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Often -unterbrochenen), in dem die Erde nur fchwache Kräfte liefern kann, weil Wüfte und Stein herrfchen, einen einfchließenden der Steppe und Savanne (Zega) und einen im Welten eingefchloffenen, in dem der Urwald (Hyläa) aus übermäßiger Fruchtbarkeit heraus die Erde verhüllt. Hyläa und Sahara find Gegenfatze. In der Sahara ftarrt der Steinkern allzuhäufig und entfcheidend durch die dünne Erdfchicht hervor, in der Hyläa ift fie verhüllt, verpanzert, unzugänglich gemacht bis zum „ Erst-erobert-werden- müffen“ . Die Zega ftellt den Streifen dar, auf dem die Erde entfcheidend, ausfchlaggebend, bedingend ift. Hier fehlt der Kampf gegen allzu große Kargheit oder gegen maßlofe Überwucherung. Die drei Zonen haben in ihrer heutigen Geftalt ficher nicht immer beftanden. Diluvium und Pluvium zogen auf und ab. Aber verlagerten lieh auch die Schichten oder Zonen, als folche waren iie doch da, folange der Menfch Kultur trägt, und heute zeigt die Erde in der Zega gleiches Wefen wie vordem oder wie fie es in einer fpäteren Zeit zeigen wird. Und in der Zega, in der Steppe, im flachen anbaufähigen Lande, da äußert die Kultur lieh ebenfo fteil, gerade, aufrecht, ehrlich, dauernd wie die Pflanze, die hier nicht in übermäßiger Verfilzung der Erde verfteckt oder aber magererZeuge irdifeher Verarmung ift. Nur in der Zega zeigt fich ein gefundes Spiel der Kräfte — gleichwohl bis zu welchen Extremen die Gegenfatze von Hyläa und Sahara führen. Hier in der Zega liegt die Wurzel der Erfcheinung, die fchon viele Reifende den „konfervativen Sinn der Neger“ erkennen ließ, die uns tiefere Erfchließung Suchenden aber die wunderbare Erkenntnis gibt, daß diefes Afrika die Kulturformen alter und ältefter Zeit fo lebensfrifch und blutwarm erhalten hat. — In der Zega zeigt der Erdteil Afrika fein eigentliches Geficht. Ach, es hat fehr lange gedauert, bis man in diefem Geiicht Züge erkannte, in den Zügen lefen lernte, und auch heute noch find es nur wenige, die diefe Züge lieb gewannen. Ernft, streng, ein wenig traurig, vor allem aber herb fchaut die Zega in die Welt. Zumal im Sommer und Herbft. Nur im Frühling gleitet ein freundliches Lächeln über die dem ermüdeten Wanderer oft einförmig und verwelkt erfcheinende Landfchaft. In der Sommerfonnenhitze ift iie brutal, herrifch, feindlich. Aber in Vollmondnächten ftrahlt Iie in unendlicher Glorie. Keine Steppenkultur Afrikas vermag einen Sonnenkultus zu tragen. In einer fchönen Vollmondnacht „tanzt aber ganz Afrika“ . Die Sahara erzieht Völker zur Stärke, die Hyläa verweichlicht fie. Die Zega aber erhält ftämmige Menfchen und trägt handfefte Bauernkultur. Der Dafeinskampf ift fo eigenartig! In der Oase der . Sahara kulminiert die Kultur in dem Augenblick, wo der Kampf mit den kulturwidrigen Naturkräften aufgenommen wird, und vergreift, wenn fie den Sieg errungen hat. (Man verfolge die Gefchichte der Kulturalterung in Ägypten.) Die Hyläa gewährt den Menfchen den gleichen Sieg nicht. Die Kultur ftirbt, aber läßt keinen anderen Gewinn als Zivilifation. In der Zega kommt der Kampf gar nicht in Fiage. Hier verwehen Völker und Staaten über die ewige Ruhe gleichförmigen Wider- ftandes; und doch: fo viele Namen auch dahinfchmelzen, die Kultur an lieh ift wohlgeborgen auf diefem mütterlichen Nährboden. Der fteinernen Starre der Sahara, der Todes- und Vergänglichkeitsfprache der Felfen und Wüften fteht das echt mütterlich warme Wefen der Mutter Erde in der Zega gegenüber, die ihre Kinder erhält und fich in ihren Kindern fortpflanzt ohne Anfehen des Namens und der anderen Unterfchiedlichkeit. TELLURISCHE UND CHTHONISCHE KULTUR In dem zu Beginn diefes Teiles aufgeftellten Axiom war von der Polarität der Pflanzen die Rede, und die tellurifche Kultur war dem Sproßpol gleichgefetzt. Zwei Vorgänge lind es, die hierzu berechtigen: wie die Wurzel nach unten, fo fteigt der Sproß nach oben empor. Der Same der Pflanze, am Ende der Sproffen aus der Blüte herausreifend, breitet fich nach Wind- und Sturmeslaune auf der Erde aus5 dies macht zwar folche Bewegung der Pflanze unabhängig von einer eigenen Willensleiftung, erweitert aber defto mehr den Machtbereich der Ausdehnung. Beides find gleicherweife Grundfymptome jeder tellu- rischen Kultur Schwer ift es, folchen einfachen Sinn nicht nur zu erfaffen, fondern auch feftzuhalten. Schwer ift es und undankbar, folches zu erftreben. Dazu ift zuerft notwendig, daß alter fchöner Kinderglaube beiseitegelegt wird: der fchöne Kinderglaube an die Reihenfolge Jäger — Hirten — Ackerbauer. Aus ehrwürdigem Alter und Schrifttum überkommene Weisheit ift fchlecht abzulegen. Wie leicht ift es demgegenüber, eine wiffenfchaftliche Anfchauung anzupacken, zu zertrümmern und auf den Schutthaufen zu werfen! Jedenfalls kann ich für das, was hier als tellurifche Kultur zufammengefaßt ift, nichts finden, was in alter, heiliger oder jüngerer, profanerer Schrift von der Stufenfolge der Kulturen gefagt wurde. Die tellurifche Kultur tritt mir als gefchloffene Wefenheit, als vollendeter Organismus auf ihrem Boden, der Zega, entgegen, fo wie die chthonifche auf dem ihrigen. Und überall, wo ich fie treffe und unterfuche, find diefe beiden in ihren Äußerungen gegenfätzlich. Der äußere Eindruck aller rein tellurifchen Kultur ift das architektonifche Heraus wachfen aus dem Boden. Der Menfch fchläft auf einem Pfahlbett, der Menfch lebt in einem Pfahlhaus, das aus dem Pfahlbett hervorgegangen ift. Das Effen wird auf einem Pfahlroft ge- fotten (Kärtchen S. 81). Dies das Äußere. Dem entfpricht das Innere: die Seele der Neugeborenen fteigt wie die Pflanze aus dem Boden empor. Die Seele wandert durch die Alters


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