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der Garamanten. Sie felbft aber wiffen von alledem heute noch zu fingen und zu lagen. Der Sang von Gaffires Laute (Atlantisausgabe Bd.VI S. 53— 60) ift allein fchon in diefem Sinne weltgefchichtliches Dokument. Aus dem Jahrhunderte hindurch waltenden Schweigen dringt dann die erfte Nachricht aus arabifchem Munde zu uns. Um 1050 erreichte der islamifche Reifende El Bekri den Niger, trifft auf allerhand Königreiche, merkwürdige Gefittung und riefenhafte Grabdenkmäler, deren Bauart er fchildert. Diefe Grabmäler fanden dann die europäifchen Forfchungsreifenden in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wieder (Textabbildung S. 121). Und feitdem hat noch jeder Reifende des Nigertales geftaunt ob der gewaltigen rotbraunen Köpfe, die über dem gelben Sand des Stromufers auftauchen, deren jeder die Leichen eines oder mehrerer Helden oder Könige birgt. Bis weit zum Tfadfee auf der einen, bis zum mittleren Senegal nach der zweiten und in den Nigerbogen hinein als nach der dritten Richtung reicht das Gebiet diefer bald gewaltigen und monumentalen, bald kleinen und mehr intereffanten Grabanlagen. Dem Wefen nach find fie alle eng verwandt. Um die in die Tiefe gelegte eigentliche Leichengruft vier Gänge nach den vier Himmelsrichtungen. Über der Gruft eine Opferkapelle. Die D IE M O N U M E N T A L E N G R A B B A U T E N D E S S Y R T ISC H E N K U L T U R K R E IS E S Oben R ek o n stru k tio n ssc h n itt d er Bauten am Niger. — Unten lin k s Grab eines Gurmafürsten, in der Mitte ein Binigrab, re ch ts F ü rsten g ra b Bnssa. (DIAFE 1908 u n d 1911) D IE 4 IN D E R SY R T ISC H E N K U L T U R * . 40. Gräber m it 4 Gängen — 41. S tädte m it 4 Toren — 42. Die 4 a ls A usdruck des We iblichen (Die 8 als der des Männlichen) am Rande der Sahel gelegenen lind die Monumentalen, die Riefenhaften. Ein von mir gemeffener Bau diefer Art hatte 221,50 m Durchmeffer am Boden und eine Höhe von 23,25 m. Er war n ich t der größte. Dabei hat der Regen fchon große Maffen der aus hellgebranntem Lehm beftehenden Riefen abgefchwemmt. Man bedenke, daß die Seitenbreite der großen Pyramide von Gizeh feinerzeit auch nur 230,55 m betrug! Der Grabbau von El Ualedji, den ich hier abbilde, ift einer der kleinften (vgl. auch Und Afrika fprach I. S. 23 ff., S. 577/78). Diefe Monumente mögen uns Sinnbild des Wefens alter fyrtifcher, einer hohen rhizomartig vom Mittelmeer in den Sudan vorgedrungenen Kultur fein. In ihrer Eigenart vereinigen fich viele Symptome. Die vier Gänge entfprechen den vier Toren der alten Burgftädte, der myftifch mit allem weiblichen verbundenen Vier. (Siehe Karte 40— 42.) Im Gang unter die Erde wiederholt fich das Gefetz des Lebens. Und das Leben fteigt tellu- rifch aus der Tiefe wieder in die Höhe, zur Oberfläche empor. Über dem Grab erhebt fich die Kapelle. Gewaltig und herrlich find die Gefänge, die um diefe Totenhallen einft erklangen und deren mancher noch in letzter Stunde vor ewiger Vergessenheit gerettet werden konnte. Nicht nur hiftorifcher Tiefe nach, nein, ganz anders noch wegen der Wucht dramatifchen Stoffes gehören fie unter die herrlichften Schöpfungen der Weltdichtung. Hier brandet Weitengefühl am Leben und zerbricht die Schranken von allem D enDgen Tierhaften. Wie Riefen des Urwaldes ragen die Schickfale diefer Helden empor und —r vergehen nicht im hamitifch-chthonifchen Sinne, fondern werfen den Körper ab und leben wie ein himmelhoch loderndes Feuermeer über den Tod hinweg in die Herrlichkeit tellurifcher Seelenweite. Als Samba Gannas Grabbau vollendet ift und der Blick von den Spitzen des Riefenbaues bis nach Wagana reicht (Paideuma S. 38, Atlantisausgabe VI, S. 72 ff.), da lacht


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