Eine eigene Welt entwickelte fich. Und da alsbald, nämlich mit dem Eintritt der nor- difchen Primitiven in das Mittelmeerbecken, die alten Beziehungsadern zwilchen Afiaten und Weftaiiaten zerftört wurden, so blieb das bereicherte Afrika mit feinem noch fo jungen Lebensgehalt fich felbft und der Fähigkeit, ihn auszutragen, ihn durch Arbeit zum Eigenbefitz zu machen und ihn dann zu erhalten, überlaffen. Oben fagte ich fchon, wie tief es berühren müffe, diefe Aufgabe in ganz großem Sinne erfüllt zu fehen, denn man bedenke, was es heißt, daß fchon Herodot es bezweifelte, daß an der Oftküfte Afrikas einmal eine Schiffahrt getrieben wurde, daß fchon die Römer an der einftigen Exiftenz von Tarteffos zweifelten, daß Ptolemäus feine Wege an der Oftküfte nach den Logbüchern Mitlebender, feine Inlandswege aber nur nach alten Aufzeichnungen der alexandrinifchen Bibliothek einzutragen vermochte. Afrika wurde fich vollkommen felbft überlaffen. Nur die Länder am Mittelmeer blieben noch im Weltverkehr und wurden fomit zur Heimat einer neuen, kleinen, epigonenhaften Landkultur, die im Islam gipfelte. Islamifche Araber waren auch die erften, die auf dem Landweg der syrtifchen Wanderbahn in das Inland eindrangen, aber durchaus nicht imftande waren, Europa aus feiner egozentrifchen, auf die gemäßigte Zone eingefchränkten Betrachtung herauszureißen und für Afrika wirklich ein neues Inter- effe zu erwecken. Die Wiederentdeckung Afrikas war durch eine natürlich fich abwickelnde Schwerpunkt- verfchiebung bedingt. Ich darf zurückverweifen auf das, was ich über die Pendelbewegung der Kultureinflüffe auf S. 9 ff. gefagt und außerdem an der Spitze diefer Zeilen durch Kärtchen 1 -—3 gezeigt habe. Die zweite unter den für heute nachweisbaren Kulturperioden der Mittelmeerkultur war charakterifiert durch Oft-Weft-Bewegung. Sie wurde geftärkt durch das Auftreten der Mitteleuropäer am Mittelmeergeftade. Diefe Yorftöße zeigen untereinander einen phänomenal klaren Zufammenhang und einen in feinen Auswirkungen erftaunlich ficheren Rhythmus. Nämlich der Vorftoß I der Hellenen zerftört die Einheit afiatifcher und halbafiatifcher Kulturvorherrfchaft. Der Vorftoß II der Umbrer führt zur Gründung des römifchen Reiches, deffen Kultur auch als Staatsform das Kulturbecken „Mittelmeer“ ausfüllt, und der Vorftoß III der Germanen wirft das Schwergewicht wieder auf das Landgebiet, auf dem,einft Tarteffos lag (vgl. Kärtchen 3 S. 3)5 er führte zur Entdeckung Amerikas. Der Rhythmus der Reihenfolge ift prägnant. Der Zufammenhang der Dinge ift aber nicht nur dadurch gegeben, daß ihre Abwicklung fich genau im Sinne des noch immer wirkenden Oft-Weft-Pendelfchlages abfpielt, fondern daß fich auch jetzt wieder die Erfchließung des Atlantifchen Ozeans mit der Verfchiebung nach Weften einftellt. Denn die E r fü llu n g diefer Verfchiebung von Griechenland über Rom bis nach der Ib e rifch en Halbinfel b edingt mit N otwend igke it die Wiederentdeckung D IE S Y R T I S C H E K U L T U R IN A FR IK A 10. Ruinen- u n d Einfallgebiet — 11. Größte geschlossene Auswirkung — 12. Berü h ru n g u n d Beziehung z u r (2) no rd e ry th räischen u n d (4) a tlan tisch e n K u ltu r Afrikas. Ebenso wie die TartefGer in jener frühen Periode einft die erften Entdecker Weftafrikas und die Gründer der erften atlantifchen, der uphafifchen Kultur in Afrika gewefen waren, ebenfo mußten es jetzt die Portugiefen in diefem Stadium des kulturellen Pendelfchlages sein. Aber die kulturellen Niveaudifferenzen, die paideumatifchen Stufenzugehörigkeiten und der Charakter der Kulturträger der zweiten Entdeckung waren recht unterfchiedlich gegenüber dem entfprechenden der erften. Es ift kein Zweifel, daß die kulturelle Differenzierung der Menfchheit in dem Zeitraum zwifchen den beiden Erfchließungen Afrikas fich gewaltig geändert hat. Die Menfchen der Kupfer- und Bronzekulturperiode ftanden einander noch näher, als die des XV. nachchristlichen Jahrhunderts. Afiaten und Neger verbanden lieh aber nicht nur aus diefem Grunde beffer, als Europäer und Neger. Das, was die Afiaten ftets den Negern nahebringen wird, ift eine gewiffe Primitivität die die Afiaten nie verloren haben. Die Neigung zu primitivem Fatalismus wird Neger und Afiaten immer verbinden. Das andere, was diefe Unterfchiedlichkeit zwifchen Europäer und Neger demgegenüber vertiefte, ift die Entwicklung der europäifchen Kultur in den Rationalismus, in den Egozentrismus, in die bewußte Kaufalität. Die Bahn des unbeirrbaren Zweckbewußtfeins, der unbeugfame Wille zur Selbftfchickfalsbeftimmung, die Neigung zur in Dreffur ausmündenden Disziplin, Härte, Schärfe und Kantigkeit der Formen, das find Züge, die die europäifche Kultur von den Griechen an in immer mehr betonter Klarheit charakte- rifierten und — fchon von der erften Berührung an — zwifchen den wiederentdeckten Negervölkern und Europäern eine zunächft klaffende, auf Gegenfeitigkeit beruhende Verftändnislofigkeit zur Folge hatten. Mit genau der gleichen zielbewußten Energie, mit der die erften Entdeckerfahrten nach Afrika und Amerika durchgeführt wurden, mit der die Konquiftadoren die ameri- kanifchen Hochkulturen in verblüffend kurzer Zeit zerftörten, mit der das Tempo der
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