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liehen Baukunft Abeffyniens zu, fo nehmen wir wahr, daß auch die Architektur charakte- riftifche Züge des hamitifchen Paideuma hat. Vor allem: die chriftliche Baukunft wußte fich hier nicht wieder von dem altjüdifchen Allerheiligften zu trennen. Das große Welt- rätfel verlinkt in einer dem Volk unzugänglichen „Höhle“ . Die abeffynifche Kirche wäre gnr um diefe Sache mit einem fchroffen Gegenfatz zu beleuchten — nie fähig ge- wefen, die aufftrebende Gewalt eines gotifchen Domes zu verftehen. Dazu aber noch eines: die chriftliche Kunft Abeffyniens befitzt eine Ornamentik, die mit den fonftigen fchlichten Zeugniffen des Vordringens chriftlicher Glaubensfymbolik in das Innere Afrikas (Tafel 11 o) nichts gemeinfam hat. Diefe abeffynifche Ornamentik fah ich gefchnitzt in die Pfeiler der Kirchen, fie umfaßt das Allerheiligfte (Tafel 108 und Textfigur S. 115), fie ift erfichtlich an den gegoffenen Kreuzen und Kirchenfymbolen, fie tritt gefchmiedet auf (Trommel Tafel 10 9, Textfigur S. 119) und fie umrahmt oder durchzieht die gemalten Heiligenbilder in bandförmiger Malerei. Das Wefen diefer Ornamentik ift ganz klar. Es ift eine Bandornamentik, die aus feinem Riemengeflecht befteht, genau wie die Ornamentik der atlantifchen Kultur in Weftafrika, wie die der Langobarden im fpäteren Italien, wie das normannifche und irifche Schmuckwerk. Gleiches Riemenmufter fand ich an dem Mimbar (Gebetftuhl) der großen Mofchee von Kaiman (Tafel 53); es foll auch an Reften maurifcher Mofcheefchnitzerei in Spanien Vorkommen. Es hegt wohl fchon der Ornamentik altetmskifcher Keramik zugrunde. AUes das führt ja vielleicht auf ein gemeinfames Herausquellen aus dem weltlichen Afien, vielleicht aus Inneraiien, zurück. Aber das ift keine Frage, die hier zu beantworten ift. In einem späteren Teil und bei Behandlung der atlantifch-weftafrikanifchen Kunft wird fie wieder an uns herantreten, dann aber wohl unfer ganzes Int er ehe in Anfpmch nehmen. Hier genügt diefer Hinweis. Wichtig ift, daß heute diefer hamitifch-chthonifchen Kultur Nordafrikaseine folche Ornamentik näher liegt als figurale Plaftik. — Und wie ift es mit der arabifchen Kunft? DAS HOHE LIED VOM HELDEN Noch einmal und zum Abfchluß diefes Teiles möchte ich zurückkehren zu jener fyr- tifchen Kultur, die lieh von Norden her durch hamitifches Land hindurch bis auf äthio- pifchen Kulturboden hindurchrang und hier dem Einheimifchen adäquat auffprießen konnte — und fich herrlich entfaltete — und abblühte ohne eine merkliche Beziehung zur europäifchen und weftafiatifchen Welt. Erft unferer Zeit war es befchieden, diefes zu fehen, diefes nachzuleben, diefes zu durchfchauen. Das gewonnene Bild einer fchatten- D IE M O N U M E N T A L E N G R A B B A U T E N D E S SY R T ISG H E N K U L T U R K R E IS E S Blick auf eineu k lein en Tumulus am Niger; E l Ualedji. Nach Photogr. von L. JFrobenius (DIAFE 1908) gez. v. H. Hagier haft in den Nebel unhiftorifcher Vergangenheit zurückgetretenen Geftalt ift aber deshalb fo eigenartig, weil hier n ich t Zeugniffe von Stein und Erz, n ich t Infchrift und Aufzeichnungen zeitgenöffifcher Kulturverwandter und gar nicht eine Chronologie fprechen, fondern nur eigene Erinnemng, Bardenfang und die Erde felbft! Das ift das Gewaltige! Die Kultur rang fich von der mittelländifchen Küfte hindurch durch die Sahara bis in den Sudan, an den Niger, faßte hier Fuß, und dann lag die Sahara als fchwerer Riegel für viele Jahrhunderte hinter ihr. Das Schwergewicht der hiftorifchen Kultur verfchob fich mittlerweile nach Norden 5 als es mit den Kreuzzügen noch einmal nach Weftafien zurückpendelte, war die fyrtifche Kultur fchon lange nach dem Niger und hinter die trennende, klaffende, gähnende Sahara zurückgetreten. Nur ganz leife und hauchartig raunt durch die Vorzeit hier und da ein Flüfterton von alledem. Perfeus, der fpätere Gründer Mykenäs, kämpfte in Kleinafrika gegen die Amazonen (Gorgonen ufw.) und befreite dann Andromeda, die Tochter des äthiopifchen Königs Kepheus. Er führt jenen Kampf mit dem Seedrachen durch, von dem die Nachkommen jener Kulturträger heute noch zu berichten wiffen (Atlantisausgabe Bd. VI S. 64 ff., 2375 bis Kordofan vordringend vgl. Bd. IV). So die griechifche Sage. Herodot hörte nur dumpf von der Pracht


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