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jüngerer Generationen zur Kunftausübung aus, defto fchwächer find die Ausfichten auf ein Fortleben der Technik. Anders verhält es fich mit einem vergänglichen Material, wie dem Holz. Der Wald, der Baum, das Holz wachfen da am üppigften, wo auch feine größten Feinde leben und wirken: Kegen und Getier. Gerade da wird der Menfch am ftärkften zur Holzarbeit angeregt. Solche Werke find fehr vergänglich. Sie find zerbrechlich, fie find dem Feuer ausgefetzt, fie werden vom Gewürm zerfreffen. Holzgerät zwingt zur ftändigen Erneuerung, zur technifchen Erziehung auf lange Dauer und in größerem Kreife. Eine Gruppe monumentaler Felsbilder kann einer großen Gemeinfchaft auf viele Generationen genügen und noch lange beftehen, nachdem fein Sinn im Bewußtfein der Menfchen und die letzten zur Ausführung durch technifches Können Fähigen zu Staub geworden find. Holzwerk will erneuert werden, wird von vielen geübt, erzieht zur vielfeitigen Betätigung von Generationen erbgemäß geübter Technik. Stein drängt in der Kunft zur Monumentalität, feine eigene Dauer zur Vergänglichkeit der Kunft. Holz dagegen erzieht zu Vielfeitigkeit und Dauer der Künftlerfchaft. Hunderte von Jahren, nachdem eine Maskenform zum erften Male gefchnitzt wurde, nachdem fie zu Moder wurde, können noch Menfchen leben, die ihrer Nachkommenfchaft Masken von ihrer Art fchnitzen und benutzen, -— gerade weil die Einzelne fo vergänglich ift. So aber kommt es, daß in folchem Sinne eine geftern gefchnitzte Holzfigur in Wirklichkeit älter fein kann als eine vor Jahrhunderten ausgeführte Steinarbeit. Im Holzwerk wiederholt fich alfo die Natur des Waldes, des Baumes. Der „eine“ ftirbt, fein Leben befteht fort im Gefchlecht. Das einzelne Werk zerfällt, das Werk felbft aber ift Geftalt gewordene Idee 5 die Idee ift beftändig. Die Form lebt nicht als Einzelform, fondera als Ausdruck einer Idee, die fich unbegrenzt auswirkt. Daß in diefer Auswirkung Tendenzen verfchiedenfter Art, der Degeneration wie des Aufftieges, der Verarmung wie der Bereicherung zu beobachten lind, — auch das ift homolog der Natur des Baumes, des Holzes, des Waldes. Zwei Arten der Baumbedeckung zeigt der afrikanifche Boden. In den meiften Gefilden der Sahel und der Zega lebt der Baum nur zerftreut, zuweilen zufammengedrängter, mehr aber zur Vereinzelung neigend. In der Pflanzendecke der Zega tritt der Baum vor dem Kraut und vor dem Gebüfch zurück. Demgegenüber ift die Hyläa der gefchloffene Urwaldj Hyläa bedeutet übermächtige Herrfchaft des Baumes über den Bufch, Unterdrückung der Kräuter. In der Zega ragt das Kraut frei gen Himmel, kann den Keimpol mächtig entwickeln und bietet dem Menfchen daher allerhand Körner und Getreidearten. In der Hyläa behindert das Gefchlecht der Baumriefen die Entwicklung der Kräuter nach oben, fo daß diefe gezwungen find, ihren Wurzelpol zu entwickeln, und fo werden die Bewohner der Hyläa und der hyläifchen Umwelt zu Knolleneffern. In A L T E R Y T H R Ä IS C H E K U L TU R SYM PTOM E 48. Die Baubauformen, der Rauchpfeife — 44. Bogen m it geschlftufter Bambus- oder Rotangsehne (echarpe Besehnung) — 45. Die hölze rne Schlitzpaüke der Zega aber ift der Baum andererfeits ein fchattenfpendender Freund der Menfchen, die ihn gern bei ihren Siedlungen anpflanzen und fein Dafein verehren. Die Hyläa fucht der Menfch als Wohngebiet nicht gern auf. Sie ift ein Zufluchtsort, eine Stätte für Verdrängte oder Abgewanderte. Es ift fchwer, fich darin eine Heimat zu fchaffen. Gelang es aber erft einmal, dann bietet die Hyläa guten Schutz, — fo guten Schutz, daß der Menfch vielfach die Widerftandskraft gegen Ungewohntes einbüßt und d^ran zugrunde geht. In der Hyläa herrfcht das Phänomen der ftändigen Erneuerung der Materie. In der Hyläa ift das tellurifche Prinzip bis zur Kraft der Vernichtung verkörpert. Urwaldriefen ftürzen, Schlinggewächfe umklammern fie. Gewürm zerftört beide. Aus derVerwefung fproßt neues Leben, fchießt empor und frißt lieh, kaum entftanden, fchon in das ältere hinein, um es bald ganz zu verfchlingen. Lianen vernichten Baumriefen, Würmer Lianen, bis ein Gigant, im Verfcheiden hinftürzend, Hunderte und Taufende kleiner Lebewefen vernichtet, — andere rächend, felbft aber im Vermodern Hunderten und Taufenden kleiner Lebewefen, Millionen und Milliarden kleiner Lebenszerftörer Nährboden bietend. Die Hyläa ift in Verbindung mit der Erde wie die Außenfeite eines vollgefogenen Schwammes. Ein unendlich verzweigtes Netz von Quellen, Bächen, FlüCTen und Strömen im tieferen Lande, von Sümpfen und Moräften im höheren, das ift die Heimat der Hyläa. Der Strom, der durch die Zega fließt (Tafel 61), bietet mit feinem Steigen und Fallen die Fruchtbarkeit eines Mefopotamien. Auf feinen Ufern haften Reis- und Kornkulturen, erftehen hohe Kulturblüten. Für die Kultur der Zega bedeutet diefer Strom alles und feine Auswirkung erftreckt lieh auf Hunderte von Kilometern in das flache Land hinein. Der Strom der Hyläa bedeutet aber zunächft nichts anderes als: Hauptader der Ent


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