Page 38

27f 124

in alter Zeit Staudämme und große Teichanlagen dem Selbfterhaltungstrieb desNilftrom- landes zu Hilfe kamen. Aber ebenfo erfchütternd großartig entrollte lieh mir das Bild des hierin fo wenig beachteten Nordweftafrikas. Nicht nur die oberirdifche Anlage (vgl. Tafel 29 und 50 und Barrage S. 59), fondem vor allem die Fogarra, die unterirdifchen künftlichen Waffer- anlagen, bieten erftaunliche Tatfachen. Die beifolgenden Textabbildungen (S.60 und 61), fowie vor allem Tafel 51 und 52 zeigen, daß hier gewaltige Hallen und Gänge angelegt find, — ßcher in alter Zeit. Denn: hier ift nichts von maurifcher oder römifcher oder griechifcher Architektur! Diefe falfchen Gewölbe mit oben abfchließenden Winkelftütz- fteinen haben in einer einzigen Periode, in einem einzigen Kulturkreis und feinen Aus- ftrahlungsumlagerungen ihre Parallelen: in dem der ägäifchen Kultur. So wie die Dolmenbauweife (Tafel 18 und Tafel 19) im Toten- und Wohnbau Weftafrikas Belege für das Ausklingen weftöftlicher Pendelbewegung im Neolithikum find, fo diefe Bauweife der Fogarra Anzeichen einer in der Metallzeit auch im ägäifchen Meer wie in Afrika einfetzenden Wende, das Anfetzen eines ftarken, von Often nach Weiten erfolgenden Rückpendelns. Derart beginnt mit der natürlichen Oafenbildung fremdes Kulturwefen aus anderer Richtung fich einzuniften. Zwilchen Erg und Hamada (Tafel 53 bis 36) entfteht im bodenftarken Niltal jetzt die herrliche Eigenwelt Ägyptens, im einförmigen, ftruktur- fchwachen Weiten Nordafrikas aber jene träumerifche Oafenwelt, die fich im Bauwefen und in der Wirtfchaftsform mehr und mehr vom urfprünglich hamitifchenTypus entfernt und einem Fremdling nach dem ändern Gaftrecht bietet, bis der Islam feinen Einzug hält. Die Unterfchiedlichkeit der Kultur Kleinafrikas und Ägyptens ift fo gewaltig, tritt mit fo markanten Zügen hervor, daß wir diefer Erfcheinung Beachtung fchenken und annehmen dürfen, daß fie Entfcheidendes über mancherlei Wefenszüge der Kulturbildung überhaupt verrät. Landfchaftliche Übereinftimmung der Umwelt ift das Verbindende. Ein Ritt durch die libyfehe oder die nubifche Wüfte gewährt gleiche Bilder und Er- lebniffe wie ein Marfch durch Kleinafrika oder die Sahara. Trennend ift aber die Tatfache, daß der erfte Blick des Wanderers beim Eintreffen am Oafenrande Ägyptens zu- erft durch den Strom, den Nil, gefeffelt wird, während er in den weltlichen Wüften- oafen auf infelartige Gebilde fällt, die nach allen Richtungen von Wüfte oder Steppe umgeben find. Diefer Nilftrom nun verbindet. Die in feinem Becken aufgeblühte Kultur empfing von Süden, aus dem kufchitifchen Kulturkreife, ebenfo wie feinerzeit die alt- babylonifche. Sie lebte im engenVerkehr mit dem ägäifchen Kulturkreife, mit „Kefto“ . Damit aber lag Ägypten auf der Bahn der „hohen Kulturen“ ; Kleinaffika und die Sahara lagen außerhalb diefer Zone (f. Teil I). Die kulturelle Höchftleiftung auf klein- afrikanifchem Boden gehörte der Vergangenheit an, als Ägypten erfte Knofpen trieb. K L E IN A F R IK A N IS CH E B EW Ä S S E R U N G SA N L A G E N D e r steinerne S taudamm v on Timimnn, Westsaliara, n a c h Originalphotographie gezeichnet v on H. Hagle r Man beachte diefen gewaltigen Unterfchied. Die Kultur Kleinafrikas ftand auf der Höhe in der Zeit der Weft-Oftpendelung, diejenige Ägyptens in der Periode der Oft-Weft- pendelüng. Und dennoch hegt die Großartigkeit der ägyptifchen Kultur und ihre ungeheure Fähigkeit zur Stileinheit begründet in ihrer Zugehörigkeit zu Afrika, in ihrer Abftammung aus einer Steinzeit. — Diefer Unterfchied wird am klarften bei Betrachtung der Architektur. Im Grabbau gehen ägyptifche wie kleinafrikanifche Formen von gleicher Struktur aus. Der ägyptifche Tempel fehlt den weftlichen Ländern. Der Eigentümlichkeiten älterer weftlicher Architekturen ging Ägypten verluftig. Gerade diefe aber find kulturgefchichtlich trotz ihrer Schlichtheit von großer Bedeutung. Die Architektur diefer weftlichen Oafenfiedlungen zu erfaffen, ift nach den hiftorifchen Gefichtspunkten um fo leichter, je kunftvoller fie auftritt (Tafel 37— 56). Die fchlichte Urform als Naturwefen zu erfaffen wird aber erft dann möglich fein, wenn der Erdbau in feiner ganzen Eigenart zur Sprache gebracht ift. Das aber ift Angelegenheit des


27f 124
To see the actual publication please follow the link above