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dem der Wirtfchaft, das des Landbaues mit dem des Staates, das der Gemeinde mit dem der Familie. Sie ift unbedingt organifche Einheit. Als folche fand ich die atlantifche Religion nur noch in diefer Gegend. Aber wie gefagt: in zerfallener Form ift fie längs der Külte und im Volta- wie im Kongogebiet weit ins Inland hineingelagert (vgl. Karten- fkizzen S. 155). Die Symptome der ätlantifchen Kultur find in großer Zahl leicht feft- ftellbar und in ihrer Auswirkung leicht zu greifen. Nur fie kennt den echten frontalen Bogen (deffen Befehnung über die Stirnen des Bogenholzes läuft), deffen ältefte Typen triangulär find; nur hier ift im Gegenfatz zu den anderen Kulturen das weibliche Prinzip mit der drei, das männliche mit der vier verbunden (vgl. oben S. 123); nirgends anders wird das Orakel aus den Eingeweiden menfchlicher Opfer gelefen; die Trauerfarbe ift dunkel, oft fchwarz; die Leichen werden vor der Beftattung gedörrt, im Sarg, wenn er auch nur aus einem Korbgeflecht befteht, zu Grabe getragen; der Bildung der Ge- meinfchaften liegt ein ftark matriarchalifcher Zug inne, der fich jedoch von den alt- hamitifchen und erythräifchen unterfcheidet; eine durch Frauen ausgeführte Flechtweife für Matten und Körbe ift in der Technik erkennbar etc. Alfo ein klares Bild alter Einheit. In der Mitte diele Orifchareligion. Dazu die Erinnerung an einftige, auch in Staatsgebilden zum Ausdruck gelangte hiftorifche Größe, die in Oberguinea wie im Kongogebiet noch von den erften europäifchen Entdeckern des Mittelalters angetroffen wurde. Die Frage nach der Herkunft und dem Alter diefer merkwürdigen Kultur wurde fchon früher aufgeworfen und ihre Beantwortung ver- fucht (Und Afrika fprach I). Was damals ausgefprochen wurde, hat feitdem nach allen Richtungen vertiefende Beftätigung erfahren. Sogar das, was damals noch als allzu wag- halfige Vermutung erfchien. Der Epigone des alten atlantifchen Reiches, der König von Benin, leitete fein Gefchlecht aus Ufa ab. Ling Roth identifiziert Ufa mit Ife, der heiligen Hauptftadt der Yoruben, in deren Ruinen herrliche alte Terrakotten und Güffe gefunden wurden (Tafel 142- ] 48). Ufa ift aber auch der Name, den das Reich führte, als es noch die Länder der Goldküfte bis öftlich des Niger verband. Die weftafrikanifche Sage weiß vom Goldreichtum des Landes Ufa große Dinge zu erzählen, und was wir aus unferer Zeit vom Prunke der weltlichen Epigonen diefes Priefterreiches, vom König der Aschanti etc. wiffen, beitätigt dies vollkommen. Die Goldquelle des alten Ufareiches floß im Weiten, in jenen Strichen, die wir heute noch oder wieder Goldküfte nennen, während der geiftige Mittelpunkt dem Often zu, eben im heutigen Yorubaland, in Ife lag. Die hier von uns dem Boden und der noch lebendigen Tradition abgewonnenen Funde führen ohne Schwierigkeit zum Ausgangspunkt der atlantifchen Kultur. J§| Allein fchon die atlantifche Götterlehre fordert den Vergleich mit der altetruskifchen heraus. Das Problem der atlantifchen Kultur in Weftafrika ift ohne Verbindung mit dem der Etrusker nicht zu löfen. Die atlantifche Religion mit der 16 Göttergliederung ift die der Fulgurallehre. Der Im- pluvialbau der Yoruben ift der des Atrium toscanicum. Der Bogen ift der trianguläre der frühen Etruskerperiode. Der leitende Gott der Yorubenkultur ift Olokun, der Gott des Meeres, ebenfo wie Pofeidon für das Mittelmeer gewiffermaßen das Sinnbild einer Kulturperiode ift, die der griechifchen vorausging. Diefe große vorgriechifche Kulturperiode ift uns aber eben in diefer eigenartigen etruskischen Kultur recht gut erhalten. N a c h H e r o d o t l 94, find die Etrusker oder Thyrrhener aus Lydien gekommen. Das ägyptifche Infchriftenmaterial des XII. Jahrhunderts v. Chr. lehrt die „Tursha“ als Seegewaltige des weltlichen Mittelmeeres kennen. Unter der Unzahl von Varianten, unter denen diefer Name in der alten Gefchichte auftaucht, nimmt Tarfchifch oder TartefCos, die Stadt im Turditanerland im füdweftlichen Spanien, die faft mythifche Stadt des Silberreichtums, uralter Sprach-, Dicht- und Schriftkunft (auf die Profeffor Schulten-Erlangen neuerdings mit fo großem Nachdruck hinweift), die erfte Rolle ein. Tarfchifch außerhalb Gibraltars und der Säulen des Herakles am atlantifchen Ozean gelegen, ift gewiffermaßen ein Höhepunkt diefes mächtigen Kulturkreifes. Er lag fchon zu griechifcher Zeit wie das ganze Weitbecken außerhalb der direkten Verbindung mit derWeftkultur. Wiederum Herodot erzählt (I 163), daß als erfte unter den Hellenen die Phokäer Tyrrhenien und Tarfchifch |Bfflwie typisch, daß hier wieder beide in einem Atemzuge genannt werden — ) „entdeckt“ hätten. Alfo liegt eine Kluft in der hiftorifchen Beziehung vor. Tarfchifch gehört einer Zeit an, in der eine von Lydien ausgehende Bewegung aus dem ägäifchen (weltlichen) in das tyrrhenifche (hier in Erweiterung für das weltliche Mittelmeerbecken) Meer hineinragte, in der das von den Griechen übernommene Wort Thalatta für Meer fich ausbildete. Ich ftelle ein entfprechendes Wort hier ein und leite die Namen aller diefer Völker von ihrer Meerfahrt ab. Tarfchifch eine Stadt am großen Meer. Tyrrhener, Tursha, Etrusker jt§- Seegewaltige. Das einer Pofeidonperiode an Größe würdige Bild, das den Jüngeren wie Phönikiem, Joniern und gar Römern nicht mehr verftändlich war. Soweit die Bedeutung der der yorubifchen im Sozialen ähnlichen Kultur der Etrusker. Ein hiftorifcher Fingerzeig findet fich nun aber auch dafür, daß die thalaffifche Kultur bis nach Weftafrika reichte. Schon Dahfe hat darauf hingewiefen, daß zu Salomos und König Hirams Zeit wenigftens den Phöniziern noch der Weg nach Weftafrika bekannt war. Die Tarfchifchfchiffe brachten nach den Akten des alten Teftamentes drei Jahre nach ihrer Ausfahrt Silber aus Tarfchifch und Gold aus Uphas mit. Auch Dahfe glaubt, ■ daß Uphas die Goldküfte ift. Schon Julius Fürft hat das in Jeremias X 9 und Daniel X g vor- kommendeWort Uphas filbenmäßig mit Küfte des Goldes-S Goldküfte überfetzt. Deutet dies nicht fehr dringlich auf die Erinnerung derWeftafrikaner an ihr Ufareich hin? — Hier möchte ich nun nochmals darauf hinweifeij, daß es nur dann gelingen kann, das Wefen der afrikanifchen Kulturformen in ihrer ganzen Tiefe auch nur annähernd zu


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