Die erfte Bekanntrchaft mit der Seele Afrikas ward auf dem erften der beiden Wege gewonnen, und die naturgemäße Folge war, daß Afrika fich dem neuen Einfluß felbftverftändlich und mit offenen Armen hingab. Das wieder hatte zur Folge, daß wir heute die Afrikaner nicht mehr in einem ungeftörten, d. h. rein aus fich heraus entwickeltenKulturzuftand antreffen, fondern als durch afia tifche K u lturen in ne rlich Bereicherte. Alfo — ich wiederhole — ift zu beachten, daß wir aus dielen Gründen heraus heute das durch die aliatffchen und halbafiatßchen Kulturen bereicherte Afrika vor uns haben. Wir fchwerfälligen Kinder Mitteleuropas an der Kulturwende des XX./XXI. Jahrhunderts End gezwungen, die zweite Bahn zu beichreiten. Auf diefer muß Tatfachen- Icrmtnis dem Erfchauen und Befchauen vorausgehen, jede falfche Vorausfetzung bedeutet eine Hemmung und muß, wenn das Wefen der Dinge berührend, jede Synthefe im Keime erfticken. Nun wurden im Laufe des vorigen Jahrhunderts zwar Unfummen von Ttirryelerkennt.nl ffen gewonnen, die irrtümlichen Voraussetzungen aber nicht hinweggeräumt, hezw. fogarbeftärkt. Erft nachdem alle theoretifchen Verfuche und kritiklofe Über- und Unterfchätzungen durch die Tatfachenmateriale exakter Karten aus dem Wege geräumt waren, — nachdem dieie Karten die großartigen Bilder der Kulturbeziehungen des Altertums an das Tageslicht gebracht hatten, erft heute beginnt das Wefen Afrikas uns fo vertraut zu werden, daß es uns nicht mehr unbekannt ift. In möglichfter Kürze foll nun noch getagt werden, welche Bilder dieie Bekanntfchaft bietet und von welchen Geflchtspunkten aus fie in diefem Buche vorgeführt werden. DIE GESCHICHTLICHEN UND DIE NATÜRLICHEN GRUNDLAGEN DER AFRIKANISCHEN KULTUR Der alte Herodot hat im 197- Abfchnitt des IV. Buches feines herrlichen Quellenwerkes über die Bevölkerung Afrikas zu feinen Zeiten getagt: „Auch weiß ich noch fo viel über diefes Land zu lagen, daß es von vier Völkern befiedelt ift und weiter von keinem, foviel wir wißen. Von dielen Völkern find zwei eingeboren, zwei aber nicht. Die Libyer nämlich und die Äthiopen find eingeboren, jene im Norden, diele im Süden Libyens wohnhaft; die Phönikier aber und Hellenen find Ankömmlinge. Wenn wir in Rücklicht ziehen, daß Herodot fchon lange nach der halbafiaüfchen Höhe der Mittelmeerkultur lebte, daß dielen Griechen aber gerade die Phöniker alles Weitergehende mit Sorgfalt vorenthielten, fo ift fein Bericht nicht fo uneben. Denn m der Tat ift feiner Tiefe nach Afrika urfprünglich von zwei Kulturformen befeelt gewefen, von der nördlichen (am Mittelmeer) der der Hamiten oder Libyer und der füdlichen der der Äthiopen. Die hamitifche Kultur erftreckt fich von den Kanarifchen Infein bis zum Indifchen Ozean und hat ihre Ausläufer im Often von der Gegend Abeffiniens weit bis an die Südfpitze gefandt (Atlas Afncanus, Heft I, Tafel 5). Im Süden wohnten die Äthiopier. Die Grenze diefer beiden Kulturen ift beftimmten Schwankungen unterworfen. Abwechfelnd dringt die hamitifche Kultur von Norden nach Süden vor, verfchiebt damit die Nordgrenze der Negerländer nach Süden und weicht dann wieder nach Norden vor den andringenden äthiopifchen Mafien zurück. Im erfteren Fall fcheinen die hamitifchen Elemente in Oftafrika fich weit nach Süden zu ziehen, im letzteren die äthiopifchen im Weiten Afrikas in diefem Erdteil Fuß und Ausdehnung zu gewinnen. In dielen natürlichen Zuftand find nun die vier Bahnen hiftorifcher Kulturen ein- gefchnitten, deren Anfatz ich auf Karte 3 S. 3 unter 1— 4 charakterifiert habe. Diefe Ereigniffe laffen fich aber je nach dem Boden, den fie überziehen, in ganz verfchiedener Geftaltung erkennen, und hierfür maßgebend ift die natürliche Bildung des Erdteiles, von der ich in meinen nachfolgenden Ausführungen ausgehen werde. Um den Golf von Guinea herum,-heute mit größter Ausdehnung im Kongobecken, ein Kern von Urwald: die afrikanifche H y lä a ; — daran anfchließend von Senegambien bis zum Nil, vom Nil bis zum Sambeii und Kunene ein Steppengürtel, die Z e g a ; — ' im Norden und Süden je ein Wüftenmeer, von beiden die külturgefchichtlich wie ihrem Umfang nach bedeutramere die S aha ra — das ift die einfache natürliche Gliederung, von der wir in der Folge ausgehen. Noch einmal alfo möchte ich auf die Gedanken zurückkommen, von denen die Beobachtung ausging. Nachdem die Wege, auf denen die Bekanntfchaft, das Wißen, das Erlebnis gewonnen werden können, gewiefen worden find, ift es ein Leichtes, die Verbindung vom Ausgang zum Ziel in wenigen Sätzen zum Ausdruck zu bringen. Die tiefe Erfchütterung, die allein nur die mechaniftßche Ausbildung der Weltwirt- fchaft zu einem idealitätsmäßigen Erlebnis (vgl. Paideuma S. 62/5) machen konnte, die Kataftrophen der letzten Jahre führten uns im Rahmen der Welterkenntniße „Afrika“ als Lebendiges vor, das feinerfeits nun in natürlicher Weiterentwicklung unfere eigene Kultur zu beeinflußen beginnt. Die „unfträflichen Äthiopen“ treten, nachdem fie für em paar Jahrtaufende hindurch dem leitenden Kulturkreis entfchwunden waren, wieder in den Vordergrund der Weltbühne. Sie nähern fich uns im Geßtigen da, wo wir felbft am gefundeften und ftärkften find: im Naiven — und zwar im Gegenlatz zu dem überfeinerten Afien.
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