erfaffen, wenn der Anfchluß an uMer Wißen von dem hiftorüchen Werdegang der Kultur bis zum äußerften Rande gewonnen wird. Und deshalb muß ich hier noch einen Schritt weiter gehen, muß diele ipätmetallzeitliche Prüfung verlaßen und hineingreifen in die Tatfachen der jüngeren, ausklingenden Steinzeit. Als das öftliche Mittelmeerbecken von der (erften?) Welle der rückftrömenden Oft-Weft- pendelung zur Zeit der Pofeidonkultur getroffen wurde, fand diefe nicht etwa eine Kulturleere oderauchnurVerelendungvor. Spanien, über das ja erfte Anregungen zur Architektur der mykenifchen Zeit nach Offen zu hinwegliefen, hatte feine neolithifche Hochkultur nicht erfchöpft. Profeßor Obermaier liefert für die Kulturkraft jener Zeit neue Belege. Diefe Kultur muß aber weit nach Süden herab, bis zur afrikanüchen Weftküfte, teils zur See, teils auf dem Landwege gereicht haben. Einfache Tatfachen belegen dies. Zu Millionen liegen heute noch die neolithifchen Steinbeilchen vom Typ jener Zeit im Weftfudan. Die hiftorüche Widderfonnengottheit kehrt in Verbindung mit diefen Steinbeilen am Niger, bei allen Mande undHaußa wieder. Die Brettchenidole des Mittelmeeres find heute noch von der Goldküfte bis zum Niger heimüch (vgl. Titelvignette S. 127) als lebendige Nachkommen einer für das Mittelmeer nur noch durch Ausgrabungen zu erhärtenden Tatfache. Das aber heißt, daß die Tarteßos-Tursha, die kolonüierend und das Gold der Goldküfte entdeckend nach Weftafrika, nach Uphas kamen, hier nicht auf Barbaren ftießen, fondem eine „kulturelle Prädispofition“ vorfanden, die auf das Neolithikum, wenn auch vielleicht nur auf feinen Ausgang zurückführt. STILBILDUNG IN AFRIKA Ich habe mich bei den Problemen der atlantifchen Kultur fehr lange aufhalten müßen. Gerade die weftafrikanüche Kultur und Kunft betrachten und beurteilen zu wollen ohne eine Ahnung von diesen Dingen, — das scheint mir nicht möglich. Ich sehe mit viel Freude, daß das Intereße gerade für die Schnitzereien des atlantifchen Kulturkreifes täglich im Wachsen begriffen ift. Aber viele unter denen, die diefe Kunftwerkchen fo hoch fchätzen, betrachten fie als „primitiv“, als Zeugnüfe ungeftört naiver Kunftleiftung, als Ausdruck der „enormen Produktivität des Kindeszeitalters der Kultur“ etc. Diefes aber find Auffaffungen, die dem Tatfachenbeftande widerfprechen. In Wahrheit kann ich auf afrikanifchem Boden fo gut wie keine kunftgeftaltende Naivität entdecken. Sie zu fuchen, heißt aber fich blind machen gegen die wirkliche Größe afrikanifchen Kunftlebens. Die fe beruht in einer bis in die Neuzeit unbeirrbar gebliebenen F äh ig k e it zur Stilbildung. Wir können diefe Fähigkeit zurückverfolgen bis in die petrographifche Kunft der mittleren Steinzeit, fehen ihre Höhe in Ägypten und beobachten ihr Ausfterben in unteren Tagen. Und diefer Charakterzug entfpricht auch vollkommen dem ungeheuerßchen Beharrungsvermögen der Afrikaner, ihrer erstaunlichen Fähigkeit zu erhalten. Die afrikanifche K u ltu r (und damit auch Kunft) hat für die K u ltu r morphologie die Bedeutung e in e r Stein und Sch rift w eit ü b e rtre ffen d en Kraft der Ku lturerhaltung . Das Bild der mittleren Steinzeit lebt in der Erinnerung der afrikanüchen Menfchheit länger als ihr tatfächliches Vorhandenfein. Die den Alten fagenhaft erinnerliche Sitte des äthiopifchen rituellen Königsmordes ist noch heute in Übung — und zwar nicht als foßiles Herkommen, fondern als Einzelausdruck aus einer gefchloßenen voll durch und durch echten Anfchauungswelt heraus. Die Erinnerung an eine Landung, die an den Syrten vor Jahrtaufenden ftattfand, lebt im Bardenfang nahe der Weftküfte heute noch. Aber, diefer Bardenfang, diefe mörderifche Zeremonie, diefe Götterfabel haben eigenen Stü. Daift nichts darin vom flachen Hofenniggertum, das europäifche Torheit an der Weftküfte züchtete. Das Alte ift ernft, ffreng, herb — wenn auch im Weiten weniger als im Offen. Damit aber bin ich auf den im folgenden leitenden Gedanken gekommen: die Verfchieden- artigkeit afrikanücher Stüformen, foweit ße in der Plaftik zum Ausdruck kommt. Denn nachdem im erften Teüe befonders die Petrographie und im zweiten die Architektur gewürdigt wurde, mag nun im dritten befonders der Plaftik gedacht und dabei der Ver- fuch gemacht werden, historüche Tiefe, finnliche Bedeutung und Formwefen in ihrem notwendig vorhandenen Zufammenhang zu erfaffen. 1. DER S T |L DER OSTAFRIKANISCHEN P L A S T IK (Hierzu Tafel 120— 137 und 156—16g) Eine frühhiftorifche Plaftik läßt fich im Öftlichen Afrika nur für Ägypten und hier nur in fehr kümmerlichen Formen nach weifen. In Ägypten fteigert die Plaftik lieh fpäter verhältnismäßig fchnell zu Leiftungen von weltgefchichtlicher Bedeutung. Die Oafen- haftigkeit kommt hier in ihrer vollen Intenfität zum Ausdruck. Oftafrika und eigentlich auch die ganze Zega und der Sudan find arm an Plaftik. Diefes Negativum fordert eine Erklärung. An fich ift diefe leicht und mit wenigen Worten zu geben: Oftafrika und die Zega find der Boden tellurifch-äthiopifcher Kultur, der Often zudem noch Wanderftraße der alten antiplaftifchen hamitifchen Kulturfüdfickerung; etwa über das Meer vom fernen Often eindringende Anregungen mußten diefe althamitifche Bewegung kreuzen und dem- entfprechend verarmen. Gehen wir näher darauf ein, was dies bedeutet. Die tellurifch-äthiopifche Kultur ift durchaus imaginativ. Die Durchgeiftigung erfährt F r o b e n iu s , Afrika 141
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