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genau, To nehmen wir wahr, daß ein guter Teil der Felsbilder fich mit den davor gelagerten Gräbern auf Abfätzen von Talböfchungen oder -bekränzungen erhebt, die über Chors, über heute ausgetrockneten und meift mit Lehm ausgefüllten Talbecken auf- fteigen. Die Chors können in vorgefchichtlichen Pluvialzeiten leicht Sümpfe beherbergt haben und — da jene Zeiten der Felsbildnerei Pluvialzeiten waren — mühen fie folche Sümpfe auch in der Tat beherbergt haben. Welches war nun wohl die Bedeutung, der Sinn diefer den heutigen Bewohnern Nord- weftafrikas unbekannt gewordenen Kultusftätten? Können wir aus der Lage der Dinge eine Andeutung über das Wefen der Felsbildnerei überhaupt gewinnen? Gibt es noch irgendwelche Sitten und Ausübungen bei Völkern, die als kulturelle Verwandte der alten Felsbildner angefprochen werden können ? Hier kann ich ein eigenes kleines Lr- lebnis fchildem, das in diefe Gruppe von Fragen Licht und Ordnung bringen dürfte. Im Jahre 1905 traf ich in dem Urwaldgebiet zwilchen Kaffai und Luebo auf Vertreter jener vom Plateau in die Zufluchtsorte des Kongo-Urwaldes verdrängten Jägerftämme, die als Pygmäen fo berühmt geworden find. Einige der Leute, drei Männer und eme Frau, geleiteten die Expedition etwa eine Woche lang. Eines Tages — es war gegen Abend und wir hatten uns fchon ausgezeichnet miteinander angefreundet — war einmal wieder große Not in der Küche, und ich bat die drei Männlein, uns noch heute eine Antilope zu erlegen, was ihnen ja als Jäger ein Leichtes fei. Die Leute Iahen mich ob diefer An- fprache offenbar erftaunt an, und einer platzte dann mit der Antwort heraus, ja, das wollten fie fchon lehr gerne tun, aber für heute fei es natürlich ganz unmöglich, da keine Vorbereitungen getroffen feien. Das Ende der fehr langen Verhandlung war, daß die Jäger fich bereit erklärten, am anderen Morgen mit Sonnenaufgang ihre Vorbereitungen zu treffen. Damit trennten wir uns. Die drei Männer gingen dann prüfend umher und zu einem hohen Platze auf einem benachbarten Hügel. Da ich fehr gefpannt war, worin die Vorbereitungen diefer Männer denn nun beftehen würden, ftand ich noch vor Sonnenaufgang auf und fchlich mich in das Gebüfch, nahe dem freien Plätze, den die Leutchen geftem abend für ihre Maßnahmen ausgewählt hatten. Noch im Grauen kamen die Männer, aber nicht allein, fondem mit der Frau. Die Männer kauerten fich auf den Boden, rupften einen kleinen Platz frei und Erichen ihn glatt. Dann kauerte der eine Mann nieder und zeichnete mit dem Finger etwas m den Sand. Währenddeffen murmelten die Männer und die F r a u irgendwelche Formeln und Gebete. Danach abwartendes Schweigen. Die Sonne erhob fich am Horizont. Einer der Männer, mit dem Pfeil auf dem gekannten Bogen, trat neben die entblößte Boden- ftelle Noch einige Minuten und die Strahlen der Sonne fielen auf die Zeichnung am Boden. Im felben Augenblick fpielte fich blitzfchnell folgendes ab: die Frau hob die Hände wie greifend zur Sonne und rief laut einige mir unverftändliche Laute; der Mann fchoß den Pfeil ab; die Frau rief noch mehr; dann fprangen die Männer mit ihren Waffen in den Bufch. Die Frau blieb noch einige Minuten ftehen und ging dann in das Lager. Als die Frau fortgegangen war, trat ich aus dem Bufch und fah nun, daß auf dem geebneten Boden das etwa vier Spannen lange Bild einer Antilope gezeichnet war, in deren Hals nun der abgefchoffene Pfeil fteckte. Während die Männer noch fort waren, wollte ich zu dem Platze gehen, um den Ver- fuch zu machen, eine Photographie von dem Bild zu gewinnen. Die immer in meiner Nähe fich auf haltende Frau hinderte mich aber daran und bat mich inftändigft, dies zu unterlaffen. Wir marfchierten alfo ab. Am Nachmittage kamen die Jäger mit einem hübfchen Bufchbocke uns nach. Er war durch einen Pfeil in die Halsader erlegt. Die Leutchen lieferten ihre Beute ab und gingen dann mit einigen Haarbüfcheln und einer Fruchtfchale voll von Antilopenblut zu dem Platz auf dem Hügel zurück. Erft am zweiten Tage holten fie uns wiederum ein und abends bei einem fchäumenden Palmwein konnte ich es wagen, mit dem mir vertrauteften der drei Männer über diefe Sache zu fprechen. Der — fchon ältere, jedenfalls von den Dreien der ältefte — Mann Tagte mir nun einfach, daß fie zurückgelaufen waren, die Haare und das Blut in das Antilopenbild zu ftreichen, den Pfeil herauszuziehen und dann das Bild zu verwifchen. Vom Sinn der Formeln war nichts zu erfahren. Wohl aber Tagte er, daß das „Blut“ der Antilope fie vernichten würde, wenn fie das nicht fo machten. Auch das Auslöfchen müffe bei Sonnenaufgang gefchehen. -¡§|lnitändig bat er mich, der Frau nicht zu Tagen, daß er mit mir darüber gefprochen habe. Er fchien große Furcht vor den Folgen feines Schwätzens zu haben, denn am anderen Tage verließen uns die Leutchen, ohne lieh zu verabfchieden, fraglos auf feine Veranlaffung, denn er war der eigentliche Führer der kleinen Gefellfchaft. Wer mit diefen Beobachtungen vergleicht, was ich in der Atlantisausgabe der afrikanischen Volksdichtungen Bd. I S. 14/15 als Reft des Blutglaubens bei den alten Kabylen in Algerien erzählt habe, wer dazu bedenkt, daß fpanifche Felsbilder Tiere mit eingezeichnetem Herz oder mit Pfeilfpitze in der Herzgegend zeigen (vgl. Textabbildung S. 29), und wer lieh endlich vergegenwärtigt, daß auch die kleinafrikanifchen und fahari- fchen Felsbilder zumeift Tiere zeigen und daß für ihre Anbringung Stellen bevorzugt wurden, die den erften Strahlen der Morgenfonne ausgefetzt lind, der muß dann wohl eine zufammenfaffende Beziehung zwifchen den Sittenreften heute in den Urwald gedrängter Afrikaner und den Reiten der älteren Steinzeit Afrikas erblicken. Nun kommt aber hierzu noch, daß um diefe Zeichnungsplätze, die fo fchon als heilige Plätze einer Blut- und Lichtmagie gekennzeichnet lind, die Tumuli liegen - S ftets wenigftens einige. Denn es ift ganz klar, daß diefe paar Gräbchen — an keiner Stelle fanden wir mehr als 50— 60, meift aber nur 5-H10 — nicht die ganze Zahl der Toten darftellen können, die aus den (wenn auch noch fo kleinen) Volksverbänden diefer Zeit einer


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