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und der Terrakottenplaftik nach Weiten, in das weltliche Becken des mittelländifchen Meeres und wohl noch weiter hinaustrug. Ganz andere Gedanken erweckt die eigenartigeVerzierung und Kopfform der Stücke wie fie Tafel 140 zeigt. Von diefem Typus habe ich etwa neun Stück kennen gelernt, vier im Museum zu Tunis, zwei auf Sardinien und drei im Privatbefitz. Sie zeigen alle das verzerrte Lachen des Mundes, das Vorbild klaffifcher Schaufpielermasken. Die Nafen find fehr ver- fchieden lang und fpitz oder adlerfchnabelförmig oder klobig gebildet. Das Auffallendfte an dielen Masken ift aber die oft reiche Verzierung an eingefchnittenen Linien. Der Kopf Tafel 140 zeigt folche über jeder der beiden Augenbrauen, eine die mit Pfeilfpitze entfprechend der Mittelhauptnaht auf die Nafenwurzel zielt, zwei weitere quer über beide Wangen. Andere folche Masken haben künftliche Warzen, zwei von denen im Mufeum von Cagliari vier- und fünflinige Stirnbänder und auf Stirn und auf Mittelhaupt Einzeichnung von Blume und Knofpe. Das Intereffantefte unter all diefem Täto- wierungsfchmuck find die von der Nafe wagerecht über die Wangen der Kinnlade oder dem Ohr zuführenden Parallellinien. Diefer Parallellinien von Nafe zu Ohr (ich bezeichne fie kurz als Nafen-Ohren-Schnitte) find hier vier. Es find meiftenteils vier folcher Linien auf den Wangen diefes Typs der kar- thagifchen Masken. Diefe Markierung fteht am Rande des Mittelmeeres nicht vereinzelt da. Auch andere Masken tragen fie. So im öftlichen Mittelmeer. Sie ift gut zu erkennen an einer verletzten Terrakottamaske, die Böhlau auf Samos ausgrub, an Funden im Arte- mifium (Sparta). Die auf letzteren gebrochenen Linien kehren in Spanien wieder. Alfo lebte in diefer Maskenbildnerei im letzten Jahrtaufend vor Chrifti Geburt noch eine Tätowierung fort, die meines Wiffens kein Lebender unter den KlafTikern mehr ge- fehen, refp. befchrieben hat. Und dennoch ift diefe Tätowierung im Mittelmeer fehr alt. Sie ift bekannt auf Menhir- ftatuen aus dem Spätneolithikum (vgl. Dechelette, Hoernes, Obermaier etc.), aus Alt- Portugal und -Spanien (Siret, Wilkes etc.). Auch dort find es meift vier folcher Parallellinien. Alfo alt und weit verbreitet im Mittelmeer, im weltlichen für ältere Zeit belegt als im öftlichen. - 3 Dazu nun die Tatfache, daß die kleinen Eulenkopffteine Nordafrikas zum Teil den gleichen Gefichtsfchnitt haben wie füdfranzöfifche fpätneölithische Steinbild werke (z. B. wie in Courjoennet und Croizard). Und dazu nun endlich die letzte Tatfache, daß nach Süden zu im Nigerbogen und am Benue, in Gebieten, wo heute noch viele neolithifche Steinwerkzeuge beim Hacken zutage kommen, diefe Tätowierung noch heute gefunden wird. (Vgl. Textabbldg S. 160.) Unter folchen Umftänden erfcheinen die mit Nafenohrenfchnitt tätowierten mediterr ranen Terrakottamasken, zumal die Kleinafrikas aus dem letzten vorchriftlichen Jahrtaufend wie Bindegüeder zwifchen dem Neolithikum Südwefteuropas und dem leben- G E S IC H T S T Ä T OW IE R U N G 52. N asenwangenschnitte (syrtisch) — 53. Kreise u n d Halbkreise (alte rythräisch) - 54. Mund wink eistrahlen (atlantisch) digen Kulturkern des Weftfudan. Ich muß hier außerdem daran erinnern, daß der Boden gerade diefer Länder reich ift an neolithifchem Steinwerkzeug und daß der Kellergrubenburgbau wie die Grabanlage der Tumuli gleiche hiftorifche Tiefe zeigen. Auf Grund folcher Überlegungen muß der Gedanke an eine bis auf die Zeit und Formwelt des Neolithikums reichende Beziehung der fyrtifchen Kultur Raum gewinnen, und anderer- feits die Armut Kleinafrikas an entfprechenden Überlebfeln fowohl wie an Funden auffallen. Diefe Armut Kleinafrikas fordert aber ebenfo energifch eine Antwort wie die Frage, wo die Bindegüeder zwifchen der Terrakotten- und der Menhir-Tätowierung zu finden find, da die Menfchen diefes Landes und diefer Periode unferes Wiffens keine folche Tätowierung mehr befefCen haben. Die Antwort hierauf kann zunächft nur die fein, daß hier Vorbilder ausgeftorben find, d. h. daß folche Masken aus Holz einmal fehr wohl übüch gewefen fein mögen (wir felbft trafen folche noch als offenbar uralte Einrichtung im füdöftüchen Marokko), aber feitdem ausftarben. Denn ihrem Typus nach repräfentieren die Masken nach Art der Tafel 140 augenfcheinüch die alteingeborene Raffe am Südrände des öftlichen Mittelmeeres. Als Vertreter des letzten Typus unter diefer Gruppe bleibt noch das Tafel 141 abgebildete Stück Z u befprechen. Die Masken diefer Art find vielleicht die verbreitetften. Ich fah zwei Stücke in Tunis, eines in Oran, eines in Cagüari und außerdem mehrere Miniaturnachbildungen, die offenbar als Amulette gedient hatten, denn zwei derfelben waren mit Ofen zum Anhängen verfehen. Diefe Stücke zeigen untereinander eine außerordentliche Einförmigkeit und ftechen allein hierdurch von den ändern fchroff ab. Fernerhin find fie durchweg dunkelrot gefärbt, während die ändern gelbüch, graurötüch oder grau gehalten und bemalt find. Die Farbe auf diefen Masken kann fich natürüch umgebildet haben. Dunkel war fie wohl aber ftets. Wie durch Einheitlichkeit und dunkle Farbe, fo ftechen fie nun aber vor aüen Dingen durch grobe, betont brutale karikierte Derbheit von den ändern ab. Die Ohren find ftets große Flügel, der Mund


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