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Regengrenze war haarscharf, so dass sich der Uebergang deutlich markirte. Es bestätigte sich, dass während die Gegend von Mongo Nyanga schon wochenlang mit Niederschlägen bedacht war, die Plateaustufe von Kassotsche noch unter der Herrschaft einer absoluten Dürre stand. Die Erklärung liegt nahe, weil die waldbewachsenen Hänge die von der Rüste kommenden, aufsteigenden feuchten Winde so weit abkühlen, dass Regen die Folge ist, und die eines Theiles ihrer Feuchtigkeit beraubte Luft jenseits des Waldgebirges keine Niederschläge mehr veranlasst. Ist man vier Stunden im eigentlichen Hochwalde gewandert, so werden Palmen häufiger und häufiger. Plötzlich tritt man in die offene, hügelige Landschaft ein, in die eigentliche Savanenregion. Auf dem anderthalbstündigen Wege, der uns noch von Kassotsche trennte, entwickelten sich nach und nach blau schimmernde Bergketten, mit denen das tiefer im Innern gelegene Land einen freundlichen Gruss herübersandte. Hier leuchtete auch wieder die Sonne, die ich jenseits der Küstenberg'e zu schauen fast verlernt hatte. Kassotsche ist Nichts als ein vorgeschobener Handelsposten Don Vincentes, wie es deren bei den Grenzbayaka noch drei andere giebt: Rande, Lubanya und Intinde. Die Händler pflegen Mulatten zu sein, doch waren jetzt zwei Weisse anwesend, die mit dem Europäer freilich kaum mehr als die Hautfarbe gemein hatten; Leute, die sich so weit vorwagen, weil sie Nichts zu verlieren haben und die ein halb wildes, halb kindisches Leben führen. Seit anderthalb Jahren hatte es in diesen Gegenden so gut wie gar nicht geregnet; erst jetzt, während meiner Reise fielen die ersten Schauer. Die Bevölkerung war ausgehungert'und litt stark unter den von der Küste eingeschleppten Sandflöhen. Nahrungsmittel (Bananen und Hühner) befanden sich nur noch im Besitz Weniger und konnten nur mit Schwierigkeit erlangt werden. Oft sah ich mich in der bittersten Verlegenheit, auch nur für meine vier Leute das Nothdürftigste zu beschaffen, und litt selbst nicht minder vom Hunger. Die kürzeste Entfernung des Nyanga von Kassotsche beträgt nur eine halbe Stunde. Ich blieb zunächst auf der linken Flussseite und steuerte auf einen weithin sichtbaren Berg los, der sich in einer Tagereise erreichen liess; er heisst Mongo Sanga, an seinem Fusse liegt Rande. Dort wohnte der Mulatte Mauricio unter Negern und mit Negern. Der Weg führte ausschliesslich durch Campinen (Grasfluren), in welche knorrige Sträucher, theilweise auch Bäume eingestreut sind; nur längs der Wasserläufe findet sich Wald. Bei der Annäherung an das Dorf steigt man in das Thal des Nusekossi hinab, eines linken Nebenflusses des Nyanga. Man wird hier durch den Anblick coulissenartig aufge- richteter Kalksteinplatten überrascht, welche den Flusslauf anzeigen. Die kolossalste dieser Erhebungen gleicht frappant einer zerstörten Ritterburg, eine andere Stelle einem Friedhof, so sehr ähneln daselbst die Kalkplatten aufgesetzten Leichensteinen. Der hohe Sanga- berg scheint auch aus Versteinerungen führendem Kalkstein zu bestehen; man meldete mir als ein besonderes Wunder, dass sich auf der Spitze Muscheln befänden; das genügte, den Sitz eines Fetischs dorthin zu verlegen und mich auf dem Wege dahin durch ein Palaver aufzuhalten. In dem Dorfe des Bayakahäuptlings, der sich die Herrschaft' über den Berg anmasste, wurde mir die Passage verlegt, damit diesem trefflichen Manne und dem ihm ebenbürtigen Mulatten Mauricio Zeit bliebe, mir das Wenige abzunehmen, was ich besass. Ich hatte die Besteigung lediglich der Aussicht und Orientirung wegen unternehmen wollen, weil Mauricio mir gesagt hatte, dass die Spitze unbewaldet sei, fand den Berg aber über und über bewaldet und kehrte ohne Reue um. Noch am Nachmittag des sechsundzwanzigsten September zog ich weiter und hoffte das andere Flussufer und die Handelsstation Lubanya erreichen zu können. Nach dreiviertelstündiger Thalwanderung durch die interessanten Kalksteingebilde am Nusekossi kamen wir nach Mamanya de'Boma am linken Nyangaufer, fanden aber kein Canoe zum Uebersetzen vor, obgleich Mauricio fest das Gegen- theil versichert hatte. Nach stundenlanger Abwesenheit kehrte der ausgesandte Bote mit der Meldung zurück, dass am nächsten Morgen ein Canoe erscheinen werde. Da wir gar Nichts mehr zu essen hatten, schickte ich nach Rande zu dem Mulatten, um mir einige Bananen auszubitten. Der Bote kam überhaupt nicht mehr zurück; die Leute im Dorfe wollten uns Nichts verkaufen, also hungerten wir und tranken Thee. Am ändern Morgen erschien in der That ein Canoe, und ohne viel Redens mussten die drei Crumanos mit den Lasten überr setzen; als ich nach der Rückkehr des Fahrzeuges mit meinem Diener einsteigen wollte, erhob der Fährmann grossen Streit wegen der Bezahlung, die ich erst in Lubanya leisten konnte. Dies bewirkte eine Zusammenrottung herbeigeeilter Bayaka: Um die Sache kurz abzuschneiden, hatte ich meinen Diener Congo in’s Canoe steigen lassen und war eben im Begriff, das Fahrzeug selbst flott zu machen, als der Bayakahäupt- ling mit einem Zettel von seinem Freunde Mauricio erschien, worin ich gebeten wurde, umzukehren, da der Besteigung des Mongo Sanga nun Nichts mehr im Wege stünde; aber nicht eine Banane 'schickte mir der verrätherische Gastfreund. Ich wies den Vorschlag ab, schickte


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