Page 22

27f 124

viele, viele Menfchen hinauspilgern in die Sahara und lieh dort an den offen zutage liegenden Funden belehren! Dort liegen Stücke vom neolithifchen Typ, eng gepaart mit folchen von der Art des Paläolithikums. Ganz eng aneinandergefchmiegt Zeugniffe kurz- friftigen Ineinandergreifens auch in dielen Belegen „urzeitlichen Gefchehens. Und über dipIWi felligen Öden, (liefen nackten Zeugniffen Urgewefenfeins und heute nur noch mit rhythmifcher Selbftverftändfichkeit faft mafchinell gewordenen Regelmäßigkeit zieht tagtäglich die Sonne ihre Bahn. Das Phänomen wurde zum Gefetz und als folches Teilhaber am Werden der Kultur, die in felbftüberheblicher Weife ein „Ur und eine „Welt“ für das letzte Teilchen ihrer Gefchichte in Anfpruch nimmt. Vielfach milchen fich in der Sahara Formen verfehiedener Perioden an einem Fundplatz. Bayer-Wien hat dafür die Theorie und den Namen des „Ascalonien“ aufgebracht. Oftmals ift es leicht, die werkftättenmäßige Behandlung der Manufakte auf kleinem Raum feftzuftellen. Ich verweile hier auf ein mir vonDr.Fromholz mitgebrachtes Stück. ■ Eine große Steinaxt war offenbar zerfprungen. Die abgefplitterten Teile lagen neben dem Hauptftück, das neu gefehlagen, neu gefchärft worden ift; hier an Ort und Stelle. Es ift, als ob der Steinwerkmeifter es erft geftem hätte hier liegen laffen. Aber mcht überall find die Zeugniffe der lebendigen Tätigkeit fo klar. Nicht überall liegen Belege von Formen verfehiedener Perioden fo dicht beieinander. Immer häufiger werden dieBe- weife dafür, daß Nordafrika und die nördliche Sahara mit Spanien und Frankreich zurammen das Gebiet darftellten, auf dem die Steinzeit ihre Lehr-, ihre Gefellen-, ihre Meifterentwicklung durchlebte. Es fei an die Funde vom Lac Karar erinnert! Zwei für alle Kulturforfchung ausfehlaggebende Fragen tauchen hier vor mir auf. Zum erften: Ob nicht die Zeitläufe des Periodenbaues diefer Steinzeitalter bedeutend überfchätzt werden. Zum zweiten: Ob mit dem Steinzeitalter überhaupt erft die Wahrfcheinlichkeit des Beginns der Kultur, d. h. eines „Ur“ , der anfänglichen Entftehung geboten ift. Für die erfte Frage mag uns das Fragezeichen als folches in diefem Werke genügen. Für die zweite Frage aber fei hier fchon der Hinweis darauf geboten, daß es einen Gefichtspunkt gibt, der uns folchen kaum glaubhaft macht: Ift es möglich und denkbar, daß die auflebende Kultur das Wefen des dritten Reichs (Paideuma) mit einer Verbindung und Unterwerfung des feinem feelifchen Dafein am fernften liegenden Steins, des Teils aus dem toten Körper des Erdballs, begonnen haben feilte? Liegt es nicht viel näher anzunehmen, daß das „Ur“ und der Anbeginn in einer Wechfelbeziehung zu der lebendigen Umwelt, zu Pflanze und Tier anhub ? Und feilte es denn wirklich keine Möglichkeit geben, aus dem Phänomen Kultur derart näher liegende Wahrfcheinlichkeit fo abzufefen, daß das Umgekehrte der landläufigen AuffafTung, wenn auch nicht als Analyfenrefultat, fo doch als lebendige Synthefe zum Sinn wird? Hier nur die Frage! (Siehe Teil IV Hyläa.) STEINZEITLICHE KUNST (Tafel 1—9). Den Spuren der Kultur rückwärts nachgehend, kommen wir mit mancherlei Funden bis in die ältere Steinzeit, auch in Afrika. Die Sahara hatte als Nachbargebiet Frankreich- Spaniens (welches letztere damals noch nicht durch eine weite Meerenge von Gibraltar von Kleinafrika, das ift der Block Marokko, Algerien-Tunis getrennt war) Teil am Paläo- lithikum. Nun find die Refte diefer alten Kulturen nicht auf Steinwerkzeuge befchränkt. Diefe Befchränkung trifft nur für das alte Paläolithikum, d. h. alfo bis in die Stufe des Moufterien, der fetzten Entwicklungsphafe diefer Kulturftaffel zu. Während nun diefes ältere Paläolithikum durch warme und kalte Perioden hindurch die Linie einer unauf- haltfamen und faft rhythmifchen regelmäßigen Verfeinerung der Werkzeuge bietet, fetzt die Stufenfolge des jungen Paläolithikums (Aurignacien, Solutreen, Magdalenien, Azylien) mit bedeutender Bereicherung an bearbeitetem Material ein. Die Werkzeuge und Waffen werden nicht nur mehr aus Stein, fondern auch aus Knochen, Holz und Elfenbein hergeftellt. D.h. zur A rb e it durch Schlagen und S p litte rn t r it t nun auch die Schnitzerei. Das faft plötzliche Auftreten diefer neuen Eroberung und eine große Vermehrung des Inventars an Fundftücken, die auch fchon allerhand kunftvollere Schmuckfachen enthalten, macht uns mit unferen nachgerade geficherten Erfahrungen der Kulturfortbildung ftutzig und drängt uns den Gedanken auf, ob diefe eigenartigen Symptome nicht Material zur Beantwortung der zweiten von den beiden, am Ende des vorigen Kapitels aufgeftellten Fragen bieten könnte. Es wird in dem Teile Hyläa hierauf zurückzukommen fein. Mit der Vermehrung der Arbeitsweifen und der Arbeitsobjekte tritt aber im Beginn des jungen Paläolithikums, der fogenannten Renntierperiode und auf deffen erfter Stufe, dem Aurignacien, ein zweites ebenfo gewaltiges Symptom auf, das die eben ausgefprochene Vermutung noch verftärkt: die K u ltu r des A u rign a cien ift um die Bildn erei ve rm ehr t, fie weift fchon g e fch n itz te tnenfchliche F igu ren auf. Die Kunft fetzte im unteren Aurignac mit kleinen Darftellungen aus Elfenbein, Speckftein und Pferdezähnen ein, mit der Glyptik. Das obere Aurignac bietet dann die Anfänge der Kunft des Gravierens. Es fei alfo wohlgemerkt, daß die Glyptik der Graphik voranging. Die Gravur fcheint ziemlich früh nicht nur im Ritzen des Felfens, fondern auch im Malen von Konturen beftanden zu haben. Langfam mehrt fich die Verwendung der Farbe. Der Konturenführung folgt die einfarbige Flächenbehandlung. Im Magdalenien gewinnt dann die Felsbildnerei ihre Höhe. Im Azyhen aber ftirbt fie auch fchon aus. Mit dem fort- fchreitenden Gravieren tritt dann eine Stilverfehiebung tiefen Wefens ein: Der Weg von der Glyptik zu beginnender Gravur ift verbunden mit der Darftellung des Menfchen im Beginn und immer größerer Betonung des Tiers im Verlauf; im fortfehreitenden Gravieren


27f 124
To see the actual publication please follow the link above