verfertiger. Daher zerfallen die Träger diefer Kultur auch fo fchnell in Dialektverschiedenheit. Im Norden unferes deutfchen Togo fand ich eine große Siedelung, an deren einem Ende eine andere Sprache gefprochen wurde als am ändern. Die meiften Leute ver- ftanden fich nicht. Noch einmal fei betont, daß von Anfang an jede Form nicht nur einer äußerlichen räumlichen Begrenzung fehlt. Machtbereich heißt Arbeitskraft. Und das bedingt ein ftändiges Schwanken einer Begrenzungsmöglichkeit. Da nun diefen Menfchen auch Arbeit eine verehrungswürdige Tätigkeit ift, die fie durch den Körper als Funktion der Sippenidee ausüben, da der ganze Erdraum ihnen Ausdruck ihrer myftischen Seele ift, fo kann man lehr wohl fagen, daß auch in höherer Entwicklung dem Raum nach eine Begrenzung ausgefchloffen ift. — Sehr trocken und im Geifte des 19. Jahrhunderts ausgedrückt lautet dies: in der Vorftellungswelt, der tellurifchen Kultur gibt es keine feft- ftehenden geographifchen Befitzgrenzen. Der aus ihr entwickelte Staat ift ein Menfchen und Gemeindeftaat mit der pfychologifchen Grundlage des Heimatgefühls, und die Entwicklung zu Nationen im Sinne des europäifchen Rationaüsmus ift ihnen nicht befchieden. Aber noch mehr! Im nächften Teile werde ich zeigen, daß diefe Kultur nur das form- fchwache Symbol kennt — nur die Seele und feelifches, körperunbewußtes Ausftrahlen, Sehnen, Streben, r-f ohne Grenze. — Weitengefühl ift der Ausdruck der tellurifchen Weltanschauung und Kultur. DIE GESTALTUNG DER MATERIE IN DER CHTHONISCHEN KULTUR Dagegen nun: In der Steppe ein Kreis von Hütten. Nach außen geichützt durch einen Verhau von Dorngeitrüpp. Im Kern des Lagers Blöken von Schafen und Brüllen von Rindern. Frauen von einem zum ändern wandernd und melkend. Männer liegen faul am Boden, andere kehren heim von der Jagd oder vom Kriegszug. In irgendeinem Winkel find zwei Männer in Streit geraten und fchlagen mit Stöcken aufeinander. Die Frauen treten im Kreife herzu und warten gefpannt auf den Ausgang des Kampfes. — Dann Nachtruhe. Am Morgen zieht alles aus dem Kraale. Nur alte Weiber bleiben zurück. Die Frauen treiben mit den Burfchen das Vieh irgendwohin auf die Weide, die Männer gehen an ihr Gefchäft, zum Kampf, zur Jagd. Oder aber der ganze Kraal wird abgebrochen. Die Weiher laden ihr Gezelt auf die Packtiere. Unter dem Schutz der Krieger zieht das Völkchen zur frifchen Weide. C H T H O N IS C H -H A M IT IS C H E K U L T H R SYM P T OM E (M A TR IA R C H A T ) 28. Zweikampf fü r W eib u nd E h re — 29. Fo rd eru n g der Ju n g fe rn sch a ft — 30. ö esc h le ch tsfreilie it d er verheira te ten F rau e n (a ltlyhische Frauenfre ihe it) Welch gewaltiger Gegenfatz: das erfte, was bei Betrachtung chthonifcher Kulturen auffällt, ift Bewegung und zwar im begrenzten Raum, während die tellurifche Kultur fynonym ift mit Ruhe im unbegrenzten Raum. Im „begrenzten“ Raum! Die Chthoniker find Viehzüchter, und es war ein großer Irrtum, wenn alte Geographen meinten, die Nomaden könnten regellos wandern und weiden, wo es ihnen beliebe. Im Gegenteil: jede Horde (im Gegenfatz zu Sippe) hat ihre Weidegrenzen. Jenfeits beginnt das Weidegelände einer ändern Horde. Gerade die durch die Bewegung auf das Weideland bedingte Ausnutzung hat im Gegenfatz zum Feldbau Begrenzung zur Folge. Das aber heißt: daß die chthonifche Kultur im Gegenfatz zur tellurifchen auf den Tatfachen räumlicher Begrenzung und zwar auf geographifcher, d. h. Bodenbegrenzung, beruht. Bodenbegrenzung! Denn Möglichkeiten der Hordenbildung find in der chthonifchen Kultur in keiner Weife erfchöpfbar, weil diefe vorzüghch mit Viehzucht verbundene alte chthonifche Kultur matriarchalifch von Grund auf war. Das heißt, die Frau be- ftimmte alles: Erbfchaft, Name, Befitz, Gattenwahl. Sie hat die Laften der Rechte auf fich genommen. Sie molk und bereitete das Leder. Sie flocht und wob fpäter. Sie errichtete das Zelt, brach es ab und belud damit die Tragtiere. Und anderes mehr. Mit alledem übertrumpfte fie an Leiftungsfähigkeit die Frau der tellurifchen Kultur um ein Unendliches, da fie mit diefer auch noch alle Mutter- und Haushaltspflichten teilte. Die chthonifche Kultur kannte nur die matriarchahfche Horde, fo wie die tellurifche nur die patriarchalifche Sippe kannte. Und wie diefe ift jene belebt durch eine Idee. Die Idee des Matriarchats bedingt, daß das Kind ein Teil der Mutter (und nicht, wie im Patriarchat, ein Samenfproß des Vaters) fei. Im Matriarchat fpaltet lieh das Kind von der Mutter ab. Die Mutter mag fterben. Solange das Kind lebt, ift ein Teil von ihr lebendig. Das heißt, die chthonifche Weltanfchauung ift aufgebaut auf der fp ir itu e llen „V e rg e iftigu n g der Ma te rie “ . Im ftändigen Abfpalten der Nachkommenfchaft auf
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