Page 109

27f 124

Auf dem Dach, einer Burg im Gurunsiland. Tambermaburgen (nördl. Togo) Originalskizzeu v on F r. Nansen (DIAFE 1908) der Topf, das bunte Gemäuer, die Fußbodenbehandlung, der heilige Saatgetreide >leuch- ter<. Und hier kommt auch eine zweite Er- fcheinung der Lehmarchitektur zum befon- deren Ausdruck: die Farbe. Zwei verfchiedene Arten des Schmuckes Find in der Lehmarchitektur geboten. Relief und Farbe. Die Reliefornamentik erhellt aus Textabbildungen S. 104/5 aus der Plaftik des Hogon- tempels (Tafel 77), auf die wir fpäter zurückkommen werden, die fchon erwähnte klein- afrikanifche Schmuckgabe (Tafel 76) und zuletzt die FaiTadenbehandlung (Textabbildung S. 105, Tafeln 99, 100). Als Belege der Farbgebung mögen vor allen Dingen Tafeln 94 und 95 aus dem Farotale, dann aber das HauS in Djenn (Tafel 95) dienen. Die Ornamentik des Farotales wird lieh eines Tages ohne Schwierigkeit mit anderen Kulturfymptomen in genetifchen Zu- fammenhang bringen laffen und mag fo lange auf lieh beruhen bleiben. Das Haus in Djenn ift der vollendetfte Ausdruck fchmeichlerifch- liebenswürdiger Ausgeftaltung in Form wie in Farbe, die ich in Afrika überhaupt gefunden habe. Schon oben wurde von der farbigen Lehmbehandlung gefprochen. In diefem Zufammen- hang verweile ich nochmals befonders auf die Tafel 89. Fallen wir alles das zufammen, was als viele packende Einzelheiten doch wieder nur prachtvolle Formfülle, lieh ergießend aus einer Quelle, nämlich die Fähigkeit vieles Verfchiedene in ein Buntfchillemdes zu verarbeiten, dann haben wir das Wefen Weft- fudanifcher Kultur. — Soweit das Formale. ARCHITEKTUR IN SCHICHTUNG UND WESEN DER KULTUR Demgegenüber nun kurz das Sinngemäße. Da gilt es zunächft zu betonen, daß im Vorigen allerhand Ausflülfe einer ftarken Kulturbewegung betont wurden, der fyrtifchen Kultur, die mit einer älteren Schicht das Neue der Lehmverwendung gen Süden in den Weftfudan trug, und daß lieh diefem Novum mancherlei Altes zugefellte. Diele allerhand Ausflülfe machen fich im kleinen Gehöft und Landftädtchen ebenso bemerkbar wie in größeren Städten, im Kegeldachftil wie im Pfahlroftfyftem. Dies ganz allgemein zu fallen und feftzuftellen, galt es zuförderft. Nunmehr aber heißt es, eine große wefent- liche Unterfcheidung aufzudecken. Hierbei wird es am einfachften fein, von den eigentlichen SiedlungsverhältnifTen der Lehmbau übenden Gebiete und von den mit ihnen verbundenen Eigenarten auszugehen. Das bedeutfamfte Gebiet der originellen und formenreichen Lehmbauftile ift der Sudan zwifchenSchari und Senegal. Hier lagern zwei Kulturarten nebeneinander, eine „höhere“ , als deren Erfüllung die Städte zu bezeichnen find, und eine „tiefere“ , die nur Siedlungen im kleinen Sinne des Bauernvolkes kennt. Die Städte find heute groß bis zur Bevölkerung von etwa 200000 Einwohnern — heute! — vordem gab es deren noch weit volkreichere. Die Bauernvölker find kleine Stämme, fippenweife gegliedert, ohne ftaatlichen Zufammenhang. Die „Hochkulturen“ find lärmend, prunkhaft, anfpruchsvoll. Die „Tiefkulturen“ find äußerungsarm, verfchwiegen, vereinfamt. Die „Hochkulturen“ des Sudan tragen die Symptome kosmopolitifchen „ Geiftes“ orientalifchenTypus, find mächtig, herr- fchen. Die „Tief kulturen“ des Sudan find lebendig in Sippen, ifoliert, politifch machtlos. Und dennoch bedingen diefe Schwachen, Ifolierten, Zerfplitterten die Gefchichte der Völker des Sudan. Ohne ihre Bauernfchaft würde keine Stadt fich erhalten, würde kein Reich beftehen können. Diefes fippenhaft gegliederte, vaterlandslofe, aber heimatftarke Bauerntum bedeutet die Kraft, bedeutet alle hinter orientalifierendem Prunken lebendige aufbauende Kraft, bedeutet das Rückgrat fudanifchen Volkstums. —- Dazu nun die ent- fprechenden architektonifchenÄquivalente: Nur die Städte kennen den ausgereiften Lehmkuppelbau, die Lehmpaläfte, das fchwere Wand- und Mauerwerk. Nur fie haben die großen Umfaffungsmauem und Tore, die wuchtige Wirkung vorherrfchender Lehmtektonik — und zwar gleichgültig, ob folche architektonifchen Erfcheinungen von Norden nach Süden oder von Often nach Weiten vordrangen. Genau ebenfo verhält es fich mit der Verwendung des Lehms im Kegeldach. Hier ift die Verbreitung im norderythräifchen Kulturkreis klar erfichtlich. Stadtkultur refp. „Hochkultur“ fcheidet fich hier fcharf von Landkultur, refp. „Tiefkultur“ . Groß


27f 124
To see the actual publication please follow the link above