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im Freien lebt und webt, kocht und haushält, tanzt und pokuliert. Von einem klima- tifchen Unterlchied mag dies ausgehen, aber es endet in der verlchiedenen Bedeutung des Wohnbaues. Ein großer Teil der Zentralafrikaner bewegt fich nicht aus der Wohnung in die Natur, fondern zieht fich gelegentlich aus der Natur in feine Wohnung zurück. Der Europäer unterwirft fich von diefem feinem Hause wie von einem Herrfcherpalaft aus die Naturgewalten, der Zentralafrikaner baut fein Häuschen direkt hinein in die majeftätifche Übermacht der natürlichen Umwelt. Nun ahnen wir Europäer aber von der majeftätifchen Übermacht diefer natürlichen Umwelt Zentralafrikas meiftenteils fehr wenig. Wir haben Sommer und Winter, und mit letzterer Zeit eine Periode, die der Menfch eben nur mit äußerfter Anfpannung feiner Kräfte zu überleben vermag, — der Europäer ebenfo wie der Eskimo. — Der Zentralafrikaner hat keine äußerlich fo fchroffe Gegenlatzlichkeit. Was ihn bedrängt find zähe Widerftände bei äußerlich anfcheinend verblüffender Regelmäßigkeit um fo gefährlichere kleine Schwankungen. Das Ausbleiben einiger Regengülfe in der kleinen Regenzeit kann den Hungertod von Taufenden nach fich ziehen. Kein Bauemfleiß kommt dagegen auf. Im oberen Kafiaigebiet erlebte ich eine Hungersnot infolge Einbruchs eines Elefantenrudels. Krankheitsepidemien verheeren ganze Völker. Ein Tornado kann Haus und Feld dem Erdboden gleich machen. Je ficherer und zuverläffiger diele Natur dem Menfchen erfcheint und damit fein Mißtrauen einfchläfert — und wie gern gibt der Zentralafrikaner fich dem hin! — defto gefährlicher ift fie. Der Zentralafrikaner kommt gar nicht in Verfuchung, den Kampf mit den Möglichkeiten der ausnahmsweifen und doch fo häufigen herrifchen Launen der Natur aufzunehmen, fich vor ihnen zu fchützen! — Er fchmiegt fich in die Regelmäßigkeit hinein, und formt bleibt feine Behaufung wie feine Wirtfchaft ftets im engften Anfchluß an die Umwelt — gewachfen, ftilrein, pflanzenhaft. Letzteres, weil ja Zentralafrika einen Länderblock darftellt, in welchem die Wefenheit der Pflanze, fei es nun in der Steppe oder fei es im Walde, vorherrfcht. Nicht nur als Material bedingt die Pflanzenwelt die Wohnbauweife der Zentralafrikaner (in der Zega Holz und Halm, in der Hyläa Palmblattrippe, Blattfcheide, Liane), fondern auch dem ganzen Wefen nach. Alle diele Bauweifen zentralafrikanifcher Kultur Reigen aus dem Boden gleich dem Keim der Pflanze. Pflanzenhaft wachfen die Stilvarianten auf. Verfolgen wir nun aber dielen Zug, diefes typifche Emporfteigen, Aufwachfen, Sichaufrecken über die Erde, fo enthüllen fich uns die Grundzüge der tellurifch-äthio- pifchen Architektur. Einige Beifpiele find S. 8g zu einer Abbildung vereinigt. Das Charakteriftifche an den hier fkizzierten Bauten ift das Pfahlgerüft. Bald als Bett (1 und 2), bald als Nachtwächterhütte (5 und 6), bald als Wohnhütte (5,7,8 und 9), bald alsVerfammlungsplatz (4,1 o,vgl. auchTaf. 6 9). S C H I L L U K W E I L E R - Nach Photographie unbekannter Herkunft gez. von C. Ariens. Das Prinzip des Aufwachfens aus dem Boden ift hier nicht gebunden an die Rund- oder R echt- eckhütte, wenn feine natürliche Ausbildung es auch fraglos zu letzterer Form drängt. Denn das Pfahlbett fcheint in alledem als Architekturteil entfcheidender, als die darum gebaute Hütte. Diefem Pfahlbett entfprechen aber eine ganze Reihe von Erfcheinungen, die denen der hamitifchen Kultur diametral entgegengefetzt find, und zwar: den hamitifchen Erdgrubenbau teh (vgl. vorigen Abfchnitt) die äthiopifchen Pfahlbauten, den hamitifchen Silos die äthiopifchen Pfahlroftfpeicher, den hamitifchen Erdbacköfen die äthiopifchen Bratpfahlrofte ufw. In alledem beobachten wir bei jenen ein Hinabfteigen in die Erde, unter die Erde, bei diefen ein Emporwachfen aus der Erde, über die Erde. Hat der Hamite fein jägerifches, viehzüchtendes oder kriegerifches Tagewerk vollendet, fo kriecht er unter die Erde. Der Äthiope aber fteigt nach bäuerlichem Schaffen über die Erde empor. Das kulturelle Leben der Hamiten ift alfo ebenfo wie das der Tiere, die er gezüchtet hat und die das AundO feines Wirtfchaftslebens darftellen, fchickfalsmäßig mit der Erdbodenfläche verbunden, von der aus für ihn nur ein Weg in die Tiefe führen kann, wogegen der Äthiope wie die fein Leben bedingende Pflanzenwelt im Keimfproß von der Erde aus auffteigt.


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