fernen Süden der Bogen, im Often und Weiten der Speer, und zwar anfcheinend die Wurflanze, die der Krieger immer in zwei Exemplaren mit fich führte. — Ferner: Die Frauentracht der hamitifchen Kultur hat, foweit die Verbreitung es geftattet, aus lebendig Beftehendem auf die Vergangenheit zu fchließen, immer aus Leder beftanden, was ja ganz natürlich jlt, da die Frauen ftets die Lederarbeiterinnen gewefen zu fein fcheinen. In fchärferer Differenzierung tritt nun aber die hamitifche lederne Frauentracht als Doppelfchurz, dann als Lender pagne auf. Erfterer befteht aus einem kleineren vorderen, die Schamteile bedeckenden und einem größeren hinteren, das Gelaß und die Lenden umfpannenden Lederftück. Die lederne Pagne dagegen ift ein einziges größeres Stück, das den ganzen Unterleib ringsherum umfängt. Erftere Form gehört heute mehr dem Süden und Often, letztere mehr dem Norden an. Bedeutungsvoll ift, daß vielfach die jungen Mädchen den Doppelfchurz, die Frauen dagegen die Lenden- pagne tragen, und dadurch charakterifiert lieh erfteres als älteres, letzteres als jüngeres Kulturfymptom. Als drittes Verbreitungsgebiet nun endlich das Sieges- und Adelszeichen, das im hamitifchen Kulturkreis Afrikas am Männerarm zutage tritt und fo recht das Symbol matriarchalisch-superlativiftifcher Tüchtigkeits-Wettdrängelei ift. Die oftfüdliche Form zeigt das Emfchneiden und Tätowieren des Armes zunächft als Blutzauber, um im chthonifch-magifchen Sinn den Blutbann zu üben (Südweftafrika), dann als Tätowierung den Sieger als Preislichen zu kennzeichnen (nördliches Oftafrika) und endlich als Abzeichen der Adelskafte (nordweftliches Afrika). Mit dem Sinne des vorletzten Kartenbildes war fchon das Wefen einer Reihenfolge im Kulturbau und -Wandel afrikanifchen Seins fowie eine diefem entfprechende Verfchie- bung älterer Kulturgüter nach Often und Süden durch das im Norden von Weiten nach Often Vordringende angezeigt. Das letzte, dritte Beifpiel diefer Serie (21) legt den gleichen geographifchen Vorgang, die Verfchiebung im Raume, noch deutlicher und mehrftufiger auch dem Sinn nach dar. Das rein paideumatifch-Magifche als Innenlebiges wird verdrängt durch das fyftematifch-ausdrucksftarke Materialiftifche des Sozialbegriffes. Zu noch entTcheidenderen Tatfachen aber führe ich mit der dritten Reihe von Kärtchen (Nr. 22— 24) des hamitifchen Kulturwandels (umftehend). Die Einheit der hamitifchen Sprache ift feit Bleek und Lepfius bekannt und auch nach Bernhard Struck grundeinheitlicher Wurzel. Die durch wunderlich archaiftifche Schnalzlaute charakterifierten Sprachen Südafrikas müffen als ältefte Schicht, die oftafrikanifchen fchriftlofen als mittlere, die differenziert-fchriftmäßigen Nordweftafrikas als jüngfte Stufe angefehen werden. Dabei ift es bedeutungsvoll, daß die heute vor allem im Weftfudan heimifchen braunen Fulbe eine fogenannte ofthamitifche Sprache befitzen. Wir kennen heute ihre Herkunft aus dem Fezzan-Tunisgrenzgebiet (hiftorifche Station). Alfo haben die nordweftlichen helleren Hamiten einen älteren heute im Often vorherrfchenden Typus verdrängt. 48 Eine zweite Stufenfolge ftellt die Verbreitung des „Fetten Weibes“ in Natur und Kunft der hamitifchen Kultur dar. Seitdem im Beginn jungpaläolithifcher Plaftik glyptifche Darftellungen beftehen, zeigt die Steinzeitkunft Europas von Frankreich her bis Malta etc. eine auffallend betonte programmatifch felbftverftändliche Wiedergabe des weiblichen Torfo als einer aufgefchwemmten, fettmolligen Maffe — nicht nur die Steinzeitkunft Europas, fondern auch die Graphik Nordafrikas und die ältefte Plaftik Ägyptens! Was die Alten zeichneten, das erftreben die Jungen: die zweite Signatur der Karte zeigt die Gebiete, in denen das „fette Weib“ den Menfchen der hamitifchen Kultur technifch zu erzielendes Ideal ift; d.h. in denen die jungen mannbaren Mädchen bei forgfamer Bewegungsenthaltung fo lange und gründlich mit fettbildenden Milch- und Mehlfpeifen genährt werden, bis fie dem fmnhch-äfthetifchen Wunfchziel der Heiratskandidaten entfprechen. Im dritten Gebiet, in Südafrika, ift aber die natürliche Neigung zur Fettfteißbildung (Steatopygie) fo grundnatürlich, daß irgendwelche Kunft- prozeduren gar nicht erft notwendig wären. Knüpfen wir an das letzte Beifpiel an. Die Rundung der Hottentotten ift eine naturgeborene, eine naturgemäß gegebene Tatfache. Ebenfo natürlich ift der Verismus der fteinzeitlichen Glyptik und Graphik. Sie ift dort erlebt, eingeboren, naturfelbftverftänd- lich. Zwilchen diefen beiden Tatfachen der Vergangenheit und Gegenwart, d. h. zwifchen dem in der Kunft des Nordens erhaltenen Spiegelbild des „Es war einmal“ und dem lebendig heute noch faßbaren „Es ift tatfächlich fo“ des Südens hellen wir die künft- liche Erhaltung eines Ideals der Vergangenheit als Mitte, als Brücke, als felbftverftändliche Durchgangserfcheinung. Daraus ergibt fich das, was fchon mehrere vorhergehende Karten finngemäß ausdrückten: Im Süden Afrikas ift heute als Tatfächlichkeit erhalten, was einft (d. h. in der Vergangenheit, hier die Steinzeit) Nordweftafrika lebendig er- F r o b e n i u e , Afrika 49 4
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