fügt und einige ihrer Schöpfungen, fo vor allem die Trommelfprache, infolge ihrer eminenten Entwicklung auf außerordentlich hohes Alter fchließen laffen, eine Angelegenheit von großer Bedeutung in dem Augenblick, in dem die Priorität einer Technik und Materialverwendung im chronologifch-typengefchichtlichen Aufbau der Gefamtkultur in Frage gezogen wird. DIE WELLEN VON OSTEN. ERYTHRÄISCHE KULTUR Soviel vom Urwald, der heute eine Zufluchtsftätte untergehender Kulturform wurde und der doch felhft ein nach Weiten gedrängtes Kind einer Urzeit ift, —— einer Urzeit, der die menfchenähnlichen Affen angehören, — einer Urzeit, in der Dickhäuter keine Ozeane oder auch nur Meeresarme zu durchqueren brauchten, um von Afien nach Afrika (oder umgekehrt) zu gelangen. Demgegenüber die anfchwellenden Wellen jüngerer Kulturftröme, die vom Rand des Erdteiles aus auf der Zega und von ihr aus gegen die Hyläa anbrandeten. Von der vom Mittelmeer her eingefallenen fyrtifchen Bewegung fprachen wir fchon. Nun die bedeutendfte, die ftärkfte und entfcheidendfte, die am häufigften wiederholte, die niemals ganz abgebrochene Brandung, die erythräifche! Und zwar aus diefer Brandung nicht jene fehr alte, die wir eben erwähnten, die mit archaiftifchem Holzgerät weither von Offen über das Meer kam, auch nicht jene jüngffe, die als Araberhorden oder als Geezfprechende oder als neuindifche nicht allzuweit in das Innere vordrang, — nein, jene gewaltige Welle, die ihre Vorgängerin, die alterythräifche, in den Urwald drückte und deren Wucht und Stärke heute noch fo gewaltig ift, daß die Nachdringenden in ihrem Rücken nur kleine Kräufelungen erwirkten; ich meine die mittelerythräifche Kultur. Unter allen unferen Kartogrammen hiftorifcher Kulturbewegung in Afrika wiederholt lieh kein einziges fo häufig wie: eine breite Fläche an der Oftküfte vom Nil bis zum Sambefi, alfo in der Richtung Nordfüd, ziemlich eng anliegend am erythräifchen Ge- ffade, in zwei Zungen nach Weiten den Erdteil durch dringend 5 im Norden bis zum Senegal (die Variante norderythräifche Kultur). Diefe beiden Varianten zeigen untereinander Verfchiedenartigkeiten, die aber an Zahl wie an Bedeutung weit zurückffehen gegenüber der inneren Ubereinffimmung und Einheitlichkeit. Für folche Einheit legen Zeugnis ab die gleichmäßig auf diefem Gebiet vordringenden Kegelhütten, die einheitliche Verbreitung des Hafen oder Kaninchens als Fabelhelden (entfprechend unferem Reinecke oder Fuchs5 in der hamitifchen Kultur nimmt der Schakal diefe Stellung ein, im atlantifchen Kulturkreife Spinne, Schildkröte, Bufchböckchen, nach Südoften zu „Kabundji“), das Hervortreten beftimmter Körnerfrüchte, Haustiere ufw. Vgl. Karten S. 151. Aber keines unter allen dielen Symptomen ift fo eigenartig, fo emfchneidend, bedeutungsvoll und vielfagend wie die diefem mittelerythräifchen Kulturkreis eigene Staatsform, die in unendlich vielen kleinen Spielformen zutage tritt, aber auf einem fehr tief wurzelnden Gedanken beruht. Aus einem Gegenfatze wird das klar werden. Im großen und ganzen find die Gebiete, über die' die mittelerythräifche Kultur hinzog, auf der fie fefteingeniftet, im neunzehnten Jahrhundert noch wohlgefällige und leicht erkennbare Geftalt hatte, Heimatboden der äthiopifchen Kultur. Die fozialen Zuftande der äthiopifchen Kultur wurden oben (S. 71 ff) fkizziert. Überall kleine bäuerliche Sippen. In allem Selbfterzeuger. Einziger Beruf: der Schmied. Uneingefchränktes Regiment des Sippenälteften, keine Hierarchie, keinerlei Stammesverbände, keine Märkte. Landbau ift die allein entfeheidende Wirtfchaft. Einzig mögliche Bezeichnung für den fozialen Zuftand: patriarchalifche Anarchie. — Niemals wäre ein klaffifcher Philofoph auf den Gedanken gekommen, diefe Gemeinfchaften mit dem Begriff eines Staates in Zufammenhang zu bringen. Im Sudan und auch auf der Zega ift diefe foziale Verfaffung noch in großen Gruppen anzutreffen, die überall als Zerfplitterte, Zerftreute, Ifolierte zwifchen Stärkerverbundenen, Stämmeumfchheßenden, Staatenbildenden wohnen. Für den Sudan fteUte ich fie als Tieffudaner den Hochfudanern gegenüber. Von diefen ftärker verbundenen, ftämmeumfchließenden, ftaatenbildenden Völkern des Sudan wurden bisher nur Träger der fyrtifchen Kultur, der in Kaften gegliederten, Adel und Helden verehrenden und befragenden Völker erwähnt. Der größere Teil der Hochkulturen gehört der mittelerythräifchen an. Diefe mittelerythräifche Kultur kennt nicht den Helden, nicht den Barden, ebenfowenig wie die fyrtifche Staatenbildung das kennt, was die mittelerythräifche vor allem auszeichnet: ein Beamtentum, eine Beamtenhierarchie. Das ift wieder ein fchroffer, unüberbrückbarer, nur aus dem Hervorgehen aus den zwei vollkommen verfchiedenen Quellen verftänd- licher Gegenfatz. Diefe Beamtenhierarchie ift ftets gekrönt durch vier Erzbeamte, denen fich eine oft außerordentlich fein gegliederte Abftufung von reffortmäßig Amtierenden anfchließt bis herab zum Marktauffeher, Henker und Hofnarren. Die vier Erzbeamten haben im allgemeinen große Ähnlichkeit mit denen mittelalterlicher Reiche: Truchfeß, Mund- fchenk, Marfchall, Kämmerer. Hier aber, näher der Quelle langer Entwicklungsläufe lebt noch Urfprünglicheres. Hier find diefe Erzbeamten noch näher verbunden mit anfänglicher Sinngebarung; nämlich in jedem Staate waren fie Lehnsherren der vier Weltgegenden des Reiches, Fürforger für das Wohl und Wehe des Staates und ganz primär auch entfeheidend für Thronbefteigung und Tod des jeweiligen Königs.
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