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Die äußere Wohnftätte atlantifchen Götterdienftes muß auch dem ahnungslofen Fremdling auffallen. Im Gegenfatz zu dem allgemeinen weftafrikanifchen Bauftile der kleinen Häuschen und niedlichen Architekturen (Tafeln 128— 130) findet der Wanderer an den Seiten ausgetretener Straßen über ftarken Lehm wänden aufragende mächtige Satteldächer (Tafel 151 und 132). Lange kann man an folchen Lehmwänden entlang wandern und erkennt bald, daß man fich nicht in einem weftafrikanifchen Walddörfchen, fon- dern in einer alten Stadt der atlantifchen Kultur befindet. (Die großen Yorubaftädte haben igo— 200000 Einwohner!) Eine weitere Wahrnehmung ift die, daß hier nicht kleine Einzelwohnungen, fondem große Gehöftanlagen ftatt kleiner Einzelfamilien große Familien verbände bergen. Mit der Textfigur Seite 157 führe ich ein folches Gehöft einfachfter Art im Grundriß vor. Vor dem Eintretenden eröffnet fich ein weiter Hof, umkränzt mit einer Galerie von Kammern; das Dach bildet, weit herabhängend, Laubengänge; in der Mitte fteht ein runder Tempel mit Kegeldach. Am Ende diefes tiefen Hofes ist das eigentliche Wohngebäude der Familie. Unter gewaltigem Satteldach liegen die Wohn- und Arbeitsräume im Innern zwei Impluvien bildend. Den Blick unter dem überhängenden Dach hindurch in ein folches Impluvium bietet Tafel 153. Des weiteren ftellt Tafel 134 eine gute Hluftration der Anlage dar. Man denke fich in der rechten hinteren Ecke des Hofes (Grundriß S. 137) ftehend und von dort aus längs des durch das hohe Dach gebildeten Laubenganges in die linke Ecke hinüberfehend. Der Blick gleitet da zunächst an der Kammer vorbei, die auf dem Grundriß als Tempel bezeichnet ift. Solche Tempel zeigt die Tafel 182, und zwar im vorliegenden Falle einen folchen des Gottes Schango. Vordem hatte jedes Gehöft in diefem Lande einen folchen Tempel, und er war gewiffer- maßen der Mittelpunkt des Lebens, verband die Bewohnerfchaft mit dem Leben der Vorzeit, mit der Außenwelt und mit dem Innenleben des ganzen Volkstums. Denn die Götter waren dereinft als ein Herrfchergefchlecht in diefem Lande groß und gewaltig. Alle anfehnlichen Menfchen leiten ihre Abftammung von diefen Göttern ab, fo, daß jeder Menfch aus dem Kreise derzeitig gemeinfam Lebender durch eine Unzahl von Gefchlechtern zurückblicken kann bis zu dem göttlichen Ahnherrn. Diefer Gott ift aber nicht nur ein Familien- oder Sippengott. Er ift auch ein Gewaltiger der Natur, Gott der Erde, Gott des Meeres, Gott der Sonne, Gott des Eifens, Gott des Himmels. Jedesmal nun, wenn im Jahre das Feft des betreffenden Gottes begangen wird, vereinigt die ganze Stadt lieh um die von ihm abftammende Familiengruppe. Jedesmal, wenn diefer Gott aus Not und Bedrängnis oder aus Fürforge mit Gebet und Opfern angegangen werden foll, treten feine Nachkommen an die Spitze der Gemeinde. Denn aus der Nachkommenfchaft geht naturgemäß die Priefterfchaft des Gottes hervor. Diele Orifchareligion der Yoruben verbindet alles mit allem, das Leben des Rechtes mit


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