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hier die höchfte bekannte Form. Alles fpielt fich im Erlebnis ab. Die von der. Natur gebotene Körperwelt ift. Es befteht keinerlei Anregung dazu, sie umzubilden, umzuformen oder nachzubilden. Gewiß gibt es Kultgerät. Aber bald befteht folches nur aus einigen Federwifchen, bald aus einigen groben Stöcken, bald nur aus den In- ftrumenten,. die bei heiligen Feften ertönen (vgl. Textabbildung S. 145 das heilige Gerät der Mambila). Nicht die Form ift es, die hier etwas bietet, verrät, die anregte, aufregte oder entfachte. Der Gedanke, der damit verbunden ift, ift das Lebendige. Das heißt, dies heilige Gerät ift Symbol. Am klarften tritt das im Totenkultus hervor, der feinem Wefen nach ein Beftandteil des profanen Lebens ift, da eine Trennung in profanes und religiöfes Leben in der äthio- pifchen Kultur noch undenkbar ift. Entfprechend der Sippenorganifation nach Altersklaffen ftirbt das Alte oben ab, wird beftattet und dann von dem Mann einer nachfolgenden Generation mit einem in der Sippe aufgenommenen Weibe zur Wiedergeburt erweckt. In der Zeit zwifchen Tod und Wiedergeburt ift der Verftorbene immanent mit der natürlichen Umwelt verbunden. Wenn alfo feinem Schädel, der möglichft fchnell nach dem Verfcheiden vom Körper gelöft und an einem heiligen Ort auf bewahrt wird, Bitten und Opfer vorgetragen werden, fo erreichen diefe Gebete und Darbringungen durch folche Vermittlung die Natur felbft, -— fo gewinnt der Lebende einen Einfluß, eine Beziehung zur großen Natur. Unter folchen Umftänden genügt alfo vollkommen die Beziehung zu dem Schädel. Die Natur ift Ausdruck der Idee. Von irgend einer Formung und Geftaltung, einer Nachahmung, Ergänzung oder Übertrumpfung der Natur durch ein Bildwerk kann gar nicht die Rede fein. Die Herftellung eines Ahnenbildes kommt gar nicht in Betracht. Oder ein anderes! Das Zeremonial des Landbaues, im Frühjahr geboten durch Bittopfer, im Herbft durch Dankopfer. Da kommt nur eines zum Ausdruck: die Erfahrung, die die große Natur bietet. Trockenheit, Schlangenbiß und dergleichen. Das find Erich einungen, die aufgefaßt werden als Ausdrücke des Unwillens, Ausbrüche des Zornes. Die große Natur wird hierzu durch den Menfchen veranlaßt. Denn der Menfch hackt die Erde auf und verfetzt ihr Wunden 5 er fchneidet die Ähren ab und beraubt fie$ er tötet das Jagdgetier und erweckt fich in den Seelen Jener Feinde. Doch find das mehr Ahnungen als Vorftellungen. Denn jene Menfchen leben noch in der Zeit vor der Entdeckung des Du und des Ich. Sie fühlen fich noch nicht als Mikrokosmos im Makrokosmos. Sie find noch eins mit der Umwelt. Aber aus diefem kindlichen Einheitsgefühl heraus wird mit naiver Selbftverftändlichkeit gerade das an der Umwelt Gehandelte mit dem an fich selbft Erlebten gleichgefetzt. Das heißt, das Seelenerlebnis wird in die ganze natürliche Umwelt projiziert, mit der der Menfch fich ohne jede Einfchränkung als Einheit fühlt. D IE H E IL IG E N SYMBOLE DES KULTUS D E R MAMBILA IM N Ö R D L IC H E N KAM ERU N Gezeichnet von Carl Arriens (DIAPE 1911) Die große Natur muß alfo verföhnt werden. Der fürchterliche Racheengel der Natur, der Leopard, das Symbol des Zornes der Natur, tritt auf und vollzieht die Rache oder immunifiert den jüngeren Menfchen, d. h. der als Leopard charakterifierte Priefter macht die reife Menfchheit erbeben, die jüngeren Männer werden durch Schnitte, Ent- zahnung und fpäter Befchneidung entfühnt, geimpft oder wie man dies der Imagination und einer der Bildung der Begriffe vorhergehenden Welt der Ahnungen entsprechend um- fchreiben will. Es ift ganz klar, daß diefe Anfchauung tieffter Religiofität entfpringt, daß fie aber nicht fähig ift, Göttergeftalten in der Phantafie oder gar im Bildwerk zu erzeugen.-^ Wie alfo follte die tellurifch-äthiopifche Kultur dazu kommen, eine Plaftik zu fchaffen?


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