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Wenn das Rind fich auch mit dem nach rechts gewandten Profil dem großen Zuge der Jagdgruppe anfchließt; Io ift damit doch nicht unbedingt gefagt, daß das Tier dem Jagdzuge folgt. Das Rind fteht hinter dem Jäger, nimmt alfo eine Stelle zwilchen dem in der Ferne auf der Jagd fich befindenden Manne und dem mit dem Geficht dem Befchauer zugewandten, allo daheim weilenden Weib ein. Es befindet fich alfo auf der Weide zwilchen dem Jagdgebiet und dem eigentlichen „Daheim“ , aus dem die Frau mit erhobenen Händen auf den Befchauer lieht. Das Merkwürdigfte auf dem Bilde ift eine Linie, die, aus dem Unterleib der Frau ent- fpringend, zwifchen den Beinen hindurch und dann um das Rind und den Mann herum in deflen Unterleib tritt. Diefe eigenartige Linie befindet fich aber nicht nur auf diefem Bilde, in Tiut kommt fie fünf bis fechsmal (einmal unklar) vor. In vier Fällen ift der Mann durch Pfeil und Bogen im Jagdaufzug dargeftellt, die Frau jedesmal mit erhobenen Händen. Die Stellung des Mannes ift unzweideutig die der Waffenhandhabung, die Stellung der Frau immer wieder jene, die wir bei meiner Pygmäenirau im Kongowalde, dann aber auch schon auf den Widderbildem der Steinzeit Nordwestafrikas kennen lernten. Die Frau betet alfo auf diesen Bildern. Was bedeutet nun diefe Linie? Die ungleiche Betätigung der beiden Figuren, von denen, um dies noch einmal zu betonen, der Mann die Waffe handhabt, während die Frau in der uns mm geläufigen Stellung betet, fchließt den Hinweis auf eine intim eheliche Beziehung aus; der Ausgang und der Verlauf der langen Linie weift dagegen auf eine heute noch im hamitifchen Kulturkreife Europas beftehende Wortanwendung (im franzöfifchen utérin — dem Uterus einer gleichen Mutter entftammend) hin und führt mich zu der Annahme, daß die lange Linie eine allegorifche Andeutung der Verbindung der beiden Figuren durch die Nabelfchnur ift. Das heißt: Die weibliche Geftalt ift nicht die Gattin, fondern die M u tte r des Jägers. Sie betet für ihn (und auch wohl gleichzeitig für die Sicherheit ihres draußen weidenden Viehes) um Jagderfolg oder Kampferfolg. Hierzu habe ich einen größeren Beleg darin gefunden, daß früher bei den Berbern des füdlichen Marokko ftets die Mütter, niemals aber die Gattinnen den zum Kampf Ausziehenden die Amulette umhängten, und daß im Aures es ebenfalls die Mütter waren, die die Zauberformeln für ihre Söhne ausfprachen. Eine Legende erzählt, daß die berühmte Kahia nur mit Mühe ihren Sohn vor dem Schaden bewahrte, den die von der Gattin in befter Abficht ausgefprochenen Formeln heraufbefchworen und erft mit der eigenen Zauberei den Schutz des Sohnes erwirkte. Damit aber ift nur êin kleiner Zug aus einem tief einfehneidenden, bis in alle Zweige hinein a priori fich auswirkenden Wefenszuge der Kultur diefer Länder geboten: Die Grundorganifation der alten Kultur Nordafrikas ift nämlich matriarchalisch. Solches wiffen wir feit der Erfchfießung der ausgezeichneten Schilderungen, die der alte Herodot den Weidevölkern Libyens fünfhundert Jahre vor unferer Zeitrechnung hat angedeihen laffen. Zu diefer Zeit lebten noch viele Völker des Mittelmeerbeckens in diefem ihrem angeborenen Kulturzuftand, der unferer Zeit in feiner urwüchfigen Natürlichkeit un- verftändlich geworden ift. Denn die alles äußerlich gleichmachende Zivilifation hat in Europa alles Paideuma mit ihrer Nebelfchicht überzogen, die das Wefen der Kultur verhüllt und nur ernfter, fachkundiger Unterfuchung weicht. Reines Matriarchat als Kulturform gibt es aber auch auf ändern Erdteilen nicht mehr. Die Aktivität der patriarchalifchen Kulturen ift heute wohl überall durchgedrungen, und die weiblichen Züge der matriarchalifchen Kulturen kann man daran erkennen, daß fie fich dem Übergewicht des Stärkeren nach außen um fo lieber unterwerfen, je ficherer fie find, im Stillen und unbeachtet unter solchem Kleide eigenes Wesen um so ungeftörter auswirken und ausleben zu können. Immerhin ift auf afrikanifchem Boden die matriarchalifche Kultur noch in wefentlichen Zügen zu beobachten, wenn nicht aus letztenSpuren zu ermitteln. Sie zeigt hier folgendes Bild: In der gesellfchaftlichen Ordnung der Menschen ift die Frau die entfeheidende. Die Zugehörigkeit richtet fich nicht nach dem Vater, sondern nach der Mutter. Der Sohn eines Adligen und einer Sklavin wird Sklave, der von einem Sklaven gezeugte Sohn einer Adligen wird vornehm. Der Name und das Blut der Mutter entfeheiden. Der Belitz liegt in den Händen der Frau und wird urfprünglich an die Tochter weiter vererbt. Der Mann hat kein Recht zu heiraten. Die Frau wählt den Bettgenoffen. Und fie wählt fehr forgfältig abwägend nach Möglichkeit den Geeignetften, den Leiftungslähigften, den Erfolgreichften, kurz den Tüchtigften. Oft muß er fich durch Kriegstaten und Jagdgefchicklichkeit auszeichnen. Wo die Wahl zweifelhaft ift, werden wohl zwei Rivalen gegeneinander zum Zweikampf aufgefordert, und fie reicht dem Sieger ihre Hand. Oder fie wählt den, der die meiften Feinde erfchlug, der die meiften Jagdtrophäen gewann. Der Mann ift im Matriarchat der Frau ein Schmuck wie im urfprünglichen Patriarchat die Frau dem Manne ein Durchgangsgefäß feiner Sippenfortfetzung ift. Hat die matriarchalifche Frau ihren Gatten gewählt, fo nimmt fie ihn in ihre Hütte auf, während im Patriarchat der Mann die Frau aus ihrem Kreife löft und in feinen Sippenverband verfchmilzt. Als Schmuck erfcheint der Mann im matriarchalifchen Clan aber auch in Bezug auf feine Arbeitsleiftung. Denn: die Frau verarbeitet die Häute zu Leder; fie hütet und melkt das Vieh, fie errichtet im Nomadenleben Zelt und Hütte; fie näht, flickt, fpinnt, webt; dabei verrichtet fie noch die ganze Küchenarbeit vom WafTerholen bis zur Speifevorlage. Der Mann aber ift nur Krieger und Jäger. Im übrigen fpielt er, besonders wenn er irgendwo verfagt, eine recht kümmerliche Rolle und wird von den Bedjafrauen am Roten Meer ebenfo wenig geachtet und dem eigenen Bruder in allen Ausdrücken der Zutunlichkeit und Fürforge desHerzens untergeordnet wiebei den primitiven Berbern derweftlichenHamiten.


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