Der Crumano, dem ich eine Fackel übergeben hatte, war in irgend einem geschützten Winkel des Waldes zurückgeblieben; schliesslich befreiten uns einige Stückchen Kerze, die ich bei mir trug, aus der Noth, und um neun Uhr Abends erreichten wir das Handels-Tschimbek Mongo Nyanga. Vier Tage lang sah ich dem dicht herniederfallenden Regen zu, der die Wasser des Nyanga bereits sichtbar zu schwellen begann. Ebenso lange schwankte ich über den weiteren Verlauf der, Reise. Mit Dankbarkeit durfte ich freilich darauf zurückblicken, dass meine Kräfte sich den Anforderungen der eben vollendeten Wanderung gewachsen gezeigt hatten, aber dennoch schien jetzt eine Unterbrechung aus drei Gründen geboten: den einen lieferte die Natur selbst durch die ungewöhnliche Heftigkeit, mit der die Regenperiode sich erklärt hatte; das Reisen erhielt dadurch .neue Schwierigkeiten in sofern, als viele Bäche unpassirbar wurden, desgleichen auch viele Wege, die nun durch Moräste führten, .und unter der mit erneuter Kraft aufschiessenden Vegetation verschwanden. Einen zweiten Grund musste ich in mir selbst suchen. Mein Zustand verlangte Ruhe; die allgemeine Erschöpfung war zu gross, und sollte das Leben der letzten Monate dennoch fortgesetzt werden, so musste es bald jenen Abschluss finden, an den sich überhaupt Nichts mehr anknüpfen lässt. Dies erschien z(t; früh für die Ueberlegung, dass die weitergehenden Pläne der Expedition ja erst jetzt in ein aussichtsreicheres Stadium treten sollten; dennxdie letzten principiellen Hindernisse für die Beschaffung von hundert Trägern aus dem fernen Benguella schienen nun beseitigt; gerade in Mongo Nyanga fand ich nachgesandte Briefe vor, aus denen hervorgieng, dass die portugiesische Regierung ihre Einwilligung zur Uebersiedelung von hundert ihren Colonieen ange- hörigen Negern ertheilt und die nöthigen Instructionen an den Generalgouverneur in Säo Paulo de Loanda ausgefertigt habe. Die Rücksicht auf diese frohe Botschaft lieferte den dritten Grund für das Aufgeben der Reise zum Sette Kamasflusse. Derselbe konnte in


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