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176 Rückzug. Mein alter Freund Mani Mbandschi. er verpflichtet sei, jeden Träger zu bestrafen, der nicht seine Last trüge, wie der Weisse es verlange. Der Rückzug begann am vierzehnten Juli auf der linken Seite des Flusses. Der Weg führt lange auf der Höhe parallel dem Kuilu, bis er sich nach etwa anderthalb Stunden mit demjenigen vereinigt, den ich auf meiner ersten Reise eingeschlagen hatte. Der Ausblick auf die Landschaft und ihre kuppigen Höhen ist herrlich. Den Fluss sieht man mehrere hundert Fuss tiefer, eingefasst von dem schwarzen, schieferigen Gestein, das der niedrige Wasserstand freigelegt hat. Der Weg wurde bald sehr schlecht, denn wir kamen von Neuem in das Terrain, welches durch tief eingeschnittene Schluchten ausgezeichnet ist. Bei einem Rastplatze im Walde wollten die Tschitabe- Träger bereits nicht mehr weiter gehen und drohten mit Umkehr. Ich konnte nicht bleiben, weil Lindner in unverbesserlicher Gewohnheit mit einem Theil der Leute vorausgeeilt war, und drang energisch auf Weitermarsch. Gegen Abend erreichte ich, diesmal freilich von der entgegengesetzten Seite aus, den altbekannten Zollzaun des Mani Mbandschi. Lindner, der lange vor mir angelangt war, erzählte mir, dass ihm anfänglich Schwierigkeiten bereitet worden seien, als Mani Mbandschi aber gehört habe, dass die Expedition des ihm bekannten Weissen komme, gab er sogleich Befehl, das Thor frei zu machen, und bald darauf sah ich mich in dem grossen Dorfe Mbuku Sunge wie einen erwarteten Gast empfangen. Dem Mani Mbandschi liess ich bei der Begrüssung sagen, dass ich ihn zum zweiten Male besuchte, weil er'sich das erste Mal gut betragen hätte. Darauf erwiderte er, zwei grössere Freunde als uns Beide gäbe es nicht, und forderte auf Grund dieser Freundschaft statt der gebotenen fünf Stück Zeug deren sechs und ausserdem noch ein Camisol und eine Mütze. Im Uebrigen aber zeigte er sich väterlich sorgsam und haftete freiwillig dafür, dass Nichts von meinen Sachen gestohlen würde; auch brachte er Ziegen, Hühner, Maniok und zerriebene Erdnuss, und bat, dass wir doch den ganzen folgenden Tag bei ihm bleiben möchten. Der fünfzehnte Juli war der letzte eigentliche Marschtag; er gestaltete sich zu dem anstrengendsten von allen und war jedenfalls zu lang im Hinblick auf die Lasten. Nur die Aussicht auf den Rum im Handels-Tschimbek von Kakamueka trieb die Leute vorwärts. Ich blieb elf Stunden auf den Beinen, ohne etwas Anderes zu gemessen, als zwei Colanüsse und einen Becher Palmwein. Da wo meine Neger ruhten, fiel mir die Arbeit zu, sie weiter zu treiben. Die ersten Aufenthalts»machten sie, um Maniok in der Nähe, passirter Dörfer zu kaufen', später in der Absicht, an dem betreffenden Orte die Nacht zuzubringen. In dem letzten Dorfe (es war vier Uhr geworden) musste ich drei Viertelstunden bleiben, weil ein Theil der Bavili und sämmtliche Bakunya das Weitergehen hartnäckig verweigerten; da aber ein anderer Theil mit Lindner, den Betten und dem Kochgeschirr weit vorausgeeilt war, so musste der Vortrab nothwendiger Weise eingeholt werden. Bei der allgemeinen Erschöpfung der Mannschaften (ein Theil blieb schliesslich doch noch liegen) näherten wir uns nur langsam dem Ziele, denn die letzte Strecke verlangte sogar noch das Uebersteigen eines zweihundert Meter hohen Berges. Die Dämmerung brach schon herein, als eine Lichtung im Walde sich aufthat, und wir ein grosses Dorf erblickten; aber kein Feuer leuchtete uns entgegen, kein fröhliches Lärmen erreichte unser Ohr, je näher wir kamen, desto unheimlicher wurde Allen zu Muth. Das einst blühende Dorf lag verlassen da, dem Untergange geweiht; noch standen die Hütten, etwa fünfzig an der Zahl, aber dem Einsturz bereits nahe; hier und da neigte sich eine Wand zur Erde, dort lag eine am Boden, die Feuerbrände mit den verkohlten Stämmen waren längst erloschen, die Scherben zerbrochener Kochtöpfe umhergestreut. Welch traurige Stätte, und wie sehr erinnerte sie an das, was die deutschen Avantgarden im September 1870 im Umkreise von Paris sahen: dort die GeiSsel des Krieges, hier die Geissel der Blattern, in beiden Fällen jähe Flucht vor hereinbrechendem Unglück. Hat das Glück denn nirgends eine Stätte in dieser weiten Welt? Die Nacht kam, den Wald erfüllte dichte Finsterniss, die Füsse, von Sandflöhen stark zerfressen, hatten doppelt zu leiden, weibsie überall anstiessen. Bei dem Schein von Fackeln wurde die letzte Wegstrecke zurückgelegt, und zu später Stunde betrat ich das altbekannte Standquartier am Kuilu wieder, unmuthig und enttäuscht. Ich musste einen Tag in Kakamueka bleiben, um Canoes zu erhalten. Es ist unglaublich zu sagen, dass sechs der entlaufenen Bayombeträger unter dem Schutze ihres Dorfherrn, des Mani Luemba von Sekossi erschienen, um sich ihren Trägerlohn auszahlen zu lassen. Sie wurden gebührend abgewiesen. Mit Mani Mampaku, dem unternehmenden Handelslingster von Kakamueka, traf ich ernstliche Abrede, üm ihn in meine Dienste zu nehmen; er blieb nunmehr meine einzige Hoffnung für irgend neue Operationen von Mayombe aus und versprach mein Dolmetscher zu werden, sobald eine Expedition mit den Benguellaträgern möglich wäre. Die Flussfahrt thalwärts erforderte vierzehn Stunden, denn unser Canoe war so beladen, dass vorn nur vier, hinten zwei Ruderer Platz - L o a n g o . I .


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