Page 95

27f 124

lechie ift es nicht angängig, von niederen oder höheren K u ltu rk räften zu fprechen. Wohl aber ift es möglich, in ihrer Auswirkun g einen Aufftieg fich immer k om p lizie rte r entw ickeln d e r Formen zu erkennen. Hierin ift die Kultur, das Paideuma, homolog mit allen Erfcheinungen der Umwelt verbunden, was aber in feiner Eigenart der Organität beruht. Es ift alfo fehr wohl angebracht, an diefer Stelle zur Gewinnung eines Urteils Beifpiele aus der Umwelt zu wählen. Wir wiffen heute den Zufammenhang von Keimblatt und Blütenftil, Gefchlechtsorgan und Blattbildung überhaupt. — Nim frage ich: ift eine Blüte in der Natur denkbar oder fchön ohne die zugehörigen Blatt-, Stengel- oder Wurzelteile? Wer will es wagen, von niederen und höheren Organen in diefem Sinne zu fprechen? Ich überlafTe es jedem Einzelnen, diefen Gedankengang weiter fortzufetzen. Aus der Vereinigung tellurifcher und chthonifcher Kulturen lind fogenannte höhere Formen hervorgegangen. Eis hat eine Zeit gegeben, in der die Pflanze Paideuma, uns heute unendlich koftbar und herrlich erfcheinende Knofpen gezeitigt hat. Es ift die Periode, die ich feinerzeit als „Zeitalter des Sonnengottes“ bezeichnet habe. Oswald Spengler nennt acht diefer Blüten und bezeichnet fie mit Namen (Untergang des Abendlandes Bd. II S. 42— 54). Das war die Periode einer herrlichen, wundervollen — nämlich wirklich von Wundern angefüllten erften Blütezeit des Paideumas. Es ift hier nicht unfere Aufgabe, feftzuftellen, wann und wo die Herrlichkeit herftrahlte, auch nicht die, zu erklären, weshalb dies nur dort und nicht anderswo, nur in diefem Zeitpunkt und in keinem ändern vor fich gehen konnte. — Wir werden im III. Teil nur an einem Beifpiel das eine oder andere hierzu zu lagen haben, — an fich muß ich mich hier mit diefen Hinweifen begnügen, um das zu betonen, was für die hier in Frage ftehenden Vorgänge im Kulturleben Afrikas von Bedeutung, ja von Entfcheidung ift. Von dem letzten Verblühen diefer uns heute fo unendlich großartig erfcheinenden Kultur wiffen wir nichts. Wohl aber läßt fich — um bei unferem Bild der Pflanze zu bleiben — die ELrfcheinung nach weifen, daß die Wunderpflanze Hochkultur, als fie in breitem Gürtel über die Erde lieh ausbreitete, auf diefem Boden in mehreren Blüten prangte, im übrigen aber die Gebiete feitwärts ihres Weges mit einem Netz von kriechenden Rhizomen überzog und fo eine ganz beftimmt begrenzte Pflanzendecke fchuf, die reich an Blattwerk war, aber unfähig zu fruchtfchwangerer Blüte. Diefes find die Kulturfchichten, die ich im I.Teil fchon nannte (zwei erythräifche, die fyrtifche und die atlantifche, wozu noch die im letzten Teil zu erörternde alt-erythrä- ifche kommt). Die Frage, die fich hier vor allem aufdrängt und deren Beantwortung ganz allein nur einen Einblick in die myftifchen Vorgänge afrikanifcher Kulturbildung (wie, um Kleines mit Großem zu vergleichen, aller jüngeren Kulturbildungen überhaupt) 80 T E L L U R IS CH -ÄT H I O P IS CH E K U L T U R SYM P T OM E IN D E R A R C H IT E K T U R gewährt, ift, welche Wefenszüge diefe rhizomartig lieh über Afrika ausdehnende Kulturdecke vor allem in den teUurifch-patriarchalifchen Kulturgebieten zeigt. Um diefe Angelegenheit in ihrer ganzen Tiefe zu erfaffen, werden beftimmte, klar umfehriebene Beifpiele anzuführen fein. Der Stoff fordert deren drei. 1 . B E I S P I E L D IE H AM IT IS CH -CH TH O N IS CH E A R CH IT E K T U R (Hierzu besonders Tafeln 37 ff) Oben wurde fchon darauf hingewiefen, daß der hamitifche Wohnbau aus der Erde her- auswächft. Die hamitifche Kultur hat als älteftes nachweisbares Nachtlager die einfache Mulde, die dem Körper im Erdboden angepaßt wird. Die Kochlitten fuhren zurück auf den Erdofen, d. h. in einer Höhlung des Erdbodens werden erft heiße Steine erhitzt, in die Steinglut kommt der Braten, das Ganze wird mit Erde gefchloffen, bis das Gericht gar ift. Der hamitifche Speicher ift die Erdgrube. Die Verbreitung der Silos zeigt das. Endlich ift aber auch die menfchliche Behaufung troglodytenhaftem Wefen durchaus nicht fo fehr fern. Hierfür einige Beifpiele. Daß die Kanarier, die gemilchten Nachkommen der alten Guanchen, heute noch in künftlichen Höhlen wohnen, weiß jeder Befucher von Las Palmas. Viel weniger bekannt ift die Tatfache, daß auch die meiften Berber- und Kabylenftämme Marokkos, Algeriens und Tunefiens iolche Höhlen wohnungen befitzen. Für die Verbreitung habe ich aber glücklicherweife noch Belege und architektonifche Nachweife gewonnen, die das Verbreitungsgebiet diefes Bauftils bis nach Barka (alfo an den Syrten entlang) im Often und (allerdings nur mit prähiftorifchen Belegen) bis in die Gegend der alten Garamantenhauptftadt im Süden erweifen. Die meiften Stadtbewohner diefer Länder und die heutigen Machthaber wiffen von diefen Bauten nichts. Das liegt in der Natur und im Sinne der Einrichtung. Befonders der Kreuz- P r o b e n in s , Afrika 34. Das P fah lb e tt — 35. P fah lro stsp eich er — 36. P fah lb au ten fü r W o h n u n g


27f 124
To see the actual publication please follow the link above