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194 Ausmarsch von Mongo Nyanga. Nur drei Träger. Wald am Kuilu, auch nicht so durchsichtig, im Allgemeinen sogar undurchdringlich, und nur in einzelnen Theilen mit lichtem Unterholz bestanden. Die Wege sind wurzelreich und bei Regen sehr schlüpfrig, in dieser Beziehung findet also kein Unterschied gegen die Kuilugegenden statt. Die Nähe eines jeden Dorfes wird durch ausgedehnte Bananenbestände angezeigt, während man Maniok- culturen oft in meilenweitem Umkreise vergeblich sucht. Die Eingeborenen haben eine grosse Furcht vor den Gorillas; sie meiden ängstlich einen Berg, den Mongo Tschikössu in der Nähe der Nyanga- Katarakten, der wegen des angeblich zahlreichen Auftretens dieser Thiere verrufen ist. Während meines Aufenthaltes in Mongo Nyanga hatten wir fast täglich heftigen Regen auszuhalten, ohne dass der Himmel sich in den Zwischenzeiten aufgeklärt hätte, und jdas war für den Marsch, den ich am zweiundzwanzigsten September antrat, ein böses Omen. Meine. Begleitung bestand aus vier Schwarzen, den drei Crumanqs Vincentes und meinem jungen, ebenso intelligenten wie durchtriebenen Diener Congo aus dem Dorfe der sogenannten schwarzen Juden (Bavumbu) bei Tschintschotscho. Der Bursche konnte .Alles: er war Koch, Wäscher, Dolmetscher und Kammerdiener zugleich, ein sehr brauchbares Factotum! Aus den mitgenommenen Sachen wurden drei Lasten in der Weise formirt, dass das Bett die eine, ein Blechkasten mit Wäsche, Kleidungsstücken, dem Sextanten etc. die andere und eine Muteta mit Provisionen und Kochgeräthschaften die dritte ausmachte. Als einzige Waffe diente eine Büchsflinte. Ziel der Reise war das eigentliche Bayakaland, und um dorthin zu gelangen, hatte ich den Nyangafluss zu verlassen und ihn später nach Ueberschrei- tung zweier hoher Berge wieder zu erreichen. Die Karte giebt Auskunft über die eingeschlagene Richtung und deutet die Natur des Terrains an. Ich bemerke ausdrücklich, dass ihr keine astronomischen Ortsbestimmungen zu Grunde liegen, dass sie aber trotzdem auf ihre Zuverlässigkeit geprüft ist. Die Route machte nämlich eine Schleife, und ausserdem wurde der erste Theil in beiden Richtungen zurückgelegt, aufgenommen, construirt und beide Zeichnungen nahezu übereinstimmend gefunden. Dem Mass- stab sind erfahrungsmässig erhaltene Zahlen zu Grunde gelegt; im Durchschnitt kommen bei mir hundert Schritt auf die Minute, der Werth eines Schrittes ist 0,73 m bis 0,75 m. Von den Crumanos kannten zwei den Weg nach Kassotsche, aber für die Entfernung liess sich vorher kein Anhalt gewinnen. Mitten im Walde, wie sich herausstellte zehn Wegstunden entfernt, wohnte ein Halbmulatte Vegetation der Waldrodungen. Baumfarne. in (Vater Mulatte, Mutter Schwarze),'der für Vincente Handel trieb. Die Stelle heisst Likungu, und diese suchte ich am ersten Marschtage zu erreichen. Die Träger machten mir diesmal keine Noth. Drei Leute kann man schon vorwärts bringen, zumal wenn sie so in der Furcht des Herrn aufgewachsen sind wie Crumanos von Don Vincente. Das Terrain zeigte sich, wie zu erwarten war, coupirt, da linke Neben- thäler des Nyanga durchschnitten werden mussten. Der höchste Rücken, von dem aus man zum Likungubach hinuntersteigt, erhob sich zweihundertsechszig Meter. Noch auf der ersten Hälfte des Weges passirt man die drei kleinen Balumbudörfer Mukungu, Mu- lando, Muyabi, dann trifft man keine Wohnstätte mehr, bis dicht vor dem Handels-Tschimbek Likungu, wo die Dörfer Impile und Punga sich durch eine Lichtung verrathen. Weit und breit ist das Gebiet waldig, der Wald aber nicht immer von derselben Beschaffenheit; wenn auch grösstentheils der Hochwald mit mehr oder weniger dichtem Unterholz und grossblätterigen Schattengewächsen die Herrschaft behauptet, so giebt es doch Stellen, namentlich in den feuchten Thalsohlen, oder künstlich geschaffene, längst wieder sich selbst überlassene Rodungen, wo eine üppige, phantastische Vegetation die Scenerie vollständig verändert: Dort sieht man in wildem Durcheinander Palmen, Bananen, Schlinggewächse, blütenübergossene Kräuter, Canna indica und eine zu baumartiger Höhe entwickelte, gesellig auftretende Scitaminee. Wenn der ernste, schöne Hochwald uns durch seine Ruhe imposant entgegentritt, so äussert sich in diesen eingesprengten Inseln einer anders gestalteten Vegetation die unge- bändigte Fülle tropischer Lebenskraft, eine solche Begierde zur Existenz, dass der Faden der Gesetzmässigkeit zerreisst, und die Sinne sich verwirren. Die grösste Ueberraschung wurde mir zu Theil, als ich von der Höhe hinunter steigend, die wassererfüllte, morastige Thalsohle des enggeschnittenen Likungubaches betrat und eine lang hingezogene Gruppe von Baumfarnen erblickte. Die Höhe der Stämme wechselte von drei bis zu fünf Meter. Nur an dieser einen, etwa siebzig Meter über dem Meere gelegenen Stelle des Thaies beobachtete ich Baumfarne und weder vorher noch nachher habe ich jemals ihr Auftreten constatiren können, während Farnkräuter allgemein verbreitet sind. Obwol wir den ganzen Tag über schnell marschirt waren, erreichten wir unser Ziel nicht rechtzeitig und wurden von der Nacht überfallen. Eine der so häufigen, ausserordentlich giftigen Schlangen (Vipera rhinoceros) kroch in der Dämmerung gerade über den Weg und verursachte bei meinen Leuten qinen lauten Aufschrei des


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