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übereinftimmend und — wie gefügt — den hamitifch mediterranen Anfchauungen und Auslegungen entgegengefetzt. Hier im Zentrum und Süden des Weftfudan ift der Phalluskegel ein fegenfpendendes, ein glückliches, ein verheißungsvolles Symbol. Die junge Frau, die nicht Mutter wird, bringt ihm Opfer dar und nimmt betend auf ihm Platz. Körnerfrüchte der Felder, fruchtbare Regen, Mehrung des Yiehbeftandes erhofft der Burgbauer vom Opfer an diefem Kegelaltar. Aber damit ift die ganze Reihe entfprechender Analogien noch nicht erfchöpft. In den Ländern des oberen Bani waren eine große Menge altheidnifcher Tempel noch im Jahre 1909 im Kultus lebendig. (Siehe Tafeln 103— 106.) In das Innere gelangte man durch einen eigenartigen, pylonenartigen Vorbau aus maffivem Lehm. Befonders die Form der Tafel 106 ift bezeichnend. In den Aufzeichnungen meiner Mitarbeiter finde ich über die Bedeutung diefer Formen nichts mitgeteilt. Einige Eingeborene vom oberen Niger und einige Minianka sagten mir aber, daß diefe Bauweife uralt sei, (woran nicht zu zweifeln ift) und daß der oben beknopfte Pylonenpfeiler das Symbol des fegenfpendenden Phallus ift. Letztere fügten hinzu, daß diefer Lehmphallus dem einen weiblichen Bufen darftellenden Lehmkegel in den Feldern der Bamana als Fruchtbar- keitsfymbol entfpreche ufw. Ziehen wir das Fazit. Nach alledem ift nicht daran zu zweifeln, daß zum mindeften ein Moment im eigenartigen Stil des weftfudanifchen Mofcheebaues älter ift als der Islam felbft und zwar das phallifche. Im Kulturbezirke der matriarchahfch-chthonifchen Kultur ift er zum ab- fchreckenden magifchen Zaubermittel geworden. Im Gebiet der äthiopifchen Kultur dagegen zum Symbol einer tellurifchen Myftik. Da erhebt fich nun die nahehegende Frage, mit welchem Wefensfinn diefes Architekturglied gewordene Zeichen in Afrika von Norden her Einzug hielt.fl- Darauf kann nur wieder folgendes geantwortet werden: in welcher Funktion ein Kulturelement von außen kommt, ift nicht entfeheidend; Bedeutung und Leben hat es nur als freier Wesensausdruck; bedeutend und lebendig wurde der Phallus im hamitifch-chthonifchen Kreife als magifches Mittel, im äthiopifch-tellurifchen als my- ftifches Symbol. Und genau fo wie mit dem einen Moment verhält es fich mit der ganzen Formenwelt. Die Mofchee und der ganze Islam bilden im Durchgangsgebiet Klein- und Nordafrikas etwas anderes als im afrikanifchen Aeftuarium aller hochwertigen und damit auch der fyrtifchen Kultur: im Weftfudan. Hier im Weftfudan find nicht nur rein formaliter Heidentempel und Mofchee miteinander verbunden. Der Islam wanderte hier ein auf uralter Bahn, die begangen wurde feit dem Neolithikum. Und wie jeder Wanderer diefer Straße gewann er hier im Sudan, in der Zega anlangend, nur dadurch Lebenskraft und Stilmöglichkeit, daß er einen dem Wefen der äthiopifchen Kultur adäquaten Sinn annahm, foweit er ihn nicht etwa fchon mitbrachte. T EM P E L B A U IM S Y R T IS C H E N K U L T U R K R E IS Moschee in E l Golea (südl. K leinafrika). Nach P hot, u n b ek a n n te r H e rk u n ft gez. v. H. H agler Und das Ergänzende hierzu kann aus den Bauwerken und dem Tempelbauftile der zweiten Weltreligion, der chriftlichen Kirche, die auf dem Wege der norderythräifchen Kultur Einzug hielt, erkannt werden. Von außen betrachtet ift die christliche Kirche Abeffyniens in den meiften Fällen ein Rundbau (Tafel 107). Ihrem Innern nach herrfcht noch das hiftorifche Umbildungsmerkmal diefer Kirchen, die urfprünglich jüdifch waren und demnach er ft ein Allerheiligftes, ein Heiliges und einen Volksplatz als äußerften Umgang hatten, vor. Als wefentliche Zutat foll, nach abeffynifcher Erzählung, die chrift- liche Kirche ihren Einzug gehalten haben mit plaftifchen Heiligenbildern. Jch weiß nicht, was an diefer mir aus Tigremund zuteil gewordenen Legende Wahres ift. An lieh fchon ift fie aber intereffant, allein deshalb, weil ich von keinem einzigen plaftifchen Heiligenbilde in Abeffynien gehört habe, und weil die gleiche Erzählung entfprechend fortfuhr: „die gegorenen und gefchnitzten Heiligenbilder wurden dann aber gemalt, und heute fchnitzt und gießt die abeffynifche Kunft für die Kirche nicht mehr. Alle Heiligen werden gemalt.“


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