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Fernerhin tagte ich, daß jede etwa von Often in den Erdteil kommende Anregung die von Nord nach Süd auf diefer Seite des Erdteiles abßckernde althamitifche Bewegung kreuzen und dementfprechend verarmen mußte. Wenn ich mir alle meine Beobachtungen im Kreife der hamitifchen Anfchauungswelt vergegenwärtige, fo bleibt als markantefte jene ftehen, die die Pygmäen des Urwaldes boten und die S. 54 ff gefchildert wurde. Die hier vorgenommene Zeremonie ift eine magifche. Der Vorgang ftellt eine A lle go r ie dar. Allegorie hier nicht gemeint als Belebung und Darftellung eines verwickelten abftrakten Denkaktes, fondern als Ausfluß einer magifchen Vorftellung. Denn die Allegorie gehört zur Magie und zur chthonifchen Weltanfchauung, wie das Symbol zur tellurifchen Myftik. Die allegorifch-magifche Vor- ftellung findet überall Wege, jeden erreichbaren Teil eines erftrebten Ganzen aus- zugeftalten zum Begriff und Objekt des Ganzen. Überall ift der Pars-pro-toto-Glaube lebendig. Um den ändern zu verzaubern, benötigt der Chthoniker nur eines Finger- abfchnittes, eines Haarbüfchels. Das am Teile Ausgeführte wirkt auf das Ganze. Das gleiche ift es, wenn der mit böfem Willen verbundene Blick (der „böfe Blick“ , Magie der Scheelfucht) hinreicht, die fchlimme Abficht an dem betrachteten Menfchen zu verwirklichen. Das Spiegelbild des Befchauten im Augapfel des Befchauers genügt, um Macht über den erfteren zu gewinnen. In diefem Sinne ift das in den Sand gezeichnete Bild des Wildes gleichbedeutend mit dem Schickfal des Wildes, das, fobald das Bild angefertigt ift, fchon der Macht des Zeichners verfallen ift. Man fieht, welch große praktische Bedeutung in diefem Anfchauungskreife das vom Menfchen gefertigte Bild gewinnt. Es entfpricht dem, wenn außerordentlich viele Völker diefer Kultur jede Form des künftlich gefertigten Bildes ablehnen, wenn fie fich mit allen Mitteln dagegen wehren, daß einer von ihnen gezeichnet, gemalt, photographiert wird. Pars pro toto! Wenn ein übler Wille die Zeichnung mißhandlelte, würde der Ab- gezeicünete die entfprechende Unbill erleiden. Dies die primitive Anfchauung der alle- gorifierenden, chthonifchen Hamiten. Aus sich heraus würde diefe Anfchauung nie imftande fein, eine große plaftifche Kunft, die den menfchlichen Körper zum Gegenftand hat, zu fchaffen oder entftehen zu laffen. Wo Blick, Wunfch und Zauberspruch zur Macht genügen, entfteht nichts derartiges, ja muß der ftets um fein Schickfal beforgte Träger des Höhlengefühls eine derartige Entwicklung hemmen. Im Höhlengefühl wird folche Kunst und folcher Wille zur Macht unbedingt zur Furcht vor der entfprechenden Macht des ändern. Solch primitiv hami- tifcher Geilt war es, der als Kultur an der Oftküfte Afrikas entlang nach Süden fickerte und eine Barriere bildete, die jede etwa von Often herankommende Kulturwelle erft durchbrechen mußte, um das große tellurifch durchflutete Steppeninland zu erreichen. Und doch ift die Kunft plaftifcher Bildnerei durch die Barriere hamitifchen Wefens H E IL IG E F IG U R E N D E R TSCHÄMBA IN ADAMAUA S tets paarweise v erehrt. Gezeichnet vo n Carl Axriens (DIAFE 1911) hindurchgebrochen und bat nacb Norden zu bis in die große Oafe am Nil und nach Welten bis tief in die Zega ihren Weg genommen. (Wonach dann allerdings die in das Geäder des hamitifchen Laufes gefchlagene Lücke fich fogleich fchloß und nur noch der Malerei als einer erhöhten Zeichenkunft Beftand in höherer Form ließ,) — Und wir willen auch, woher diefer Umbruch kam, nämlich aus dem erythräifchen, dem füdarabifch-indifchen Becken. Diefe Herkunft bedeutet für den Stil von vornherein Richtung. Die Formen ftammen aus ernfter Ruhe. Die Strenge, die lie brachten, blieb ihnen. Diefe ftrenge GefchlofTenheit fehen wir in den öfthchften Vorkommniffen, die uns bekannt find, beiOmeto und Bari (Tafel 173 und 175) ebenfo wie bei Völkern des Nigerbogens (Tafel 172) oder im alten Ägypten (Tafel 176). Als Textabbildung obenftehend einige Typen aus dem Zentrum, dem oberen Benuegebiet. Formen aus Südoftafrika bieten auch nicht viel anderes. In allem ift der Eindruck unbeirrbarer Ruhe und Strenge ent- fcheidend. Dabei ift der erfte Gedanke an eine Formenarmut, die der Ungefchicklichkeit oder dem Unvermögen entfpränge, eine höhere Beweglichkeit zu fchaffen, nicht haltbar. Die ägyptifche Plaftik hat die Strenge, die Betonung der harten Linie auch dann nicht abgelegt, als fie über unendlich hohe Gefchicklichkeit gebot und in der Zeichnung fchon


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